Merken

Liebes Theater Bautzen: Wir müssen reden

In „Ein Mann sieht rosa“ gibt sich ein Buchhalter als schwul aus, um den Job zu behalten – aber in was für einer Firma ...

Teilen
Folgen
NEU!
© Theater/Miroslaw Nowotny

Von Marcel Pochanke

Bautzen. In den 90er-Jahren war es auf Oberlausitzer Schulhöfen unter Elf- bis 13-Jährigen durchaus Usus, spielerisch mit schwulenfeindlichen Sprüchen übereinander herzuziehen. Und sicher sind Ort und Zeit austauschbar. Irgendwo an der Schnittstelle von Ablehnung und Freundschaft passierte das, es wurde weitgehend geduldet und wuchs sich mit dem Erwachsenwerden aus. Sollte man meinen. Diese Sprache aber

ersteht in Bautzen auf der „Großen Bühne“ wieder auf. Dort hatte die Komödie „Ein Mann sieht rosa“ am Freitag Premiere. Das Stück nimmt Klischees auf die Schippe, wie es Komödien tun und tun sollen. Vor allem aber trifft es die „Political Correctness“. Man halte davon wenig, verkünden die Mitarbeiter des Kondomproduzenten, in dessen Büros die Handlung meist stattfindet, gleich zu Beginn lauthals. Gut gebrüllt.

Am deutsch-sorbischen Volkstheater hatten die zwei Lustspiele „Dinner für Spinner“ und „Die Nervensäge“ in den vergangenen Spielzeiten großen Erfolg. Im Mittelpunkt steht der mausgraue, unbedarfte François Pignon, dem Jan Mickan eine große Glaubwürdigkeit verleiht und dessen Rolle durchaus Kultcharakter erreicht. In „Ein Mann sieht rosa“ soll er nun gekündigt werden, was seinen neuen Nachbarn auf die Idee bringt, er solle sich als schwul ausgeben, dann werde sich das schon wieder einrenken.

Innerer Wandel

Grundlage ist der gleichnamige Film aus der Feder des französischen Genrespezialisten Francis Veber. „Jetzt dürfen die letzten Homophoben für ihre Beschränktheit büßen“, schrieb ein Kollege vor 16 Jahren über den Streifen. In der fluffigen Leinwanderzählung geht es um den inneren Wandel, das Wiederfinden von Stärke, das Eingestehen von Schwäche. Schwul oder nicht schwul ist auch eine, aber nicht die entscheidende Frage. Wie im richtigen Leben. Die zwei echten Schwulenhasser werden als rückständige Idioten gezeigt und fallen schließlich aus der Gemeinschaft.

Nun aber Bautzen: Hier wird eine Gemeinschaft nahe gelegt, die sich in ihrem Nicht-Schwulsein demonstrativ einig ist: „Was ist denn das!? Was macht er denn da?! Wo kommt diese Schweinerei her?!“ „Schwuchtel“ und „Tunte“ werden unaufhörlich und ironiefrei in den Saal gerufen, und verhallen – anders als in der filmischen Vorlage – meist unwidersprochen.

Süßlicher, einsamer Kauz

Bezeichnend, dass der einzige echte Homosexuelle in der Theaterfassung der Exot bleibt. Rainer Gruß bemüht sich, der Figur des Jean Pierre Belone, des Nachbarn von Pignon, Tiefe zu verleihen. Heraus kommt ein süßlicher, einsamer Kauz, der sich die „kleine Komödie“ ausdenkt: Einen schwulen Mitarbeiter kann der Kondomproduzent nicht entlassen, was würde das für einen Aufschrei bei Medien und in der Szene geben. So wird Pignon zum „Betriebshomo“ – das Wort verwendet das Deutsch-Sorbische Volkstheater Bautzen tatsächlich. Das Wort diente, das sei zur Entlastung der Bautzener gesagt, auch der deutschen Fassung des Films zu Werbezwecken. Das macht es jedoch nicht besser. Freilich, wo kämen wir hin, wenn eine Komödie nicht frivol sein kann, wenn Dinge nicht augenzwinkernd überspitzt werden und die Sprache dabei ins Derbe geht. Der Inhalt von „Ein Mann sieht rosa“ ist aber heikel – es geht um Diskriminierung. Und unseren Umgang damit.

Belone, der homosexuelle Nachbar, ersinnt seinen Plan auch, um sich zu rächen. Er selbst war einst wegen seines Schwulseins gekündigt worden. Heute würde man Pignon deswegen gerade nicht kündigen, frohlockt er. Das liegt jedoch an der Außenwelt – den Medien und der schwulen Szene. In dem Unternehmen, wie es die Bautzener Schauspieler zeigen, hätte er weiterhin keine Chance. Das wird entschieden zu wenig hinterfragt. Das zu verstehen, hilft ein Gedankenexperiment: Würde ein Zuschauer nach dem Besuch der Komödie mit leichterem Herzen offen in und um Bautzen offen aussprechen, dass er schwul ist? Wohl kaum. Eher muss er annehmen, dass es normal ist, wenn im Büro über das Schwulsein des Kollegen geprustet wird.

Um die Rollen nicht zu beneiden

Dabei hat die Inszenierung durchaus starke Momente. Der Dialog von Pignon und Santini, dem anfangs machohaften Schwulenhasser, auf einem Bänkchen vor Blumen gelingt Jan Mickan und Marian Bulang wundervoll. Die Schauspieler sind indes insgesamt um ihre Rollen nicht zu beneiden. Die des Betriebsdirektors Kopel (Olaf Hais) ist besonders undankbar. In ein scheußliches rot-weiß-gestreiftes Kostüm gezwängt, kann Kopel vor Klischees kaum laufen. Und Regisseur Peter Kube unternimmt erkennbar nicht erst den Versuch, die Figur des Managers, der schmierig alles für den Erfolg und für eine Affäre mit der Chefbuchhalterin tut, mit Facetten auszustatten. Santini bekommt von Marian Bulang eine sympathische Unbeholfenheit verliehen, ist aber dazu verdammt, ein Idiot zu bleiben. Natürlich, auch darüber darf gelacht werden. Auch über die Kostüme von Jens Büttner. Jeder Akteur steckt in einem Anzug, der seine Rolle noch einmal karikiert. Das ist wie Steak au four: Fleisch mit Fleisch überbacken, nur bitte nicht zu blass. Das alles jagt sich in schneller Folge. „Ein Mann sieht rosa“ hält sich nicht bei einem Bild auf, schon folgt die Konsequenz mit einer Drehung der Bühne. Hier ist Peter Kube in seinem Element, die Pointen weiß er zu setzen. Die Inszenierung ist als spaßiger Abend kein Fehlschlag – wenn man über eine bestimmte Art von Witz lachen kann.

Das führt uns zurück zum Anfang. Man muss es sagen: Das Stück, wie es in Bautzen gezeigt wird, ist im Kern selbst homophob. Nun sollen sich die Bautzener selbst ein Bild machen und gerne herzlich streiten. Freuen wir uns auf die Diskussion. Wenn sich diese anschließt, dann wäre „Ein Mann sieht rosa“ ein gutes Stück.

„Ein Mann sieht rosa“ am Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen, wieder Mittwoch, 15 Uhr und Freitag, 19.30 Uhr. Karten: Telefon 03591 584225