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Lieb und teuer

360 Millionen Euro haben Bund und Land investiert, damit aus der Grube ein See wird. Fertig ist das Wunder noch nicht.

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© LMBV/Peter Radke

Von Anja Beutler

Große Brocken, kleinerer Splitt – und alles in Unmengen. Bis zum Herbst wird der Bergbausanierer LMBV das Ufer unterhalb von Deutsch Ossig mit Steinen aufschütten. Über 300 Meter wird dann dieser See-Abschnitt hoffentlich vor Eisgang und Wellenschlag sicher sein. Zumindest erwarten die LMBV-Experten, dass die insgesamt 48 000 Tonnen Steine, die mit Lastern und speziellen Lastkähnen übers Wasser angefahren werden, dann mehr Sicherheit bieten als bislang.

Flutung: Die Luftaufnahme zeigt den See im Juli 2007. Noch fehlen einige Kubikmeter bis zum Endwasserstand. In jenem Jahr wurde auch das Hafenbecken fertig gebaut, aber noch nicht fertig geflutet. Foto: Radke/LMBV
Flutung: Die Luftaufnahme zeigt den See im Juli 2007. Noch fehlen einige Kubikmeter bis zum Endwasserstand. In jenem Jahr wurde auch das Hafenbecken fertig gebaut, aber noch nicht fertig geflutet. Foto: Radke/LMBV
Aufbau: 1994 begannen die Sanierungsarbeiten im Kohlegebiet. Hier ein Blick in Richtung Tagesanlagen. Vor allem anfangs mussten Erdmassen bewegt werden: Von 1992 bis 2013 waren es 172 Millionen Kubikmeter. Foto: epd
Aufbau: 1994 begannen die Sanierungsarbeiten im Kohlegebiet. Hier ein Blick in Richtung Tagesanlagen. Vor allem anfangs mussten Erdmassen bewegt werden: Von 1992 bis 2013 waren es 172 Millionen Kubikmeter. Foto: epd
Gefüllt: Seit dem 6.Februar 2013 ist der See voll. Tauchritz und Hagenwerder (vorn) und die Landeskrone trennt jetzt ein kleiner blauer Bergsee, deren Ufer zwar teilweise flach wirken, aber schnell steil abfallen. Foto: LMBV/Radke
Gefüllt: Seit dem 6.Februar 2013 ist der See voll. Tauchritz und Hagenwerder (vorn) und die Landeskrone trennt jetzt ein kleiner blauer Bergsee, deren Ufer zwar teilweise flach wirken, aber schnell steil abfallen. Foto: LMBV/Radke
Abbau: Dieser Blick in den Braunkohletagebau bei Deutsch Ossig in Richtung Landeskrone ist im Jahr 1989 entstanden. Noch bis 1997 ist in der Berzdorfer Grube Kohle abgebaut worden – mehr als 170 Jahre lang.Foto: Trenkler
Abbau: Dieser Blick in den Braunkohletagebau bei Deutsch Ossig in Richtung Landeskrone ist im Jahr 1989 entstanden. Noch bis 1997 ist in der Berzdorfer Grube Kohle abgebaut worden – mehr als 170 Jahre lang.Foto: Trenkler

Zu tun – und zu bauen – gibt es also noch vieles am Berzdorfer See. Und dabei sind nicht einmal die Badestrände, Hotels oder Ferienanlagen gemeint: Es geht noch immer darum, aus der einstigen Grube, dem tiefen Loch in der Erde, einen echten See zu machen. Denn rein rechtlich betrachtet, steht der Berzdorfer See noch unter Bergrecht. Das letzte Wort hat deshalb bei vielen Entscheidungen eine Behörde des Freistaates, die ihren Sitz in Freiberg hat: das Oberbergamt. Seine Mitarbeiter haben auch den Überblick darüber, was am See noch zu tun ist und welche Hürden noch zu nehmen sind:

Zeit: Behörden vermeiden Angaben, wann der See fertig sein wird.

Auf dieses Glatteis mag sich derzeit keiner wagen: Angaben, wann der Wandel vom Tagebaurestloch zu einem fertigen See beendet sein wird, machen weder Oberbergamt noch LMBV. „Eine Schätzung gibt es“, sagt LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber vorsichtig. Aber da all das, was noch offen ist, von vielen Faktoren abhängig sei, wäre es einfach nicht seriös, hier Hoffnungen zu machen. Auch der Abteilungsleiter für Tagebaue beim Oberbergamt, Christof Voigt, sieht das so. Er betont zudem: „Es gibt in Sachsen keinen Braunkohlesee, an dem die Arbeiten schon beendet sind“. Am Bärwalder See ist immerhin ein Ende in Sicht: Bis etwa Ende 2016 werden die Arbeiten nach aktuellen Schätzungen hier noch dauern. Am Berzdorfer See hingegen werden noch Jahre vergehen. „Dazu muss man auch wissen, dass uns das Hochwasser 2010 hier enorm zurückgeworfen hat“, sagt Voigt.

Aufgaben: Vor allem am Westufer

gibt es noch vieles zu tun.

An der sogenannten Rutschung P, wo sich die Natur ausbreiten kann, muss die LMBV noch an den Böschungen und vor allem an deren Entwässerung arbeiten. Denn nicht nur das Wasser, das bei Regenfällen von hier oben in den See läuft, muss gelenkt werden, auch kleinere Flussläufe sollen so in den See eingebunden werden, dass es auch im Hochwasserfall keine Probleme gibt. Das klingt leichter gesagt als getan: „Eine große Herausforderung stellen die teilweise großen Gefälle dar“, sagt LMBV-Sprecher Steinhuber. Zumal die Gefällestrecken großteils auf gekipptem Boden liegen. Wann hier Arbeiten starten, kann Steinhuber aktuell nicht genauer sagen.

Kosten: Der Berzdorfer See kostet Hunderte Millionen Euro

360 Millionen Euro ist die derzeitige finanzielle Wasserstandmarke am Berzdorfer See. So viel Geld ist nach Angaben von Christof Voigt vom Oberbergamt bis zum Jahr 2014 in die Arbeiten geflossen. Die Mittel kamen zu drei Vierteln vom Bund, den Rest steuerte das Land bei. So ist es im Verwaltungsabkommen für Braunkohlesanierung festgelegt, erklärt Voigt. Dass es Geld kostet, wenn man aus einer Mondkraterlandschaft ein reizvolles Ferienidyll machen will, liegt auf der Hand. Da aber die Berzdorfer Grube als Beckenlagerstätte vor allem durch ihre Tiefe einige Besonderheiten aufweist, zählt der See, laut Oberbergamt, zu den kostenintensiveren Bergbauseen: „Hier war bei der Sanierung einfach mehr Aufwand nötig“, bestätigt Steinhuber von der LMBV. So mussten zunächst Millionen Kubikmeter Erde in die Grube hineingeschaufelt, manches modelliert werden. Das Restloch einfach zu fluten, wäre zu riskant gewesen: Die steilen Hänge und die hohen Kippen hätten nicht standgehalten. Dass der Berzdorfer See nun besonders teuer sei, sieht LMBV-Sprecher Steinhuber nicht so. „Sie müssen auch mal sehen, dass die Grube sehr erfolgreich über zwei Generationen gute Kohle geliefert hat und für viele Menschen Arbeit und Wärme sicherte.“ Nun sei es eben eine Generationenaufgabe, eine neue Landschaft zu bauen. Wie viel die See-Sanierung am Ende wirklich kosten wird, ist noch nicht absehbar.

Gefahren: Erdrutsche drohen nicht – mit Unerwartetem ist zu rechnen.

Unglücke wie der Erdrutsch am Concordia-See in Nachterstedt sind nicht zu erwarten, beschwichtigt der Tagebau-Experte des Oberbergamtes, Voigt. Das liege am Boden, der hier aus einem Ton-Sand-Gemisch besteht. Auch die Rutschung am Markersdorfer Ufer sei keine Gefahr: „Es handelt sich um eine Kriechrutschung, die sich pro Jahr nur wenige Zentimeter bewegt.“ Beobachten müsse man solche Dinge trotzdem. Ebenso wie die Folgen von Strömungen, die unter der See-Oberfläche entstehen. Im Frühjahr und Sommer bilden sich nämlich unterschiedlich warme Wasserschichten, die Strömungen im See erzeugen. Sie können unter der Wasseroberfläche an den steilen Unterwasserböschungen Schaden anrichten. Und auch die aktuellen Reparaturen an der Deutsch Ossiger Seite sind eine unerwartete Aufgabe: „Vor einigen Jahren, als die Flutung noch nicht beendet war, hatten wir hier starken Eisgang, der einiges im Untergrund zerstört hat“, sagt LMBV-Sprecher Uwe Steinhuber. Solche Dinge zeigen sich aber mitunter erst nach Jahren. „Deshalb haben wir als LMBV auch eine 25-jährige Nachsorgepflicht“, betont er. Aus eben solchen Sicherheitsgründen ist es auch nicht das oberste Ziel des Freistaates, den See schnell aus dem Bergrecht zu entlassen. Dann könne man auf Gefahren nämlich nicht mehr so gut reagieren.

Investoren: Bergrecht hindert Projekte nicht – Kooperation ist gefragt.

Dass für den See mit dem Bergrecht nun ein besonderer rechtlicher Rahmen gilt, sei für die Pläne der vielen Investoren kein Problem: „Das Bergrecht bündelt komplizierte Vorgänge“, erklärt Christof Voigt vom Oberbergamt. Es verzögere demnach auch nichts, sondern könne manches sogar beschleunigen. „Der Knackpunkt aktuell beim Bergrecht am See ist die Gefahrenabwehr“, sagt Voigt. Es werde alles daran gesetzt, um Risiken, die aus den Folgen des Kohleabbaus entstehen, zu beseitigen. Und dafür standen eben auch immense Gelder zur Verfügung. Ohne Bergrecht wäre der See noch längst nicht so weit. Den Investoren und Gemeinden rät der Experte aus Freiberg, mit der LMBV zu kooperieren und nach Kompromissen zu suchen, keinesfalls aber in dieser Situation ein Hemmnis zu sehen. Das habe vielfach gut funktioniert – bei vielen Tagebauseen bei der Frage der Schiffbarkeit zum Beispiel, betont Voigt. Auch der Vergnügungspark Belantis bei Leipzig ist trotz Bergrecht entstanden.

Morgen lesen Sie:: Wer am See etwas zu sagen hat.