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Lieblingsschauspieler vor der Tür

„Jeder stirbt für sich allein“ wurde in Görlitz gedreht und hat nun bei der Berlinale Weltpremiere. Beteiligte erinnern sich.

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© M. Wehnert

Von Daniela Pfeiffer

Görlitz. Wie reagiert man, wenn plötzlich jemand vom Film ins Geschäft kommt und ankündigt, dass vor der Haustür bald gedreht wird? Und wie, wenn dann noch der Mann als Regisseur angekündigt ist, der seit Jahren der absolute Lieblingsschauspieler ist? Catherina Bleyer weiß, wie das ist. Fotos von sich und dem Franzosen Vincent Perez hat sie in ihrem kleinen Laden an der Konsulstraße/Ecke Emmerichstraße, den sie Backshop-Imbiss nennt, aufgehängt.

Wie fast bei jedem Film, der in Görlitz gedreht wird, hatten bei „Jeder stirbt für sich allein“ erneut viele Komparsen die Chance, Filmluft zu schnuppern.
Wie fast bei jedem Film, der in Görlitz gedreht wird, hatten bei „Jeder stirbt für sich allein“ erneut viele Komparsen die Chance, Filmluft zu schnuppern. © nikolaischmidt.de
Direkt mittendrin war Catherina Bleyer, deren Laden in der Konsulstraße beliebter Treff der Crew war. Auch Regisseur Vincent Perez war ab und zu hier.
Direkt mittendrin war Catherina Bleyer, deren Laden in der Konsulstraße beliebter Treff der Crew war. Auch Regisseur Vincent Perez war ab und zu hier. © Pawel Sosnowski/80studio.net

In diesen Tagen, wo die Romanverfilmung von Hans Falladas „Jeder stirbt für sich allein“ bei der Berlinale Weltpremiere hat und einen Goldenen Bären gewinnen kann, schaut sie sich die Bilder wieder besonders gern an. Sie sind der beste Beweis für das, was Catherina Bleyer erzählt: Dass die gesamte Crew, vom Beleuchter bis zu den Produzenten und Schauspielern bei ihr ein- und ausgingen, bei ihr morgens einen Kaffee oder abends ein Bierchen tranken. Mehrere Wochen lang war die Emmerichstraße im vergangenen Frühjahr Drehort für den Streifen, der die tragische Geschichte des jüdischen Paares Otto und Anna Quangel erzählt, deren Sohn im Krieg fällt und das danach im Untergrund gegen das NS-Regime kämpft.

Im Haus der Quangels lebt auch das Nazi-Ehepaar Persicke. Die Filmwohnung liegt schräg gegenüber von Catherina Bleyers Backshop. Sabine Stiebler, Betreiberin der „TanzEtage“ und Stefan Schumann, Medienberater, haben beide als Kleindarsteller in dieser Wohnung gedreht. „Ich war ein Obersturmbannführer“, erzählt Schumann. Zusammen mit anderen ranghohen Nazis feiert er gerade Deutschlands Sieg über Frankreich, als im Hause die Nachricht die Runde macht, Quangels Sohn sei gefallen. Quangels und Persickes sind Nachbarn. „Oh my God, he is dead“, ist der Satz, den Stefan Schumann sagen darf. Sabine Stiebler ist in dieser Szene als getreue Gattin von August Persicke zu sehen, eine einfache Hausfrau mit Schürze, die den Männern Schnaps einschenkt. Wie kamen die beiden zu ihren Rollen? Gute Chancen hat, wer auf der Komparsenseite Filmgesichter registriert ist und ein markantes Gesicht hat. Wenn einen die Filmgesichter-Leute dann schon von früheren Drehs kennen – umso besser. Bei Stefan Schumann und Sabine Stiebler war es so. Beide hatten schon im „Grand Budapest Hotel“ mitgespielt.

Eine tolle Erfahrung, sind sie sich einig. Trotzdem ist ihnen der Dreh im vergangenen Jahr komplett anders in Erinnerung. Es gab einen persönlichen Komparsenbetreuer, beide gehörten zum Set, saßen in der Maske neben Hauptdarstellerin Emma Thompson, die Anna Quangel spielt. Brendan Gleeson, der Otto Quangel ist, wurde Sabine Stiebler persönlich vorgestellt. „Ah, Mrs. Persicke“, sagte er zu ihr. „Auch die Handlung dieses Filmes war viel klarer“, so Sabine Stiebler. „Bei Wes Andersons Film wussten wir gar nichts, nicht mal, in welche Richtung es geht. Ist es ein Krimi, eine Komödie?“

Von Emma Thompson schwärmt sie. Da waren keine Starallüren, sie habe einfach ihre Arbeit gemacht und gut. Von der britischen Oscar-Preisträgerin ist auch Catherina Bleyer heute noch hin und weg. Beinahe jeden Tag sind sie sich begegnet. „Hey Tina“, habe sie sie immer gegrüßt und ihr über den Arm gestrichen. Und von Wittig Bäckers Zwiebelbrot sei sie begeistert gewesen, das hat sie hier im Backshop gekauft. Der war übrigens nicht nur eine gute Adresse für Kaffee oder ein Brötchen, sondern ist in den Film sogar involviert. Denn für einen Drehtag wurde der Shop zum Radioladen.

An der Ausstattung all der Sets hat Matthias Wehnert großen Anteil. Er betreibt in der Salomonstraße einen Antikladen und hatte während des Drehs beinahe täglich Besuch von den Filmleuten. Oft hatten sie Fotos mit von den Szenen die sie auszustatten hatten. Mal brauchten sie alte Zeitungen, mal eine Aktentasche, mal einen Schuhputzer, mal Gläser. Egal, was es war, Wehnert hatte es da oder besorgte es. Sogar eine alte Urne. „Ich habe sogar eine eigene Internetseite für die Ausstatter erstellt.“ Dafür fotografierte er fast alles, was er so im Geschäft hatte. Damit sie in Ruhe schauen konnten, was passen könnte.

Dieser Service kam ihm dann zupasse, wenn er ans Set wollte. Denn Wehnert fotografiert gern, wenn mal wieder ein Film in der Stadt ist. Beim „Jeder stirbt für sich allein“-Dreh kam er ganz nah heran an die Stars. „Emma Thompson hat ein paar nette Worte mit mir gewechselt. Sie machte mir zwar klar, dass sie sich am Set normalerweise nicht fotografieren lässt, hat es dann aber doch getan.“

Das hat Stefan Schumann nicht geschafft. „Ich hätte so gern ein Foto gehabt“, sagt er. Aber es war nichts zu machen. Sein persönlicher Betreuer hat da gut aufgepasst. Für Catherina Bleyer war das deutlich einfacher. Fast mit jedem hat sie ein Bild machen können. Zu bewundern sind sie alle neben den anderen Filmfotos. Denn so unglaublich es der Laden-Betreiberin auch vorkam¨– keine zwei Monate später stand mit „Wolfsland“ die nächste Produktion vor der Tür. Auch von ihr schwärmt sie ohne Unterlass, hat Fotos mit Götz Schubert und Yvonne Catterfeld. An einen aber kann keiner ran: ihr Vincent Perez. Als er zum ersten Mal herein kam, flossen doch einige Tränchen. „Er hat mich so oft gedrückt.“

Wann sie sein Regiewerk auf der Kinoleinwand begutachten kann, steht noch nicht fest. Stefan Kretschmer, Leiter des Görlitzer Filmpalastes, sagt: „Sobald wir den Termin für den Deutschland-Start haben, werden wir alle Hebel in Bewegung setzen, ihn in unserem Kino zeigen zu können.“

Einen Filmausschnitt gibt‘s hier.