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Lichtpunkte in Löbau gesetzt

Anwohner und Helfer gestalten ein offenes Fest auf der Blumenstraße. In die Hinterhofgärten und das ehemalige Mütterheim zieht Leben ein.

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© Matthias Weber

Von Constanze Junghanß

Der Arm ist ab. Da hilft nur noch eine „Notoperation“. Szilvia Schiffel greift zu Kleber und Pinzette. Frau Puppendoktor repariert gemeinsam mit Tochter Henriett Günther-Desztics die Patienten im ehemaligen Mütterheim in der Blumenstraße Nummer 1. Gebannt schauen Kinder den fingerfertigen Bautzenerinnen bei ihrer Arbeit über die Schulter. „Wir sind ganz herzlich von den Organisatoren des Straßenfestes eingeladen worden“, sagt Frau Schiffel.

Unter dem Motto „Die Blumenstraße lebt“ öffneten Anwohner am Sonnabend ihre Hinterhofgärten, schmückten Fenster und Hauseingänge, organisierten Stände zum Stöbern. Mit dabei Familie Urban. „Wir wohnen hier und wollen uns natürlich einbringen“, sagt Frau Urban.

Einen großen Büchertisch haben sie aufgebaut. Die Kinder Hannah und Philipp verteilen Gummibärchen sowie Straßenkreide. So scheint auf dem Asphalt die Sonne in mehrfacher Ausfertigung. Drumherum wachsen Kreideblumen. Luftballons und Wimpel bringen Farbe ins Spiel.

Die Straße selbst wirkt auf den ersten Blick unscheinbar. Am Straßenanfang – vom Wettiner Platz aus gesehen – gähnen leere Fenster der Hausnummern 13 und 15. „In den anderen Mietshäusern gibt es jedoch keinen Leerstand“, erzählt Christof Falk. Die Wohnlage sei wunderschön. Das entdecken die Festbesucher dann auch auf den zweiten Blick. In den Gärten blüht und grünt es jahreszeitlich mit Ausblick hin zum Löbauer Berg. Kaffee und Kuchen werden in den Hinterhöfen kredenzt, Schach gespielt, Kinder probieren sich beim Büchsenwerfen aus und ergattern freudig die von den Anwohnern bereitgestellten Preise. Maik Rotter zapft vom Kellerfenster aus tschechisches Bier. Löbau und Umgebung hätten jede Menge Potenzial, erzählt er den Gästen. Nicht nur die Region sei wunderbar, sondern auch solche Initiativen des Miteinanders, die es mittlerweile immer mehr in der Stadt gebe. „Sich einfach nur zurücklegen und auf den Fernseher starren, bringt niemanden voran“, sagt er.

Das sieht Familie Otto ebenso. Das Ehepaar schlendert von der Marschner- auf die Blumenstraße, um zu schauen, was die Anwohner auf die Beine stellen. „Denn auch bei uns gab es in diesem Jahr ein kleines Straßenfest und später noch ein Gartenfest.“ Von einem Fest auf der Schulstraße, bei dem sogar eine Opernsängerin trällerte, erzählen sie. Solche Dinge sollten unbedingt weiter wachsen in Löbau. „Das ist jedenfalls alles ganz toll für unsere Stadt und das Miteinander der Leute“, sagen Ottos und biegen in den Garten mit dem Hinweisschild „Zum alten Fliederbaum“ ein. Eine kleine Treppe führt hier zwischen Efeuranken entlang. Im Garten der Hausnummer 11 entstand auch die Idee des Straßenfestes. Bereits bei der Landesgartenschau und zum Erntedankfest wurde das charmante Gärtchen eingebunden. Und das kam an.

Warum also nicht einmal den komplette rund 200 Meter langen Straßenabschnitt vielen Menschen näher bringen? Auf ihm sind zudem historische Schätze zu entdecken: Das König-Albert-Bad – eine sehr zum Bedauern der Anwohner geschlossene ehemalige Gaststätte – oder eben das frühere Mütterheim. Das öffnete nach vielen Jahren extra zum Straßenfest seine Pforten. „Eigentümer sind Brüder aus Österreich, die uns das ermöglichten“, sagt Christof Falk.

Das villenartige Gebäude beherbergt am Sonnabend jede Menge Leben. 15 Bilder von regionalen Kunstschaffenden sind ausgestellt, dazu 120 Fotografien von Herrn Falk. Die Bilder sollten eigentlich versteigert und der Erlös zur Hälfte der Villa Schminke und zur anderen Hälfte für neue soziale Projekte gespendet werden.

Da das Interesse an der Versteigerung allerdings nicht so groß war, wie erhofft, findet diese zu einem späteren Zeitpunkt über das Internet statt. René Seidel, der sich dafür den Hut mit Initiatoren von der Initiative „Löbau lebt“ aufsetzt, freut sich, dass trotzdem drei der Werke für insgesamt 230 Euro verkauft wurden.

Im Mütterheim teilen der 14-jährige Ahmad und seine kleine Schwester Ruaa Gebäck aus. Die Kinder aus dem Libanon erzählen, dass ihre Mutter einige der Kekse gebacken hat. Auch sie sind eingeladen worden, mit dabei zu sein, ebenso wie Frau Puppendoktor. Dazu gibt es selbst Genähtes und Dinge aus Großmutters Zeiten zu kaufen. Die Anwohner haben eine kleine Chronik des Hauses erstellt, in der geblättert werden kann. Orangefarbene Abreißzettel hängen an Fäden mit der Bitte, Informationen zur Blumenstraße 1, Erinnerungen und Nutzungsideen zusammenzutragen und diese an die Initiative weiter zu geben. Einige Zettel davon verschwinden in den Handtaschen der Besucher. Am Abend schweben dann Gitarrenklänge und handgemachte Musik über das Viertel. „Ich denke, solche Lichtpunkte wie dieses Straßenfest sind notwendig, damit die Löbauer merken, man kann etwas bewegen“, schätzt Anwohnerin Martina Preussger ein.