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Libanesischer Familienclan im Fokus

Es begann mit einem Einbruch in eine Berliner Sparkasse. Ermittler folgten der Spur des Geldes, checkten Grundbücher und Konten – und wurden fündig.

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© dpa/W. Kumm

Von Jutta Schütz und Andreas Rabenstein, Berlin

Der Mann aus einer arabischstämmigen Großfamilie in Berlin lebte von Hartz IV und Kindergeld. Dennoch kaufte er Eigentumswohnungen und Grundstücke – kurz nach dem spektakulären Einbruch in eine Sparkasse in Berlin-Mariendorf im Jahr 2014, bei dem mehr als 100 Schließfächer aufgebrochen und die Räume danach gesprengt wurden. Die Beute von mehr als neun Millionen Euro tauchte bis heute nicht auf. Einer der Täter, ein Bruder des Wohnungskäufers, wurde wegen des Einbruchs zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Wurde das Geld aus dem Bankeinbruch für den Immobilienkauf verwendet und so in den legalen Wirtschaftskreislauf gebracht? Diese Frage trieb die Polizei um und führte zu einem der größten Verfahren zu Geldwäsche und organisierter Kriminalität. Am Donnerstag präsentierte die Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt stolz erste Ergebnisse: 77 Wohnungen, Häuser und Grundstücke in Berlin und dem Umland mit einem Gesamtwert von 9,3 Millionen Euro wurden vergangenen Freitag vorläufig beschlagnahmt. Darunter soll auch eine gepachtete Kleingartenkolonie sein. 12 Objekte wurden durchsucht, umfangreiches Beweismaterial sichergestellt.

16 Menschen, die zu einer seit Jahren in Berlin lebenden arabischen Großfamilie und deren Umfeld gehören, werden der Geldwäsche beschuldigt. Von einem groß angelegten „Puzzle“ und einer „Heidenarbeit“ sprach dann auch Staatsanwalt Bernhard Mix. Unzählige Konten und Grundbücher seien gecheckt worden. „Es gab passende Bareinzahlungen aus dem Ausland und entsprechende Überweisungen“, sagte der Staatsanwalt auf die Frage nach Strohmännern. Er rechnete auch damit, dass sich Beschuldigte absetzen könnten, da sie nicht in Untersuchungshaft sind. „Darauf sind wir vorbereitet.“

Die Ermittler gehen davon aus, dass auch der spektakuläre Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum mit einem reinen Goldwert von 3,7 Millionen Euro im März 2017 im Zusammenhang mit dem Clan steht. Verdächtige würden derselben Großfamilie zugerechnet, so Mix. Die Goldmünze bleibt jedoch verschwunden. Die Polizei vermutet, dass sie zerlegt wurde. Im Juni 2017 waren Haftbefehle gegen vier Verdächtige erlassen worden, inzwischen sind zwei Männer wieder auf freiem Fuß.

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) beobachtet bei der organisierten Kriminalität eine Zunahme von Wirtschaftsdelikten. Die Täter versuchten, ihre kriminellen Geschäfte in legale zu überführen. In bestimmten Berliner Bezirken haben Gangs, oft arabischen Ursprungs, Straßen unter sich aufgeteilt. Zwischen 12 und 20 teils kriminelle Großfamilien soll es in Berlin geben, ein Teil davon ist in Neukölln zu Hause. Das Problem ist aber nicht auf Berlin beschränkt. Auch im Ruhrgebiet, in Niedersachsen und in Bremen sind die oft weit verzweigten Clans aktiv.

Viele Mitglieder dieser Großfamilien – auch mit palästinensischer oder libanesischer Herkunft – durften in Deutschland nicht arbeiten, weil sie offiziell staatenlos waren und ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt war. Kriminalität wurde zur Haupteinnahmequelle mancher Clans. Laut Berliner Polizei richteten sich im vergangenen Jahr 14 der 68 größeren Ermittlungsverfahren zur organisierten Kriminalität gegen Banden mit arabisch-libanesischstämmigen Mitgliedern. Mehr als die Hälfte der Verdächtigen aus diesen Clans habe inzwischen einen deutschen Pass. (dpa)