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Liberecer Häuser teurer als Zittauer

Die Partnerstädte haben die Wohnsituation analysiert – und mit Fachleuten Schlüsse daraus gezogen.

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© Petra Laurin

Von Petra Laurin

Zittau/Liberec. Stanislava Mimrová und Oliver Eiselt reichen sich ihre Hände. Die Mitarbeiterin des Liberecer (Reichenberger) Rathauses und der Mitarbeiter der Zittauer Stadtverwaltung sind zwei der Menschen, die sich in den letzten Monaten um eine intensivere Zusammenarbeit der beiden Partnerstädte bemüht haben. So hat Eiselt beispielsweise in Liberec hospitiert. Auch waren schon Liberecer in der Zittauer Verwaltung arbeiten.

Dabei gewinnen die Tschechen auch so manchen Architektenpreis wie für diese neuen Wohnungen in der Liberecer Innenstadt.
Dabei gewinnen die Tschechen auch so manchen Architektenpreis wie für diese neuen Wohnungen in der Liberecer Innenstadt. © Petra Laurin

Im Rahmen des von der EU unterstützen Projekts „Agglomeration Zittau/Liberec“ – frei übersetzt „Ballungsraum Zittau/Liberec“ – das am Ende zeigen soll, ob es so einen Raum gibt und wie darin zusammengearbeitet werden kann, passiert aber noch viel mehr. Unter anderem werden sich die Städte verstärkt über Bildung, Tourismus, Umwelt und Mobilität austauschen.

Vor wenigen Tagen stand laut Ondrej Havlícek von der Euroregion Neiße als erstes das Thema Wohnen auf der Tagesordnung. Vertreter der beiden Partnerstädte und von Gemeinden aus der Region sowie Fachleute aus den zwei Ländern haben sich in einem der schönsten Säale in Liberec, dem ehemaligen Kaffeehaus „Post“, über die Nutzung des Wohnungsbestands in privater sowie öffentlicher Hand dies- und jenseits der Grenze ausgetauscht. Dabei wurde erneut deutlich, wie unterschiedlich die Lage ist. In Liberec gibt es derzeit 43000 Wohnungen – die bei Weitem nicht ausreichen. Knapp ein Drittel gehören der sechstgrößten Stadt Tschechiens selber. „In einer Großstadt und gleichzeitig in der Natur leben. Das sind die Gründe, warum die Anzahl der Liberecer ständig steigt“, sagte Jaroslav Nýdrle von der Stadtverwaltung Liberec. Mangel herrsche vor allem an Wohnungen für Senioren und junge Menschen.

In Zittau sieht die Situation ganz anders aus. Rund 4000 Wohnungen stehen derzeit leer, hieß es während des Workshops in Liberec. Die Hauptgründe für diesen Zustand sind die nach der Wende in Ostdeutschland verlorengegangenen Arbeitsplätze. Dadurch zogen viele Menschen weg. In Liberec hingegen gibt es genug Jobs. Bei der Diskussion stellte sich heraus, dass es im Kreis Liberec einen Vermieter- und im Kreis Görlitz ein Mietermarkt gibt: In Deutschland geht es wegen dem Überangebot den Mietern vergleichsweise gut, in Tschechien den Hausbesitzern wegen des Wohnungsmangels. Zudem leben in jeder Wohnung im Kreis Liberec meistens zwei bis drei Menschen. So ist es auch in der Grenzstadt Hradek (Grottau), die über 2835 Wohnungen hat, deren Zahl ebenfalls nicht ausreicht. In 62 Prozent der Zittauer Haushalten lebt dagegen nur eine Person.

Deswegen werden die Immobilien-Experten in Zukunft das Überangebot in der Zittauer Region und den Mangel im Kreis Liberec nutzen und den Tschechen viel häufiger Mietwohnungen in Deutschland anbieten. Das war eines der konkreten Resultate des Workshops. „Die Kosten für das Mietwohnen sind vergleichbar“, sagte Immobilienexperte Petr Placek. Bisher wären die Tschechen vor allem wegen der Sprachbarriere davor zurückgeschreckt, sagte Hradeks Vitebürgermister Pavel Farský. „Weitere glauben wieder, dass Deutschland ein reiches und damit teures Land ist und schließen deswegen einen Umzug aus.“

Ähnliches gilt für den Immobilienmarkt. „Die Tschechen besitzen gerne Immobilien, sie betrachten es als eine gute Investition“, erklärt der Immobilienfachmann. Vor allem interessieren sie sich für Mehrfamilienhäuser als Renditeobjekte. Sie gehen davon aus, dass sich die Investition in zehn Jahren auszahle, sagte Robert Pikl von der Liberecer Zweigstelle der Volksbank Löbau-Zittau, die schon seit 13 Jahren in Liberec und Prag tätig ist. Zumal die Preise von Mehrfamilienhäusern im deutschen Teil der Euroregion günstiger als im tschechischen sind. Pikl machte das an einem Beispiel deutlich: Ein Mehrfamilienhaus, das in Zittau 50000 Euro kostet, ist in Liberec viermal so viel wert.

Tatsächlich sind in den letzten Jahren schon zunehmend Tschechen auf dem deutschen Immobilien- und Mietermarkt aktiv, auch wenn es sich dabei noch um eine Minderheit handelt. Birgit Kaiser, Chefin der Zittauer Stadtentwicklungsgesellschaft, berichtete für das Jahr 2017 von etwa 20 Anfragen aus dem Nachbarland. Rund die Hälfte mündete in einen Mietvertrag. Insgesamt wohnten 2017 etwa 150 Tschechen in Zittau. (mit SZ/tm)