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Lernen im DDR-Denkmal

Lange wurde um die Sanierung der 49. Grundschule gerungen. Nun gibt es dort historische Details im neuen Chic.

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© René Meinig

Von Annechristin Bonß

Die Rakete steht startklar im Innenhof. Die Kinder brauchen nur noch einzusteigen und abzuheben, dann könnte die Reise beginnen. Keine Reise in die Zukunft, sondern eine in die Vergangenheit. In die Zeit, als ihre Schule gebaut wurde. In die DDR der späten 1960er-Jahre. Dabei bräuchten die Plauener Kinder das Ticket in die Vergangenheit gar nicht. Denn ihre Schule, die 49. Grundschule, sieht noch genauso aus, wie sie damals erbaut wurde.

Das Glasbild stammt aus einer anderen DDR-Schule und wurde dort beim Abriss gerettet.
Das Glasbild stammt aus einer anderen DDR-Schule und wurde dort beim Abriss gerettet. © René Meinig
Eine Glasplatte macht das historische Geländer sicher. Eigentlich sind die Abstände zwischen den Streben zu groß.
Eine Glasplatte macht das historische Geländer sicher. Eigentlich sind die Abstände zwischen den Streben zu groß. © René Meinig
Die Rakete wurde 1979 in der Schule aufgestellt. Jetzt ist das Kunstwerk von Dieter Bock von Lennep saniert.
Die Rakete wurde 1979 in der Schule aufgestellt. Jetzt ist das Kunstwerk von Dieter Bock von Lennep saniert. © René Meinig

Große Fensterfronten an gleich zwei Seiten der Klassenzimmer, die hellblaue Farbe an der Fassade, der rostrote Fußbodenanstrich, das Metallgeländer und die Betonstufen in den Treppenhäusern sowie die beiden umschlossenen Innenhöfe – all diese Details gehörten zum Schultyp Dresden-Atrium, von dessen Ursprungsentwurf nur sieben in ganz Dresden gebaut wurden. Der Bau in Plauen ist die letzte nach dem Originalentwurf gebaute Schule, in der noch ein großer Anteil an Originalsubstanz erlebbar ist und gilt deshalb seit 2013 als Denkmal. Nun als komplett saniertes, modernisiertes Denkmal. Seit wenigen Wochen ist die Sanierung abgeschlossen und die 420 Schüler sind zurück. Damit endet eine lange Geschichte um ein marodes Schulhaus mit vielen Macken.

Denn den Denkmaltitel bekam die Schule eben nur, weil seit dem Bau vor über 40 Jahren kaum etwas verändert wurde. Jahrelang haben sich Eltern und Lehrer über die Bedingungen beschwert. Zugenagelte Fenster, fehlender Sonnenschutz, marode Toiletten – Geld für all die Mängel hatte die Stadt lange nicht. Als schließlich vor vier Jahren 2,5 Millionen Euro für Dach, Fenster und Fassade im Haushalt bereitstanden, verzögerte sich die Planung, auch weil der Denkmalstatus besondere Ansprüche stellte. Wieder wurden die Eltern vertröstet, wieder mussten sie warten.

Das weiß auch Schulbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU). Er erinnert in seiner Rede zur offiziellen Übergabe an die Mängel. 2015 musste der Putz von allen Decken entfernt werden, weil Teile davon herabgestürzt waren. Zum Glück wurde niemand verletzt. Dass es danach von den Decken rieselte, wenn obendrüber Kinderfüße durch die Räume trappelten, gehörte fortan ebenfalls zur Historie des Baus.

Diese Episode ist nun vorüber. Die Stadt hat insgesamt über elf Millionen Euro investiert. Knapp acht Millionen davon kommen vom Land. Nun sind die Räume modernisiert, die neuen Markisen montiert, die Fenster gedämmt. Die Lehrer können jetzt dank eines Datennetzes elektronische Medien im Unterricht einsetzen. Die fest eingebauten Möbel in den Klassenzimmern sind erhalten und aufgearbeitet. Zudem ist der Bau nun barrierefrei. Noch gestalten die Arbeiter das Außengelände. Auch dort orientieren sie sich an den Plänen, die es 1968 für die Freizeitflächen gab.

Moderne trifft auf geschütztes Haus

Der Mix aus Moderne und Denkmalschutz hat Planer und Architekten dabei mitunter vor große Herausforderungen gestellt. „Dresden und seine Geländer – das ist ein Klassiker“, sagt der Bildungsbürgermeister. Und spielt auf die Possen rund um die Anpassung anderer historischer Geländer an aktuelle Sicherheitsvorgaben an, zum Beispiel an der Albertbrücke. In der 49. Grundschule gibt es für dieses Spannungsfeld eine Paradelösung. Das historische Geländer durfte bleiben. Eigentlich sind die Abstände zwischen den Metallstreben zu groß. Hier könnte ein Kind durchrutschen. Nun gibt es eine Glasplatte zwischen den Geländern. Die Gefahr ist gebannt. Auf das Glas wurden Buchstaben geklebt. Die erzählen von der Geschichte der Schule. An anderer Stelle haben die Denkmalpfleger größere Kompromisse gemacht. So gibt es in allen Räumen sogenannte Akustikdecken. Die hat es im Entwurf aus DDR-Zeiten nicht gegeben. In modernen Schulen sind sie aber Standard.

Zu Plauens Denkmal gehört auch die Kunst. Die Rakete in einem der beiden Innenhöfe wurde 1976 bis 1979 von Dieter Bock von Lennep speziell für die Schule gebaut. Die damalige Polytechnische Oberschule trug den Namen des sowjetischen Kosmonauten Juri Gagarin. Da passte ein solches Gefährt gut. Nun wurde die 5,50 Meter hohe Konstruktion aufgearbeitet. Erhalten blieb auch das Wandbild im Foyer, das ebenfalls von dem Künstler gefertigt wurde. Im ersten Geschoss der Schule wurde zudem ein buntes Glasfenster eingebaut, das einst beim Abriss der 57. Grundschule gerettet und später restauriert wurde. Das Werk trägt den Titel „Die friedliche Eroberung des Weltalls durch den Menschen“. Und macht Lust auf die Reise in die Zukunft, in die Weiten des Universums. Die Rakete dafür ist startklar.