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Lesespaß in der Telefonzelle

Krippen hat jetzt eine Mini-Bücherei – weil eine Einwohnerin gern Radio hört.

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© Daniel Förster

Von Carina Brestrich

Bad Schandau. Silvia Happe zittert gern mit. Krimis liest die 53-Jährige aus Krippen deshalb am liebsten. „Aber manchmal brauche ich auch was fürs Herz“, sagt die Bücherfreundin. Nur, was tun mit den vielen Büchern, die sich über die Jahre angesammelt haben? „Erst wollte ich sie in der Bücherei abgeben, aber da stehen sie auch nur im Regal“, sagt sie. Silvia Happe kam auf eine andere Idee: eine eigene, kleine Bücherei, direkt vor der Haustür. Und zwar in einer Telefonzelle.

Dass die jetzt tatsächlich am Bächelweg steht, hat Silvia Happe dem Mitteldeutschen Rundfunk zu verdanken. Denn die Krippenerin liest nicht nur gern, sie ist auch treue Hörerin von MDR 1 Radio Sachsen. Anfang Oktober bewarb sie sich dort mit ihrer Idee bei der Höreraktion „Wünsche werden wahr“. Dabei werden täglich zwei Hörer ausgelost, die ihre Idee im Frühprogramm vorstellen dürfen.

MDR-Moderator Silvio Zschage war sofort von Silvia Happes Vorschlag begeistert, unterbrach am Wochenende extra seine aktuellen Aufnahmearbeiten auf Mallorca, um zur Einweihung zu kommen: „Das Tolle ist, dass es kein Wunsch für Frau Happe persönlich war, sondern einer, von dem alle profitieren und etwas davon haben.“

Tatsächlich überzeugte Silvia Happe auch die Radiohörer, die bei einer Online-Abstimmung mehrheitlich für die Bücherzelle klickten. Von der Gewinnsumme – 1 050 Euro – konnte sich Silvia Happe schließlich ihren Traum erfüllen. Über das Internet-Auktionshaus Ebay fand sie eine Telefonzelle in Bayern. Ein Krippener Unternehmen holte das ausgediente Häuschen in die Sächsische Schweiz, Silvia Happes Mann baute zwei Bücherregale ein.

Bücher abgeben und mitnehmen

Von dort kann ab sofort jeder so viele Bücher mitnehmen, wie er will – und natürlich auch welche abgeben. Die ersten Exemplare hat Silvia Happe ins Regal gestellt, schnell gesellten sich weitere hinzu: „Als die Leute aus der Nachbarschaft hörten, dass es endlich so weit ist, kamen die Bücher beutelweise“, erzählt Silvia Happe. Zur Wahl stehen neben vielen Romanen inzwischen eine ganze Lexikon-Reihe, einige Kinderbücher und mehrere Kochbücher.

Sogar bis Dresden hat sich die Krippener Mini-Bibo schon herumgesprochen. Die frühere Bibliotheksrätin und Bibliothekarin Juliane Krummsdorf kam extra zur Eröffnung in die Sächsische Schweiz. Die 85-Jährige betreibt selbst eine private Bücherei auf dem Weißen Hirsch, erhält regelmäßig bananenkistenweise Bücher. „Manchen Monat wechseln bei mir 60 Bücher den Besitzer“, erzählt sie. Juliane Krummsdorf ist überzeugt, dass auch in Happes Bücherzelle kaum ein Exemplar lange stehen bleiben wird. Das zeigt allein der Andrang zur Eröffnung: „Die Leute haben das Interesse an Büchern nicht verloren. Selbst in Zeiten von E-Books nicht.“

Bestseller wartet auf neue Leser

Auch Monika Bär hält lieber ein gedrucktes Buch in den Händen als ein elektronisches. Und die Krippenerin tauscht gern: „Früher gab es in jedem Ort eine Bücherei, heute leider nicht mehr“, bedauert sie. Umso mehr freut sie sich nun über den öffentlichen Bücherschrank in ihrem Dorf. Dort warten jetzt unter anderem drei Bände des amerikanischen Bestsellers „Vom Winde verweht“ . Bisher standen sie bei Ilse Böhme zu Hause. „Nun sollen sich gern andere daran erfreuen“, sagt sie. Damit die Bücher-Wechselstube künftig nicht als normales Telefonhäuschen übersehen wird, hat sich Bürgermeister Thomas Kunack (WV Tourismus) um eine entsprechende Beschriftung gekümmert. „Die Bücherzelle ist eine Bereicherung für das Dorf, aber auch für die Menschen aus den anderen Ortsteilen und für die Touristen“, sagt er.

Silvia Happe hat schon die nächste Idee für ihre kleine gelbe Bücherei: ein Stempel, mit dem die Nutzer die Bücher, die sie mitnehmen, markieren können. „Dann kann man sehen, wo das Buch auf seiner Reise schon überall gewesen ist“, sagt sie. So etwa würde sie sich freuen, wenn es mal ein Buch aus Riesa, Plauen oder Bautzen nach Krippen schafft. In diesen Städten hatten nämlich Leute dieselbe Idee wie Silvia Happe: „Ein bisschen verrückt muss man dafür schon sein“, sagt sie. (mit df)