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Luxuswohnen für Nattern und Echsen

Ein hoher Wall sichert den Tieren gute Bedingungen. Bevor ein Investor Wohnungen bauen kann, musste er erst einmal für die Reptilien sorgen.

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© Marcela Plötner

Bettina Klemm

Kay Tews ist eher unfreiwillig zum Experten für Schlingnattern und Zauneidechsen geworden. Ursprünglich konnte der Geschäftsführer der Tewac Jägerpark Wohnungsgesellschaft mit den Reptilien nichts anfangen. Nun findet er sogar Freude an ihnen und ist stolz, dass die Zahl der Tiere nach einer aktuellen Zählung sogar zugenommen hat. Der Bauingenieur möchte knapp 700 Wohnungen im Dresdner Norden errichten. 15 Prozent davon in meist vier- bis fünfgeschossigen Mehrfamilienhäusern sollen Sozialwohnungen werden.

Doch auf der einst militärisch genutzten Fläche am Rande der Äußeren Neustadt gibt es reichlich Getier, darunter streng geschützte Arten. Akribisch hatten Umweltexperten der MEP Plan GmbH 2014/15 für ihr Gutachten Vögel, Insekten und Reptilien untersucht und Empfehlungen abgegeben. „Schlingnattern und Zauneidechsen sind streng geschützt. Da kann man entweder gar nicht bauen oder muss die Tiere umsiedeln. Aber auch das ist schwierig, denn sie lassen sich nie alle fangen“, erläutert der Biologe Jörg Plötner. Es sei nicht einfach, eine Ersatzfläche zu finden und zu entwickeln. Man kann die Tiere auch nicht in ein Revier umsiedeln, in dem bereits andere der Art leben.

So gingen Investor und Umweltexperten für den Jägerpark einen anderen Weg. Sie legten am Rand des zehn Hektar großen Geländes fünf bis sechs Meter hohe Wälle an, die nicht nur als Lebensraum für Zauneidechsen und Schlingnattern, sondern gleichzeitig auch als Lärmschutz für das zukünftige Wohngebiet dienen.

„Obwohl ursprünglich nur fünf Eidechsen und acht Nattern gezählt wurden, war davon auszugehen, dass wesentlich mehr Tiere in dem Gebiet leben“, erklärt Plötner. Erfahrungen aus anderen Projekten zeigten, dass immer nur ein geringer Teil der Tiere beobachtet werden kann. „So haben wir in enger Zusammenarbeit mit Dr. Plötner die Reptilienwälle für 500 Tiere geplant und von Frühjahr bis Herbst 2017 gebaut“, sagt Kay Tews. Er spricht von einem siebenstelligen Betrag, konkreter mag er nicht werden. Auf einer Internetseite zu dem Projekt Jägerpark ist von 3,8 Millionen Euro die Rede. Fast drei der insgesamt zehn Hektar großen Fläche sind nun eingezäunt und den Reptilien vorbehalten. Doch Tews ist froh, überhaupt einen Kompromiss gefunden zu haben.

Schlangen und Echsen lieben sonnige, sandige Flächen, wenn es ihnen jedoch zu warm wird, suchen sie den Schatten von Büschen und Sträuchern. Die neuen Wälle sehen wie große Sandhügel aus, in die alte Mauerteile, Baumstubben und Pflanzengruppen eingefügt wurden. So siedeln sich auch Käfer, Heuschrecken, Spinnen und Co. an. Das ist Nahrung für die Zauneidechsen, die wiederum von Schlingnattern gefressen werden.

Alle Maßnahmen wurden in enger Zusammenarbeit mit dem Umweltamt getroffen. Plötner hatte die Idee für den Wall. „Wir haben uns so für die dritte Dimension – für die Höhe – entschieden“, erklärt Jürgen Altmeyer vom Dresdner Umweltamt. Er bezeichnet sich selbst scherzhaft als „behördliche Stimme“ für den Artenschutz. Sein Amt begleite intensiv Investoren. Bisher handelt es sich um ein bundesweit einmaliges Projekt, sagt Plötner, der es auch in Zukunft wissenschaftlich begleiten wird. Auch Altmeyer geht davon aus, dass es für ähnliche Fälle ein Vorbild werden könnte.

Neben den Reptilien leben auch Grünspecht, Kuckuck und Neuntöter auf dem Gelände. Für sie hat der Investor für 25 Jahre eine Ersatzfläche in der Nähe von Pirna gepachtet.

Wann er nun seine geplante 200-Millionen-Investition tätigen kann, ist immer noch nicht sicher. Es gibt noch Diskussionen um den Lärmschutz. Kay Tews hofft auf eine Klärung im laufenden Bebauungsplan-Verfahren.

Umweltgespräche zu „Zauneidechse, Fledermaus und Co.“ am 20. 11., 19 Uhr, An der Kreuzkirche 6. Eintritt frei.