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Luthers Konflikte

In Löbau wird derzeit ein brandneues Oratorium über die Lebensgeschichte des Reformators einstudiert. Geschrieben hat es ein Kantor aus Hoyerswerda.

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© Wolfgang Wittchen:

Von Irmela Hennig

Löbau. Ge-hor-che!“, singt der Chor. Aber Kantor Johannes Leue will noch mehr Nachdruck für dieses Wort. Ist es doch der erste Schlüsselmoment in seinem neu geschaffenen Oratorium. Und im Leben des ganz jungen Martin Luther (1483 bis 1546). Gehorsam fordert der Vater von ihm. Er will den Sohn zum Juristen machen. Der will anderes. Ein erster Konflikt bricht auf für Martin, der später mit seinen Gedanken zur Erneuerung der Kirche fast ganz Europa verändern wird. Er wird nicht gehorchen. Wird Theologie studieren und Mönch werden, an sich zweifeln, an seinem Glauben, an der Lehre seiner Kirche, an den Mächtigen.

Johannes Leue hat all das in das Werk „Im Geist der Hoffnung“ eingebunden. Es wird derzeit von Chören in Löbau, Hoyerswerda und Görlitz einstudiert. Ab dem 25. März ist es mehrmals in der Oberlausitz zu hören. Die Kantorei Löbau, der Bachchor Görlitz und der Oratorienchor Hoyerswerda treten dabei jeweils gemeinsam mit der Neuen Lausitzer Philharmonie auf. Auch Solisten wirken mit. Der regionale Kulturraum fördert das Projekt finanziell.

Etwa 25 Frauen und Männer sind zur Probe an einem verregneten Montagabend im Februar ins Löbauer Geschwister-Scholl-Gymnasium gekommen. Sind die vielen Treppen hinaufgestiegen bis zum Musikzimmer, in dem ein Flügel, Trommeln, Becken und Xylofone stehen. Chorsänger Friedhard Schneider hat ihnen aufgeschlossen. Er singt im Bass und nennt das neue Werk eine Herausforderung. Nicht alle der insgesamt 60 Kantoreimitglieder machen dieses Mal mit. Christof Singer, Ofenbaumeister aus Seifhennersdorf, ist dabei und begeistert: „Es singt sich gut, ist interessant.“ Der Tenor schätzt die modernen Einfälle und freut sich auf den gemeinsamen Auftritt mit der Philharmonie aus Görlitz.

Historische Texte genutzt

Die Zusammenarbeit ist keine Ausnahme. Kulturraumorchester und kirchliche Chöre setzen regelmäßig Projekte miteinander um. Einstudiert werden die Werke aber erst mal nicht mit dem großen Klangkörper, sondern mit Flügelbegleitung. Der Hoyerswerdaer Kantor Johannes Leue ist dafür im Februar vertretungshalber für seinen Kollegen Christian Kühne nach Löbau gekommen. Ins Gymnasium, wo sich die Kantorei der hiesigen Evangelisch-Lutherischen Kirche regelmäßig zur Probe trifft. Dieses Mal hat sich auch eine Gruppe aus Bernsdorf bei Hoyerswerda eingefunden. Um „noch etwas sicherer zu werden“, wie sie erzählen. Sie gehören zum Oratorienchor in Hoyerswerda.

Dem Reformationsjubiläum – Luthers Gedanken für eine Neuausrichtung der Kirche werden 500 Jahre alt – ist das Werk von Johannes Leue gewidmet. Der Kirchenmusiker komponiert regelmäßig. Und er hat sich lange mit dem Thema Reformation beschäftigt. Einfach die Biografie Martin Luthers umsetzen wollte er nicht. Diesen Ansatz gebe es 2017 hundertfach. Er orientierte sich viel mehr an Lebenskrisen, die einen Menschen im Schnitt alle sieben Jahre treffen und von denen auch der Theologe und Reformator Martin Luther nicht verschont blieb. Ob Krise oder Umbruch – Pubertät, Berufseinstieg, Familiengründung zum Beispiel – das zieht sich als roter Faden durch ein Menschenleben. Und Johannes Leue hat solche Umbrüche auch bei Luther gefunden. In seinem Oratorium reiht er die daraus resultierenden Konflikte aneinander. Ausgangspunkt ist der mit dem Vater. Es folgen unter anderem Bildungs- und Wahrheits-, Lehr-, Macht- und Glaubenskonflikt.

Textlich hat Johannes Leue dabei auf Schriften Luthers und weiterer Personen jener Zeit zurückgegriffen. Er nutzt Aussagen unter anderem von Reformator Andreas Bodenstein oder auch vom Theologen und Revolutionär Thomas Müntzer. Eingang gefunden haben zudem Gedanken aus einem modernen Text – „Glaubenssätze: ein kritischer Katechismus“ vom Heidelberger Theologen Gerd Theißen.

Musikalisch bietet das Oratorium nur teilweise moderne Klänge. Der Hoyerswerdaer Kantor hat auch ältere Werke genutzt – Lieder Luthers zum Beispiel. Er ist für ihn „so etwas wie ein Liedermacher heute“. Leue hat zudem gregorianische Musik für „Im Geist der Hoffnung“ geschrieben, ist bei einem sorbischen Komponisten und beim lange in Zittau wirkenden Organisten Andreas Hammerschmidt fündig geworden.

Der Hoyerswerdaer Kantor will mit dem Oratorium nicht einfach Geschichte vermitteln. Ihm geht es darum, die Reformation fortzusetzen. Sie sei immer nötig. „Wir müssen auch heute überdenken, was passiert und neue Richtlinien für unsere Gesellschaft finden.“ Die Frage sei: Wie kann ich als Einzelner Gutes zu unserer Demokratie beitragen.

Termine:

25. März, 16 Uhr, Nikolaikirche Löbau

7. April, 19 Uhr, Johanneskirche Hoyerswerda

9. April, 17 Uhr, Kreuzkirche Görlitz