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Linde-Standort in Dresden bis 2021 gesichert

Die 480 Beschäftigten des Dresdner Linde-Ablegers können beruhigt Weihnachten feiern: Der Technologieriese verzichtet vorerst auf betriebsbedingte Kündigungen. Doch was kommt dann?

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© Thomas Kretschel

Michael Rothe

Dresden. Den Linde-Beschäftigten sei ein Stein von der Seele gefallen. So geben Beteiligte am Mittwoch den Moment wieder, als der Betriebsrat über fünf Jahre Standortgarantie für Dresden informiert. Das sehe eine Konzernbetriebsvereinbarung vor – Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen inklusive. Und das gelte unabhängig davon, ob es zur Fusion mit dem US-Konkurrenten Praxair kommt oder nicht, wird später klargestellt. Wo nach Plänen des schwächelnden Münchner Technologieriesen die Lichter ausgehen sollten, hatte sich das Gros der rund 480 Beschäftigten gedrängt. Viele hätten stehen müssen, weil die Stühle in der rappelvollen Kantine nicht gereicht hätten, heißt es. Dabei waren Gäste und Medien nicht mal zugelassen, die Veranstaltung trotz des riesigen öffentlichen Interesses intern. Es ging um nicht weniger als die Zukunft der Engineering-Adresse und ihrer hochqualifizierten Ingenieure.

Die Sachsen gehören zu den weltweit führenden Adressen bei Planung, Lieferung und Bau von Petrochemie-, Luftzerlegungs-, Gas-, CO2 - und Energieanlagen. Auf ihrer Referenzliste stehen große Projekte in Nahost und Europa, darunter Polyethylen- und Polypropylen-Anlagen und Luftverflüssigungs- und Luftzerlegungsanlagen, die seit 100 Jahren nach Russland und in die Ukraine geliefert werden. Auch bei kohlenstoffarmen und sauberen Energietechnologien und Prozessanlagen, etwa für die Lebensmittelindustrie, hat der als Linde-KCA bekannte und 2015 im Konzern aufgegangene Standort einen Namen.

Vor drei Wochen hatte die SZ von Konzernplänen berichtet, die Dresdner Adresse zu schließen. Es gebe zu wenig Aufträge, die Wettbewerbsfähigkeit stehe infrage. Dabei arbeitet die Belegschaft bei weniger Gehalt auch fünf Stunden pro Woche länger als die Kollegen im Westen.

Die Linde Group mit Sitz in München gehört zu den führenden Gase- und Engineeringunternehmen und erzielte 2015 mit 65 000 Mitarbeitern fast 18 Milliarden Euro Umsatz. Jahrelang hatte der Dax-Konzern dank Orders von Scheichs und aus Russland Rekordbilanzen vorgelegt – und der Dresdner Ableger mit dreistelligen Millionenumsätzen mehr als ein Scherflein beigetragen. Doch die Nachfrage geht zurück. Grund: die Sanktionen gegen Russland und – wenn auch abgeschwächt – gegen Iran sowie fehlende Investitionen der Petrochemie wegen niedriger Ölpreise.

Nach Bekanntwerden der Schließungspläne hatte neben Betriebsrat und den Industriegewerkschaften BCE und Metall auch die Landespolitik mobil gemacht. Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) schrieb einen Brief an den Vorstand, Wirtschaftsminister Martin Dulig und Staatssekretär Stefan Brangs (beide SPD) führten fast täglich Gespräche. Förderzusagen habe es nicht gegeben, heißt es aus dem Ministerium. Solche Hilfen gebe es nur für kleine und mittlere Unternehmen oder für Projekte in Forschung und Entwicklung. Und die habe Linde lange nicht angemeldet.

Womöglich ein Fingerzeig. „Wir haben mit der Standortgarantie bis 2021 nur etwas Luft bekommen“, sagt ein Mitarbeiter, der nicht genannt werden will. Das Grundproblem des schwachen Markts sei nicht vom Tisch. Die Dresdner werden sich was einfallen lassen und ihr Angebot überprüfen müssen – erst recht in einer Ehe mit dem größten amerikanischen Industriegase-Hersteller. Gemeinsam mit Praxair würde Linde zum Weltmarktführer aufsteigen. Welche Rolle dann noch das Engineering-Geschäft mit Dresden als Sitz der weltweiten Montageaktivitäten spielt, ist offen. Fragen der SZ zum Vorgehen dort wollte die Konzernzentrale nicht beantworten. „Kein Kommentar“, hieß es aus München.

„Sachsen braucht Linde, und Linde braucht gute Kollegen vor Ort“, hatte Minister Dulig in der Betriebsversammlung gesagt. Aber braucht Linde auf Dauer auch Dresden? Von endgültiger Entwarnung könne man nicht sprechen, so Dulig. Immerhin versicherte er die Mitarbeiter: „Wir sind an Ihrer Seite“. Am Nachmittag empfing er Jürgen Nowicki, den Chef jener Konzernsparte. Über den Inhalt des Gesprächs war Vertraulichkeit vereinbart worden.