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Linke als alte Zecken beschimpft

Die Partei fürchtet um ihr Büro. Auch andere haben öfter mit Übergriffen zu tun. Das beschäftigt jetzt die Vermieter.

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© Lutz Weidler

Von Britta Veltzke und Birgit Ulbricht

Riesa. Mit dem neuesten Angriff auf das Riesaer Bürgerbüro der Linken (SZ berichtete) verzeichnet die Wohnungsgesellschaft Riesa (WGR) dort bereits den vierten Vandalismusschaden in den letzten fünf Jahren. Die WGR ist der Vermieter der Partei an der Bahnhofstraße. „Das ist natürlich mehr als ärgerlich sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter“, erklärt WGR-Prokurist Reiner Striegler.

Eine Gruppe Jugendlicher war am Dienstagnachmittag vor dem Büro aufgekreuzt, warf einen Stein gegen die Schaufensterscheibe und beschimpfte die Fraktionsvorsitzende der Linken im Kreistag, Bärbel Heym, als sie die Elf- bis 15-Jährigen zur Rede stellen wollte. Aus Sicht der Polizei war das ein Einzelfall. „Bei nicht einmal einem Vorfall im Jahr liegt hier nach unserer Definition keine Serie vor. Sicherlich hat es in der Vergangenheit Fälle von Beschädigungen gegeben, diese sind in ihrer Art jedoch unterschiedlich und stehen für sich“, so Polizeisprecher Marko Laske auf SZ-Nachfrage. In diesem Fall sei außerdem zu betrachten, dass der junge Mann, der den Stein geworfen haben soll, mit 15 Jahren so eben erst strafmündig ist. „Das macht die Sache nicht besser. Das war sicher auch kein Dummejungenstreich, zeigt aber, dass wir es hier nicht mit einem einschlägig bekannten Vertreter der Neonazi-Szene zu tun haben.“

Die Vorsitzende der Linken im Kreis Meißen, die sich zum Tatzeitpunkt ebenfalls in dem Büro befunden hatte, sieht das ein bisschen anders. „Diese Jugendlichen sind die ganze Bahnhofstraße entlang und haben ausgerechnet auf unser Schaufenster geworfen. Und sie haben uns als alte Zecken beschimpft. Das ist ein Begriff, der üblicherweise in der rechten Szene für Linke verwendet wird.“ Auch in den anderen Fällen sei das Linken-Büro sicherlich nicht zufällig zur Zielscheibe geworden, so Uta Knebel. Die Riesaerin befürchtet nun, dass die WGR der Partei irgendwann den Mietvertrag kündigt. „Wie bei Susanne Schaper.“

Das Büro der Linken-Landtagsabgeordneten in Chemnitz wurde in der Vergangenheit so oft beschmiert und beschädigt, dass der Vermieter ihr am Ende kündigte. Aus Sicht von Werner Rellecke, Interimsdirektor der Landeszentrale für politische Bildung, wäre das das falsche Signal. „Damit spielt man nur denen in die Hand, die Andersdenkende mundtot machen wollen.“ Auch Rellecke beobachtet eine Zunahme von Übergriffen. „Das ist ein Phänomen, das es in den letzten 25 Jahren so nicht gegeben hat. Auch nicht in den 90er-Jahren.“ Die Streitkultur sei merklich rauer geworden. „Das wirkt sich leider nicht nur in den sozialen Netzwerken aus, sondern auch im realen Leben. Das geht bis hin zu Gewalt gegen Eigentum politischer Parteien oder Personen.“ Eine Form der Auseinandersetzung, die nicht akzeptabel sei, so Rellecke.

Jüngstes Beispiel in Großenhain: Die Fassade der Traditionsgaststätte Bergkeller wurde mit Roter Bete beworfen, weil die AfD-Landtagsfraktion den Saal für einen Vortrag des Journalisten Hans-Hermann Gockel angemietet hatte. Bergkeller-Wirt Stephan Seurig ließ vernehmen, dass er wohl künftig die AfD nicht mehr als Mieter sehen möchte. Damit ist das Kalkül der sich selbst als „Rote Beete Fraktion“ bezeichnenden Gruppe aufgegangen: Einschüchterung und Rückzug. „Mit Demokratie hat das nichts zu tun“, sagt da selbst Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Lauterbach aus Großenhain. „Deshalb ist es auch nicht richtig, dass solche Anschläge bestenfalls eine Sachbeschädigung sind. Nein, es sind politisch motivierte Anschläge und das sollte anders bestraft werden“, so Kerstin Lauterbach. Das Wörtchen „bestenfalls“ trifft im Fall Bergkeller nicht einmal zu. Weil die Substanz der Fassade nicht beschädigt wurde, sprich die Schmiererei mit Wasser, Spülmittel und viel Arbeit abwaschbar war, liegt nicht einmal eine Sachbeschädigung vor. Die Polizei verfolgt den Vorfall als Nötigung, weil die Linksaktivisten in einem Bekennerschreiben weitere Anschläge angedroht haben. Der Schaden für die Demokratie ist dagegen kaum abzuschätzen.

Was die Sorge von Uta Knebel angeht, die Kündigung für das Bürgerbüro an der Riesaer Bahnhofstraße zu erhalten, gibt der Vermieter im Übrigen Entwarnung: „Derzeit erwägen wir noch keine Kündigung des Mietverhältnisses“, sagt WGR-Prokurist Reiner Striegler. Noch nicht?