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Links gegen links

Sahra Wagenknecht teilt gegen Katja Kipping aus. Die Partei, sagt die Fraktionschefin, werde schlecht geführt.

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© picture alliance / Britta Peders

Von Thilo Alexe

Sie ist sich sicher. „Wohlhabende Lifestyle-Linke dürften unter unseren Wählern in der Minderheit sein.“ Sahra Wagenknecht hat dem Neuen Deutschland ein bemerkenswertes Interview gegeben, in dem sie sich für eine Neuausrichtung der Linken stark macht. Wegen der Politik der offenen Grenzen habe kaum jemand die Partei gewählt. „Infolge der Flüchtlingskrise“, betont die Chefin der Linksfraktion im Bundestag, „haben sich viele soziale Probleme verschärft, die es vorher schon gab“. Das treffe nicht die Besserverdienenden, „sondern vor allem die, denen es ohnehin schon nicht gut geht“.

Wagenknecht will andere Akzente in der Asylpolitik der Linken setzen, in deren Programm der Satz steht: „Wir fordern offene Grenzen für alle Menschen.“ Die Fraktionschefin nutzt das Gespräch zudem für eine Breitseite gegen Katja Kipping, die aus Dresden stammende Parteivorsitzende. „Eine Partei, in der es ständig Streit und Reibereien gibt, wird nicht gut geführt.“ Wagenknecht nennt Kipping und Ko-Chef Bernd Riexinger zwar nicht namentlich. Dennoch wirft sie ihnen schwere Versäumnisse vor: „Ich würde mir wünschen, dass die Parteispitze sich auf ihre Aufgabe konzentriert, nämlich die Stärkung der Linken – aktuell wäre da vor allem im Osten viel zu tun –, statt immer wieder gegen die Fraktionsspitze zu arbeiten.“

All das zeigt neben persönlicher Konkurrenz einen Grundsatzkonflikt, mit dem die Partei schon seit Jahren beschäftigt ist. In der Flüchtlingspolitik setzt die Linke bislang nicht nur auf einen Willkommenskurs. Deutsche Arme und Asylbewerber dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. In ihrem 2016 erschienenen Buch „Wer flüchtet schon freiwillig?“ fordert Kipping einen „sozialen Universalismus in Wort und Tat“. Wagenknecht dagegen betont, dass Voraussetzungen für erfolgreiche Integration wie genügend Erzieher, Sozialwohnungen und gut ausgestattete Schulen, „nicht in beliebigem Umfang gewährleistet werden“ können. Das Recht auf Asyl für Verfolgte müsse verteidigt werden, „aber wir müssen aufhören, Arbeitsmigration zu idealisieren“.

Die Themen Asyl, Zuzug und Einwanderung sind für die Linke ohnehin diejenigen, bei denen etliche Wähler mit der Partei fremdeln. Sachsens Linksfraktionschef Rico Gebhardt sagte bereits 2016 in einem Gespräch mit der SZ: „Ich kenne das aus vielen Jahren Straßenwahlkampf. Da wurde gesagt: Ich wähle euch, aber das mit den Ausländern müsst ihr mal lassen.“ Mittlerweile sind diese Wähler vermutlich zur AfD gewechselt.

Der Leipziger Bundesparteitag im Juni dürfte also spannend werden. Gut möglich, dass sich ein Teil der Partei dafür ausspricht, das Augenmerk stärker auf einheimische Arbeiter und Arbeitslose zu legen. In dieser Gruppe, bemängelt Wagenknecht, „haben wir verloren“. Das habe „sehr viel damit zu tun, dass diese Menschen unsere Positionen in der Flüchtlingsfrage – offene Grenzen und Bleiberecht für alle – nicht nachvollziehen konnten“. Die Frage ist, wie stark diejenigen dagegenhalten, die die bisherige Politik als linken Wert verteidigen.

Spannung bietet zudem die Wahl der Parteivorsitzenden. Dass in Leipzig jemand gegen Kipping antritt, gilt derzeit als unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist, dass Riexinger sich mit einem Gegenkandidaten aus dem Wagenknecht-Lager auseinandersetzen muss. Die Wahl vollzieht sich zudem vor dem Hintergrund der Bemühungen für eine linke Sammlungsbewegung. Die strebt Wagenknecht zusammen mit ihrem Mann, dem früheren Parteichef Oskar Lafontaine, an. Das Projekt stehe nicht in Konkurrenz zur Linken, „sondern soll linke Politik auch für die vielen attraktiv machen, die bisher unsere Partei nicht wählen.“ Kritiker wie Kipping und Riexinger befürchten dagegen eine Spaltung und warnen, dass die Bewegung zusätzlich zur Partei bei Wahlen antreten könnte.

Kipping selbst reagiert auf die Vorwürfe nicht öffentlich. Allerdings haben 25 der 69 Bundestagsabgeordneten der Linken eine Erklärung unterzeichnet, in der sie sich von Wagenknechts Unmut über die Parteiführung distanzieren. „Wir teilen diese Einschätzung nicht. Im Gegenteil finden wir, dass sich die Partei seit dem Göttinger Parteitag von den davor liegenden Auseinandersetzungen gut erholt hat und sich weiterhin gut entwickelt“, heißt es in dem Papier, zu dessen Unterzeichnern auch die ostsächsische Abgeordnete Caren Lay zählt. Die 25 bemängeln „eine Vielzahl ungeklärter Konflikte und offener Probleme“ in der Fraktion. Denen müsse sich Wagenknecht stellen. Zudem sei ihr „Agieren für eine Sammlungsbewegung“ intransparent.