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Liebe im zweiten Anlauf

Kurt Günther hatte erst keinen Bock auf Landwirtschaft. Und gründete trotzdem das Bauernmuseum in Rothenburg.

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© André Schulze

Von Frank-Uwe Michel

Rothenburg. Noch ehe der Besucher das Bauernmuseum betritt, kommt er an einem Gehege mit Zwergziegen, Kamerunschafen und Hühnern vorbei. In einer Voliere singen Wellensittiche und andere Exoten ihr stimmgewaltiges Lied. „Auch wenn die bunte Vogelschar vielleicht nicht unmittelbar dazugehört – wir wollen den Leuten zeigen, wie Landleben aussieht“, sagt Kurt Günther. Und mit festen Schritten tritt der 85-Jährige ein in sein Reich, das zur Eröffnung am 1. Mai immerhin schon den 20. Geburtstag erlebt. Hier hat der gebürtige Erzgebirger all das zusammengetragen, was seit 1958 sein Berufsleben bestimmte. Es sind Geräte aus und Geschichten rund um die Landwirtschaft. Gleich links vom Eingang ist eine kleine Küche aufgebaut, mit Henkeltöpfen aus Emaille, Töpfen und Arbeitssachen. Auf dem Tisch liegen Zeitungen aus längst vergangenen Zeiten. Ein paar Meter davon entfernt steht einiges von dem, was Bauernfamilien früher in ihrer Wohnung hatten: Holzwasch- und Wringmaschine, Wäscherolle, Stampfbutterfass. Auch ein Waschbrett mit Kernseife aus der Vorkriegszeit findet sich. Die restliche Fläche in der ehemaligen Scheune belegen Gerätschaften wie Sämaschine, eine zum Entrahmen von Frischmilch vorgesehene Zentrifuge oder ein Dreschflegel für Getreide. „Mit dem musste man mindestens 30 Schläge in der Minute machen, sonst hat das überhaupt nichts gebracht“, erzählt der Senior, der all das noch selbst erlebt hat und jedes Ausstellungsstück auch bedienen kann.

Kurt Günther ist im Wilhelmshof das Urgestein, hat hier geistig Behinderte betreut, Landwirtschaft betrieben und das Bauernmuseum aufgebaut. Zu Hause in Aue betrieben seine Eltern ein Fuhrunternehmen, besaßen auch ein Feld und ein paar Tiere. „Ich hatte damit eigentlich nichts am Hut, habe deshalb Bäcker gelernt und wollte mich selbstständig machen“, erinnert er sich. Trotzdem ließ er sich noch zum Diakon ausbilden – und landete in Rothenburg. „Hier schickte man mich in den Wilhelmshof. Und ich machte das, was ich eigentlich überhaupt nicht wollte: Landwirtschaft.“

Doch aus dem zwiespältigen Verhältnis wurde mit der Zeit Liebe. 1970 übernahm Kurt Günther das dem Martinshof gehörende Gehöft und kümmerte sich mit seiner Frau Elfriede um teilweise bis zu 40 behinderte Menschen, bestellte mit ihnen 30 Hektar Ackerland, betreute die Kühe im Stall und sorgte dafür, dass der Hof florierte. 1997 hatte er das Rentenalter erreicht, und auch die Landwirtschaft auf dem Wilhelmshof wurde eingestellt. „1998 stand die 100-Jahr-Feier des Martinshofes vor der Tür und man fragte mich, ob ich aus dem großen Sammelsurium von Landwirtschaftsgeräten nicht ein Bauernmuseum machen könnte.“ Alles wegzuwerfen, sei viel zu schade gewesen, deshalb sagte er kurzentschlossen zu.

Entstanden ist daraus ein kleines Schmuckstück, „in dem wir unseren Nachfahren vermitteln wollen, dass das
Brot nicht einfach aus dem Regal kommt, sondern in der Herstellung viel Arbeit macht.“ Zu sehen sind Geräte und Hilfsmittel überwiegend aus den Jahren 1900 bis 1950. „Ich kann den Besuchern fast zu jedem Teil den historischen Hintergrund erzählen. Sie sollen erfahren, was früher auf den Feldern passierte“, freut sich Günther über jeden Gast, dem er sein Wissen vermitteln kann.

Zum Frühlingsfest am 1. Mai wird das Bauernmuseum nach der Winterpause wiedereröffnet. Auf einen Schlag ist der historische Bauernhof dann voll. Aber auch übers Jahr kommen immer wieder neue Interessenten. „Vor allem Gruppen melden sich regelmäßig an.“ Ans Aufhören denkt der rüstige Rentner indes nicht. „Ich bin jeden Tag hier. Wenn das nicht mehr ginge, würde mir echt etwas fehlen.“

Das Frühlingsfest auf dem Wilhelmshof, In den Feldern 5, in Rothenburg beginnt am 1. Mai um 13.30 Uhr mit einem Gottesdienst. Danach gibt es ein umfangreiches Programm mit Leckereien, Kremserfahrten, Hüpfburg und der Musik der Mährischen Vagabunden.

Das Bauernmuseum im Wilhelmshof ist von Mai bis Oktober immer dienstags und sonnabends von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Führungen werden nach Vereinbarung unter Tel. 035891 77910 oder 035891 77884 durchgeführt.