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Letzte Ruhe an der Mauer

Mehrere historische Wandgräber auf dem Friedhof in Ost sind vom Verfall bedroht. Sie sollen künftig neu genutzt werden.

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© René Plaul

Von Nina Schirmer

Radebeul. Ein Fleck in der Mauer. Sonst ist nichts zu sehen. Keine Namen und kein Gedenkspruch. Das Grab der Familie Honymus auf dem Friedhof in Radebeul-Ost ist verschwunden. Doch nicht für immer. Die historische Grabstätte des Radebeuler Unternehmers und seiner Familie wird zurzeit saniert. Die Auffrischung ist nicht billig. 20 000 Euro werden allein für die Instandsetzung des einen Wandgrabes benötigt. Und es gibt weitere, die bröckeln und vom Verfall bedroht sind. Vor allem Grabstätten an den Friedhofsmauern sind betroffen. Um sie zu retten, sollen sie nach und nach hergerichtet und auch wieder als Orte für die letzte Ruhe genutzt werden.

„Wir wollen alte Grabmäler zu Urnengemeinschaftsanlagen aufarbeiten“, sagt Christof Heinze, Pfarrer der Lutherkirchgemeinde. Das habe gleich zwei Vorteile. Zum einen werden historische Grabstellen, die niemand mehr pflegt, trotzdem erhalten. Zum anderen gibt es zukünftig mehr Urnengemeinschaftsanlagen, die inzwischen immer öfter nachgefragt werden.

„Es gibt eine Tendenz zu preiswerten Bestattungen“, sagt Pfarrer Heinze. Darauf muss sich auch der Friedhof der Luthergemeinde einrichten. Denn aus rein wirtschaftlicher Sicht steht er in Konkurrenz mit dem nahen Heidefriedhof in Dresden. Die Urnenanlagen sind aber nicht nur beliebt, weil sie weniger kosten als ein normales Grab. Sie müssen von den Angehörigen auch nicht selbst gepflegt werden.

„Wir haben oft die Situation, dass die Angehörigen weit weg leben“, sagt Heinze. Weil sie der Arbeit hinterhergezogen sind oder anderswo eine Familie gegründet haben. „Das wirkt sich auch auf unsere Bestattungskultur aus“, so der Pfarrer. Die älteren Verwandten, die hier noch alleine leben, wollen niemanden zur Last fallen. Auch ihre Grabpflege soll es nicht. Deshalb entscheiden sie sich dafür, dass nach dem Tod ihre Asche in eine Urne und diese eine Gemeinschaftsanlage kommen soll.

Diese Form der Bestattung ist aber nicht zu verwechseln mit einer anonymen Beisetzung auf der grünen Wiese, wie sie etwa auf dem Heidefriedhof möglich ist. Bis zu acht Urnen kommen in eine Grabstelle. Die Namen der Verstorbenen stehen auf einer Tafel an der Wand. Das ist Pfarrer Heinze besonders wichtig. Der Friedhof ist ein Kirchfriedhof, kein kommunaler. „Es widerspricht der christlichen Sicht, Menschen anonym zu bestatten“, sagt Heinze. „Die Bestattungskultur ist Teil der Menschlichkeit in einer Gesellschaft“, findet er. Deshalb sei die Sichtbarkeit eines Namens wichtig. Auch um der Einmaligkeit der menschlichen Person gerecht zu werden. Der Friedhof soll ein Ort sein, an dem man um eine Person trauern und sich an sie erinnern kann, sagt der Pfarrer.

Deshalb sind anonyme Bestattungen auf dem kirchlichen Friedhof nicht möglich. Trotzdem soll es dort in Zukunft nicht nur klassische Gräber geben. Neben neuen Urnenanlagen in der Friedhofsmauer gibt es auch Überlegungen für Bestattungen rund um Bäume, sagt Heinze. Der Name der Verstorbenen könnte dann neben einem Baum auf einer kleinen Tafel stehen.

Genügend freie Stellen gebe es dafür auf dem Friedhof. Die ungenutzten Flächen nehmen sogar zu, weil sich weniger Leute für ein pflegeintensives Grab entschieden. Der Kirche arbeitet mit einer Landschaftsarchitektin zusammen, die sich den Friedhof bereits angesehen hat. Neue Konzepte für die langfristige Bepflanzung sind geplant. Auch um beide Teile des Friedhofes wieder etwas zusammenzubringen. „Im Moment ist der vordere Teil Richtung Wasastraße attraktiver und der hintere ein bisschen entwicklungsbedürftig“, sagt Heinze. Der Weg zur Trauerhalle ist bereits gepflastert worden.

Für die Restaurierung historischer Grabmäler gibt die Stadt jährlich 4 500 Euro dazu. Saniert werden sollen auch solche Gräber, die unter Denkmalschutz stehen und deshalb nicht zur Urnenanlage gemacht werden können.