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Losgesagt von den „Freien Kameraden“

Am Mittwoch endet der Prozess um rechtsextreme Angriffe auf Jugendliche und Asylbewerber.

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© Sven Ellger

Von Alexander Schneider

Sie haben sich stets arglose Opfer gesucht – und dann gemeinsam zugeschlagen. Im Juni vergangenen Jahres verprügelten die beiden heute 18-Jährigen mit etwa einem weiteren Dutzend Komplizen eine vermeintlich „linke Gruppe“ von sechs bis sieben gleichaltrigen Heranwachsenden, die sich im Alaunpark getroffen hatten. Im August warfen sie Steine auf eine Asylbewerberunterkunft in Stetzsch. Motivation für die Übergriffe war ihr rechtsextremistisches Weltbild. Dem huldigen sie offenbar als Mitglieder der „Freien Kameradschaft Dresden“. Am heutigen Mittwoch, 14 Uhr, wird das Urteil gegen die rechten Schläger verkündet.

Ein halbes Jahr in Untersuchungshaft ist nicht spurlos an den beiden jungen Männern vorübergegangen. Schon zum Prozessauftakt Anfang Mai hatten die beiden 18-Jährigen gesagt, dass sie sehr viel Zeit zum Nachdenken hatten und heute diese Taten nicht mehr begehen würden. Ob sie es auch ernst meinen, sich von ihren „Kumpels“ der rechten Szene loszusagen, wird eine der spannenden Fragen der nächsten Monate sein. Denn die Angeklagten zählen sich zur „Freien Kameradschaft Dresden“, einer Gruppe von mehreren Dutzend Leuten mit einem straff rechtsextremen Weltbild. Im aktuellen Verfassungsschutz-Bericht ist mehrfach von der Kameradschaft die Rede, etwa unter der Überschrift „Nationalsozialisten“. Sie trete auch unter dem Namen „Freie Aktivisten Dresden“ in Erscheinung – bei Demonstrationen, vor Asylbewerberunterkünften und nicht zuletzt im Internet.

Die beiden 18-Jährigen berichteten in ihrem Prozess, dass sie am Rande der montäglichen Pegida-Demonstrationen mit der rechten Kameradschaft in Kontakt gekommen seien. Der eine, weil er nach seinem langen Drogenentzug in der Gruppe Leute gefunden habe, die auf ihn aufpassten, sagte er. Der andere, weil er zweimal am Hauptbahnhof „von Ausländern“ zusammengeschlagen und erheblich verletzt worden sei. Offenbar ging es dem „Kameraden“ bei Pegida weniger darum, den Reden zu lauschen, als immer wieder durch verschiedene Aktionen im Umfeld eine Duftmarke zu hinterlassen. „Wir wollten die Linken provozieren“, sagte einer der Angeklagten in seiner Polizeivernehmung. Dort sagte er auch, dass man mit den Aktionen sich habe rächen wollen. Rächen etwa dafür, dass ihre „politischen Gegner“, „die Linken“, mehrfach Autos von Pegida-Teilnehmern abgefackelt hätten.

Solche Schilderungen mögen den Hintergrund beschreiben, vor dem es zu den geplanten Gewaltexzessen gekommen ist. Die beiden Angeklagten haben an einem Angriff auf das Asylbewerberheim in der Podemusstraße teilgenommen. Zusammen mit vier weiten Männern und einer Frau zogen sie am späten Sonntagabend des 23. August zu der Unterkunft, dem ehemaligen „Hotel Lindenhof“, und warfen Pflastersteine in die Scheiben. Auch ein Böller flog in das offene Fenster eines Zimmers im ersten Stock und explodierte auf dem Sims. Die Angeklagten können von Glück sagen, dass niemand verletzt wurde. Zwei Pakistaner, in deren Zimmer der Böller explodierte, kamen mit dem Schrecken davon.

Einer berichtete, es sei auch ein Stein in ihr Zimmer geflogen. Ob das stimmt, ist unklar. Die Ermittlungen waren schwierig, denn die Asylbewerber hatten schon vor Eintreffen der Spurensicherung aufgeräumt. Kein Stein, kein Böller war mehr zu finden. Die Beamten mussten sich durch Mülltüten und Staubsaugerbeutel wühlen. Unklar blieb auch, ob der Heimleiter in seinem Büro war, als auch dort Steine ein Oberlicht demolierten. Die Polizei hatte ihn nicht danach gefragt – und der Mann erschien nicht als Zeuge.

Die Schüler und Auszubildenden, die in einer warmen Juninacht im Alaunpark vermöbelt wurden, hatten weniger Glück als die Flüchtlinge. Sie erlitten zum Teil heftige Verletzungen, haben heute noch Probleme, wenn sie im Alaunpark sind. Dass sie von einer rechten Gruppe angegriffen wurden, war ihnen gar nicht klar, sagten mehrere von ihnen als Zeugen.

Auch der dritte Sitzungstag zog sich am Dienstag bis zum Abend hin. Die Staatsanwaltschaft forderte für die beiden 18-Jährigen Jugendstrafen von zweieinhalb und zweieinviertel Jahren. Für einen dritten Mitangeklagten (19), der im Alaunpark dabei war, forderte die Staatsanwaltschaft neun Monate Jugendstrafe. Die Verteidiger plädierten auf Jugendstrafen von unter zwei Jahren Haft, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden sollten. Die Angeklagten sagten, sie wollten mit der „Freien Kameradschaft Dresden“ nichts mehr zu tun haben. Sie hätten in der Haft erkannt, dass sie „einen Haufen Mist gebaut“ haben.