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Lößhügellandschaft wird zerstört

Die Sibelco-Gruppe will einen neuen Kaolin-Tagebau aufschließen. Dagegen gibt es Widerstand. Öffentliche Kritik ist jedoch unerwünscht.

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© Archiv

Von Jürgen Müller

Schletta. Die Einwohner von Schletta und Umgebung fühlen sich wie die tapferen Gallier. Doch sie führen einen aussichtslosen Kampf gegen einen Giganten. Die Sibelco-Gruppe Ransbach-Baumbach will nahe Schletta Ton und Kaolin abbauen. 100 bis 150 Tonnen des rund 20 bis 30 Millionen Jahre alten Materials sollen dort pro Jahr gefördert werden. Das Kaolin, das in einer Tiefe von rund 40 Metern liegt, wird vor allem für die Herstellung von Keramik und Porzellan verwendet. Es kommt auch als Aufheller bei der Papierherstellung, in Farben und Lacken sowie als Weichmacher in der Reifenproduktion vor. Die Lagerstätte Schletta umfasst rund sechs Millionen Tonnen Kaolin.

Insgesamt werden nach Angaben des Oberbergamtes Freiberg 27,60 Hektar Fläche dafür gebraucht. Neben dem eigentlichen Kaolintagebau mit einer Fläche von 17,60 Hektar werden weitere zehn Hektar für die Tagebauzufahrt, ein Rohkaolin-Zwischenlager und eine Halde für die Ablagerung von Abraum benötigt.

Es ist geplant, nahe Schletta 36 Jahre lang Kaolin abzubauen. Weitere vier Jahre wird es dauern, bis die Fläche wieder für die Landwirtschaft nutzbar gemacht werden kann. Der Rohstoffabbau erfordert zum gegebenen Zeitpunkt die Unterbrechung der öffentlichen Straße von Schletta zur Alten Döbelner Landstraße. Dafür werde jedoch außerhalb der Bergbaufläche Ersatz geschaffen, so das Oberbergamt.

Von dem Abbau sind 15 Grundstücke betroffen, die Hälfte davon befindet sich in Privatbesitz. Diese müssen von der Abbaufirma erworben werden.

Doch die Schlettaer wollen keinen Tagebau vor ihrer Haustür haben. Sie fürchten vor allem Lärm, nicht zuletzt durch Lkw-Verkehr und Staubbelastung für Jahrzehnte, und damit verbunden den Wertverfall ihrer Grundstücke. Doch zu verhindern ist der Tagebau nicht. Die Sibelco-Gruppe hat die Bergbaurechte für das Gebiet. Das Vorhaben ist genehmigungsfähig. Die erste Hürde - das Raumordnungsverfahren – hat das Vorhaben schon genommen.

Dennoch wollen die Anwohner nicht klein beigeben. Sie haben Einwendungen gegen den Tagebau vorgebracht, die jetzt vom Oberbergamt erörtert wurden. Allerdings wollte man dabei unter sich bleiben. Auf Antrag des Sibelco-Geschäftsführers wurde die Presse ausgeschlossen.

Immerhin, einige Zugeständnisse musste die Firma schon machen. So soll nur in der Zeit von 7 bis 17 Uhr Kaolin abgebaut werden. Ein Lärmschutzwall soll entstehen, der begrünt werden soll. Die etwa 8 000 Quadratmeter Waldfläche, die für den Abbau in Anspruch genommen werden, müssen wieder aufgeforstet werden. Auch ein Zwischenlagerplatz soll jetzt in einer Entfernung von 150 Metern zu Neuschletta entstehen. Zuvor waren es nur 40 Meter. Den Anwohnern reicht das nicht. Sie wollen einen Ausgleich für den Wertverlust ihrer Grundstücke.

Doch von der Firma gibt es nach SZ-Informationen dazu keinerlei Zugeständnisse. Im Gegenteil, man wolle untersuchen lassen, ob es durch den Tagebau überhaupt zu einem Wertverlust der Grundstücke käme.

Auch den Einbau von Schallschutzfenstern soll die Firma bezahlen. Unterstützt werden die Anwohner mit ihren Anliegen vom Käbschütztaler Gemeinderat. Der hat das Vorhaben schon vor einiger Zeit abgelehnt, kann es aber nicht verhindern. Mit dem Aufschluss des Tagesbaus Schletta seien tiefgreifende Maßnahmen verbunden, die sowohl dem Ort Schletta als auch der Gemeinde schadeten, heißt es in der Stellungnahme . So werde die Ansicht der Lößhügellandschaft, wie sie für die „Lommatzscher Pflege“ typisch sei, unwiederbringlich zerstört.

Die Immobilien in der näheren Umgebung verlören folglich an Wert, und die Bevölkerungszahl nehme ab. Die Gemeindestraßen würden durch den erhöhten Lkw-Verkehr mehr beansprucht, seien für die erforderliche Tragfähigkeit gar nicht ausgelegt. Zudem habe die Gemeinde kein Geld, um die Straßen entsprechend den Erfordernissen auszubauen und instand zu halten.

Keine verbindliche Aussage gab es von der Firma bei der Veranstaltung SZ-Informationen zufolge zu der Frage, wann konkret der Kaolinabbau beginnen soll.

In Sachsen gibt es neben den Kaolinvorkommen bei Meißen auch Abbaustätten bei Kamenz sowie bei Wermsdorf. Nach Bayern ist Sachsen der bundesweit zweitgrößte Kaolinstandort.

Die hiesigen Kaolinlagerstätten wurden 1764 entdeckt. Nach der Erfindung des europäischen Porzellans 1709 durch Johann Friedrich Böttger und Walther von Tschirnhaus hatte der Sächsische Kurfürst August II. nach weiteren geeigneten Rohstoffen für die Porzellanherstellung suchen lassen.