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Luther in Meißen

Die Reformation hat etwas gebracht, das jeder nutzt, wenn er nur den Mund aufmacht. Das zeigt das Stadtmuseum.

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© Claudia Hübschmann

Von Udo Lemke

Meißen. Ohne Zweifel – das Sächsische ist der am meisten herabgewürdigte Dialekt in Deutschland. Allerdings könnte noch heute niemand in Berlin, München oder Hamburg ein paar vernünftige Zeilen Deutsch aufs Papier bringen, ohne eine segensreiche Erfindung aus unserer Region. Gemeint ist die sogenannte Meißnische Kanzleisprache. Eigentlich eine Erfindung der Bürokraten des Wettinischen Hofes, die aber dafür sorgte, dass sich in sächsischen Landen besser verständigt werden konnte, als im Rest des Deutschen Reiches. Denn diese Kanzleisprache sorgte für die Normierung von Begriffen, sodass sie in Plauen genauso verstanden werden konnten wie in Leipzig oder Dresden. Und diese Begriffe beziehungsweise Worte nutzte Luther für seine Bibelübersetzung. Und weil die zwischen Nürnberg, Rostock und Meißen bald in jedem protestantischen Haushalt vorhanden war, zumindest aber auf den Kirchenbänken lag, wurde die Meißnische Kanzleisprache zum Allgemeingut und später auch in katholischen deutschen Landen Basis der Schriftsprache.

Lange Rede, kurzer Sinn: In der großen Sonderausstellung des Stadtmuseums zum 500. Reformationsjubiläum, spielt die Meißnische Kanzleisprache als Grundlage für Luthers Bibeln und Gesangbücher, die dort in all ihrer massigen Pracht zu sehen sind, eine wichtige Rolle. Und damit ist Luther auch für Meißen gerettet. Denn „der Reformator ist nie in der Stadt gewesen“, wie Museumsleiterin Martina Fischer, die die Sonderschau „Luther, Lieder und Kanzlei – Meißen im 16./17. Jahrhundert“ zusammengestellt hat.

Das fing schon vor fünf Jahren an, als es darum ging zu überlegen, was man denn ausstellen könnte, wenn alle Museen zum Thema Luther ausstellen. Auf Leihgaben war da nicht zu hoffen. Aber das Stadtmuseum hat einen erstaunlich reichhaltigen Fundus zum Thema. Dazu zählen etwa die riesigen Kartons von Julius Schnorr von Schnorr von Carolsfeld, die er zwischen 1827 und 1867 als Vorarbeiten für die Ausmalung der Münchner Residenz schuf. Einer davon zeigt Luther auf dem Reichstag zu Worms, wo er vor dem Kaiser bekennt, dass er nicht anders kann. Von Carolsfeld ist auch eine illustrierte Bibel in der Ausstellung zu sehen, die ein Nachfahre des Malers nach Meißen gesandt hat.

Ganz ohne Leihgaben geht es denn also doch nicht. Davon zeigen auch die beiden überlebensgroßen Darstellungen von Luther und seinem Freund Philipp von Melanchthon, die einst Lucas Cranach der Jüngere gemalt hat.

In der Ausstellung kann man nicht nur Bibeln und Gesangbücher sehen, sondern auch die Schreibgeräte, mit denen sie hergestellt worden sind, dazu Mobiliar, Instrumente und Klingelbeutel aus der Reformationszeit. Und dann gibt es Kuriositäten aus jüngerer Zeit, wie einen kleinen 22 Millimeter mal 22 Millimeter großen Zettel, auf den jemand in winziger Schrift das komplette Vater-Unser geschrieben hat. Ein Prunkstück der Schau ist ein riesiges Gemälde, das die „Übergabe der Augsburgischen Konfession 1530 zeigt, womit die lutherischen Reichsstände vor dem Kaiser den neuen Glauben bekennen. Die Schau ist bis zum 5. November geöffnet und wird von einem umfangreichen Rahmenprogramm flankiert.