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Siemens Görlitz droht Schließung

Erst kündigt der Zugbauer Bombardier an, in Görlitz Hunderte Stellen zu streichen. Nun könnten auch im dortigen Siemens-Werk Arbeitsplätze wegbrechen.

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© Nikolai Schmidt

Georg Moeritz

Die Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote in Sachsen muss erneut um einen großen Betrieb fürchten: Das Görlitzer Turbinenwerk des Siemens-Konzerns steht möglicherweise vor dem Aus. Das Manager-Magazin berichtete am Donnerstag, in dem Elektrokonzern werde „die Schließung erwogen“. In der Fabrik arbeiten laut Metallgewerkschaft rund 1 000 Menschen, einschließlich der Leiharbeiter.

Laut Siemens-Sprecher Michael Friedrich sind fast 800 Menschen im Werk Görlitz angestellt. Fast 600 Beschäftigte hat das Generatorenwerk Erfurt, das dem Magazinbericht zufolge verkauft statt geschlossen werden könnte. Ein Insider sagte der Sächsischen Zeitung, auch das Kompressorenwerk Leipzig sei gefährdet. Die Ost-Betriebe hätten im Konzern „keine Lobby“.

Der Konzernsprecher in Berlin sagte, entschieden sei noch nichts. Auch Gewerkschaft und Betriebsrat wurden nicht offiziell über solche Pläne informiert. Nach SZ-Informationen wird die Görlitzer Schließung im Konzern aber für möglich gehalten. Der Sprecher sagte, auf dem Kraftwerksmarkt gebe es Überkapazitäten und harten Preiskampf. Je nach Geschäftslage könne der Konzern „die Konsolidierung einzelner Aktivitäten“ beschließen.

Erst 2015 hatte Siemens ein Sparprogramm für seine Sparte Power & Gas (PG) beschlossen. Darin stand für Görlitz ein Stellenabbau: 110 Arbeitsplätze sollten nach dem Plan „PG 2020“ gestrichen werden. Dabei nennt der Konzern Görlitz als „Hauptsitz“ des Dampfturbinengeschäfts. Die Siemensianer an der Neiße stellen Industriedampfturbinen für eine schwedische Papierfabrik her, für Müllverbrennungsanlagen in Großbritannien und für ein Industriekraftwerk in Mexiko. Görlitzer Turbinen leisten bis zu 250 Megawatt.

Größter deutscher Standort ist allerdings Mülheim an der Ruhr, und er wird nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bei Siemens vergleichsweise gut bewertet. Die Betriebe stünden im Wettbewerb untereinander. Zur Sparte gehören 23 Standorte, von denen bis zu elf geschlossen oder verkauft werden könnten. Konzernchef Joe Kaeser hatte bei seinem jüngsten Quartals-Pressegespräch gesagt, in dieser Sparte müsse erneut gespart werden. Für den 9. November ist das Jahrespressegespräch geplant, bis dahin wird Klarheit über die Vorhaben erwartet.

IG Metall verteidigt Ostsachsens Ruf

Jan Otto in Bautzen möchte aber vorher Informationen. Der Bevollmächtigte der IG Metall für Ostsachsen befürchtet, dass die Berichte einen wahren Kern haben. Otto kündigt Gegenwehr an: „Das macht Ihr nicht einfach mit uns. Der Ostsachse ist zum Teil besser als sein Ruf“, sagte der Gewerkschafter. Gerade angesichts der Wahlergebnisse sei es „ein völlig falsches Signal“, jetzt über die Schließung in Görlitz zu sprechen. „Wenn der Ossi sich abgehängt fühlt, muss man mal fragen, warum ist das so“, sagte Otto. Die IG Metall werde „wie bei Bombardier alles tun“, damit es nicht zum Aus komme.

Bombardier ist der größte Industrie-Arbeitgeber in Görlitz und hat dort 1 900 Mitarbeiter im Waggonbauwerk. Der Konzern hat angekündigt, die Zahl seiner Arbeitsplätze in Görlitz bis Ende 2019 um 800 zu verringern. Bis dahin werde es keine Kündigungen geben. Demnach trifft die Streichung bei Bombardier erst Leiharbeiter.

Bei Siemens gibt es einen Pakt mit den Arbeitnehmervertretern, der Standortschließungen und Kündigungen vermeiden soll. Nach diesem Abkommen „Radolfzell II“ gehen Versetzungen, Altersteilzeit oder Umschulungen vor. Aber völlig ausgeschlossen sind Schließungen damit nicht.

Im August waren Siemens-Beschäftigte in Görlitz auf die Straße gegangen, um gegen die befürchtete Schließung des Ausbildungszentrums zu protestieren. Die schien sich inzwischen abwenden zu lassen, doch nun geht es um den gesamten Standort.

Dem Magazinbericht zufolge wollen die Manager ihre Pläne Anfang November dem Wirtschaftsausschuss vorstellen, dem Betriebsräte angehören. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) erinnerte Siemens an die „gesellschaftliche Verantwortung“ von Unternehmen. Doch die Bundesregierung sei mitverantwortlich, weil sie den Export von Dampfturbinen für Kohlekraftwerke verboten habe. Tillich nimmt an diesem Freitag in Kodersdorf bei Görlitz an der Einweihung der Leichtmetallräder-Fabrik der Firma Borbet teil. Dort sind über 500 Arbeitsplätze entstanden.