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Lesenacht mit DDR-Rennsportlegende

24 Orte, 25 Stunden Lesungen. In der Stadt wird am Freitag wieder geschmökert, was das Zeug hält.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Nossen. Doppelter Schädelbasisbruch, Halswirbelsäule sowie fünfter und sechster Lendenwirbel angebrochen, Bruch beider Schlüsselbeine, doppelter Bruch des Beckenbodens und des rechten Unterschenkelknochens. Es ist eine Liste des Grauens, die die Verletzungen dokumentiert, die sich der ehemalige Motorrad- und Autorennfahrer Stromhardt Kraft 1967 bei einem Motorrad-Unfall während eines 125er-Rennens auf dem Sachsenring zugezogen hatte.

Mit seiner MZ flog er damals wegen eines technischen Defektes quer durch die Luft. Das der 73-Jährige an diesem Freitag lächelnd und in aufrechter Sitzposition aus seinem Buch „Ich wollte Weltmeister werden“ vorlesen kann, grenzt fast an ein Wunder. Kraft wird der wohl bekannteste von knapp 20 Autoren und noch mal so vielen Hobby-Lesern sein, die bei der vierten Nossener Lesenacht an 24 verschiedenen Orten in der Stadt vorlesen werden.

„Ich wohne seit 2014 in Nossen-Graupzig. Von daher ist der Weg nicht weit“, sagt Kraft. Am Freitag wird er um 19, 20 und 21 Uhr im Sachsenhof aus seinem Werk vorlesen. Das Buch ist erst im letzten Jahr auf den Markt gekommen. Darin erzählt er auf über 250 Seiten von seinen motorsportlichen Träumen und der Realität in der DDR, gewährt einen Blick in sein privates Leben. „Welche Schwierigkeiten und Mühen auf dem Weg zum Rennfahrer ich durchzumachen hatte und wie ich nach meinen Verletzungen zurückgekommen bin, werde ich den Nossenern verraten“, so der gebürtige Bischofswerdaer, der bis 2006 noch aktiv Rennen gefahren ist. Heute vertritt Kraft als „Promotor der Rennfahrergemeinde „Haigo“ die Interessen einiger, ehemaliger Rennfahrer.

Den Kontakt hat Dirk Frenzel-Arnhold vom Kulturverein Nossen, kurz Kuno, hergestellt. Auch in diesem Jahr organisiert der Verein die Veranstaltung. „Es ist wieder faszinierend, wie viele Nossener aus ihren Lieblingsbüchern vorlesen werden oder ihre Geschäfte als Lese-Bühne zur Verfügung stellen, so Frenzel-Arnhold.

So liest bei der Bäckerei Liebe neben dem Sachsenhof der Bäckermeister gleich selbst aus dem Roman „Der Laden“ von Erwin Strittmatter vor, verwandelt sich der Eisenwarenhandel Dürfeldt in einen Lesesaal. „Hier wird der Autor Peter Wunderwald zu Gast sein und über den Eisenbahnknoten Nossen und die mittelsächsische Schmalspurbahn berichten“, sagt der hauptberuflich für die Kulmbacher-Gruppe tätige Vorsitzende des Kuno. Darüber hinaus wird im Rathaus, mehreren Friseursalons, Sportläden, Waschsalons, der Stadtbibliothek oder der Markthalle Adler vorgelesen. Die Lesenacht zu planen habe der Verein Kuno im Oktober angefangen.

Allzu schwer sei es nicht gewesen. „Die Nossener engagieren sich wie verrückt für diese besondere Veranstaltung, die inzwischen auch außerhalb der Stadt Bewunderer findet“, so Frenzel-Arnhold. Für das nächste Jahr habe sich etwa die Feuerwehr der Stadt angemeldet, um mitzumachen. Und auch für die kleinsten Leseratten haben sich die Veranstalter etwas einfallen lassen:

„Wir machen mit Kindern eine Schatzsuche. Die dafür nötige Schatzkarte gibt es an fünf besonderen Lese-Orten. Wer an Lesungen in drei der fünf Orte teilnimmt, kann sich das mittels Stempel auf einer Karte bestätigen lassen und bekommt dafür einen Lese-Schatz“, verrät Frenzel-Arnhold.

Er hofft auf mindestens 400 Gäste, die die Lese-Nacht besuchen. Über viel Andrang dürften sich auch die Buchhändler in der Stadt freuen. Denn deren Verkaufszahlen, so teilt Frenzel-Arnhold mit, würden nach einer Lese-Nacht in der Regel kurzzeitig nach oben schnellen.

Nossener Lesenacht am 15. April ab 16 Uhr (Kinderlesungen) bzw. 19 Uhr (Erwachsene). Der Eintritt ist frei. Veranstaltungsorte, das Programm, und wo die Kinder-Lesungen stattfinden, ist unter: https://kunonossen.blogspot.de/ zu finden. Um 22.15 Uhr wird SZ-Autor Dr. Peter Ufer im Sachsenhof aus seinem Werk „Deutschland, einig Lachland“ lesen.