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Leiser Abgang eines Lieblings

Am Montagmorgen ist Leistenkrokodil Max gestorben. Der Zoo verliert damit die letzte große Tierpersönlichkeit.

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© Ronald Bonß

Von Juliane Richter

Dresden. Erst schien das kranke Leistenkrokodil Max auf dem Weg der Besserung zu sein. Doch am Montag ist der Besucherliebling nun doch überraschend gestorben. Sein langjähriger Pfleger Michael Hoffmann hat den leblosen Körper bei seinem Dienstbeginn gegen 6.30 Uhr gefunden. Die gerufenen Tierärzte schlossen noch einmal ein EKG-Gerät an, konnten jedoch keinen Herzschlag mehr feststellen.

Besucherliebling des Zoos: Krokodil Max

Im September 2002 drängeln sich die Zoobesucher vor dem neuen Gehege von Leistenkrokodil Max: 90 Quadratmeter Wohnfläche, davon 66 Quadratmeter beheizter Pool und 24 Quadratmeter Sonnenbank.
Im September 2002 drängeln sich die Zoobesucher vor dem neuen Gehege von Leistenkrokodil Max: 90 Quadratmeter Wohnfläche, davon 66 Quadratmeter beheizter Pool und 24 Quadratmeter Sonnenbank.
Max am 19. April 2002  in seinem alten, kleineren Zuhause.
Max am 19. April 2002 in seinem alten, kleineren Zuhause.
Max kam 1958 in den Zoo Dresden und war damals nur 60 Zentimeter lang. Das Tier wurde fast 60 Jahre alt und hat etwa 4,50 Meter gemessen.
Max kam 1958 in den Zoo Dresden und war damals nur 60 Zentimeter lang. Das Tier wurde fast 60 Jahre alt und hat etwa 4,50 Meter gemessen.
Max auf einer Aufnahme von 1961 - drei Jahre, nachdem er in den Zoo gekommen war.
Max auf einer Aufnahme von 1961 - drei Jahre, nachdem er in den Zoo gekommen war.
Auch als noch kleines Krokodil machte Max 1961 schon einen recht furchterregenden Eindruck.
Auch als noch kleines Krokodil machte Max 1961 schon einen recht furchterregenden Eindruck.
Reproduktion der alten Tierbestandskarteikarte von Max im Zoo Dresden.
Reproduktion der alten Tierbestandskarteikarte von Max im Zoo Dresden.
Seit dem 6. Juli 2015  ist Max weg. Pfleger hatten das Krokodil am Montagmorgen tot in dem Gehege gefunden, das er seit 2010 bewohnte.
Seit dem 6. Juli 2015 ist Max weg. Pfleger hatten das Krokodil am Montagmorgen tot in dem Gehege gefunden, das er seit 2010 bewohnte.
Der Dresdner Zoo trauert um seinen Besucherliebling.
Der Dresdner Zoo trauert um seinen Besucherliebling.
Auch Tierärztin Eva Ziemssen und Pfleger Michael Scheffert müssen den Verlust von Max noch verarbeiten.
Auch Tierärztin Eva Ziemssen und Pfleger Michael Scheffert müssen den Verlust von Max noch verarbeiten.
Zuletzt war Max sehr krank. Am 9. Juni 2015 wird das betäubte Tier von Experten untersucht. Sie stellten unter anderem ein entzündetes Bein fest.
Zuletzt war Max sehr krank. Am 9. Juni 2015 wird das betäubte Tier von Experten untersucht. Sie stellten unter anderem ein entzündetes Bein fest.
Max beim Aufwachen aus der Narkose nach der Untersuchung.
Max beim Aufwachen aus der Narkose nach der Untersuchung.
Auch der kranke Max bekam noch sehr viel Besuch, die Dresdner fieberten mit. In den vergangenen Tagen gab es Anzeichen, dass sich das Tier wieder erholt.                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Foto: Christian Juppe  /  / Sächsische Zeitung
Auch der kranke Max bekam noch sehr viel Besuch, die Dresdner fieberten mit. In den vergangenen Tagen gab es Anzeichen, dass sich das Tier wieder erholt. Foto: Christian Juppe / / Sächsische Zeitung
Der Kadaver von Max wird jetzt in Berlin untersucht, um die genaue Todesursache herauszufinden.
Der Kadaver von Max wird jetzt in Berlin untersucht, um die genaue Todesursache herauszufinden.

Schon Anfang Mai hatten die Zoomitarbeiter gemerkt, dass mit Max etwas nicht stimmt. Seine Blutwerte waren so schlecht, dass sie von einer verminderten Nierenfunktion ausgingen. Eine großangelegte Untersuchung unter Vollnarkose brachte ein wenig Klarheit: Die Blutwerte hatten sich verbessert, doch der rechte Vorderfuß war stark entzündet. Mit Antibiotika, Salben und Desinfektionslösungen hatte das Ärzteteam das Krokodil fortan behandelt. Seit Mitte Juni schien es Max besser zu gehen. Alle zwei Tage verschlang er genussvoll ein Meerschweinchen.

„Vergangene Woche Dienstag hat er es erstmals wieder ausgespuckt. Gegen Ende der Woche passierte das noch einmal“, sagt Tierärztin Eva Ziemssen. Auch die von Beginn an hinzugezogenen Reptilienexperten wussten sich nun keinen Rat mehr. Der Plan war, abzuwarten und irgendwann, eventuell noch einmal eine Untersuchung unter Vollnarkose durchzuführen. Doch dafür blieb keine Zeit mehr.

Noch am Vormittag wurde der leblose Krokodilkörper zur pathologischen Untersuchung an das Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin gebracht. Tierarzt Dimitri Widmer und Pfleger Hoffmann haben Max begleitet. Bis die genaue Todesursache feststeht, können Tage und Wochen vergehen. Sein zweiter enger Pfleger Michael Scheffert war sichtlich mitgenommen. So wie er und die anderen Zoomitarbeiter trauern viele Dresdner, die Max seit Jahrzehnten kennen.

Vor allem mit der Körperlänge des Krokodils ist seine Bekanntheit gewachsen. Als Max am 2. Oktober 1958 aus dem Tierpark Berlin nach Dresden kam, war er eines von zwei namenlosen Jungtieren, die zwischen 50 und 70 Zentimeter groß waren. So ist es auf der Originalkarteikarte von damals zu lesen. Mit Bleistift hat jemand später ganz zart „Max“ darauf notiert. Zooarchivar Winfried Gensch schätzt, dass der damalige Leiter des Terrariums, Franz Dünnebier, Max seinen Namen gegeben hat. Ein Mississippi-Alligator aus der gleichen Zeit hieß Moritz. „Durch den Krieg war der Zoo zerstört. In den Jahren danach haben die Mitarbeiter versucht etwas aufzubauen, was mal mehr oder weniger geeignet war“, erinnert sich Gensch. So wurde Max gemeinsam mit acht oder neun anderen Alligatoren, Nil- und Cubakrokodilen zunächst in einer Art Schuppen gezeigt. Dort hatte Dünnebier versucht, ein bescheidenes Terrarium einzurichten. Mit dem 100. Geburtstag des Zoos 1961 zog Max dann in den Terrarium-Neubau, der noch heute neben der Giraffenanlage steht. Historische Fotos aus dieser Zeit zeigen ihn schon um einiges gewachsen auf einer kleinen Insel. In dem Gehege war Max noch bis 2010 untergebracht.

Ralf Leidel, heutiger Chef des Vereins Zoofreunde Dresden und 1965 Zoolehrling, erinnert sich, wie das alte Gehege damals gereinigt wurde. „Pfleger mit einem großen Holzstock und Schrubber haben Max auf dem Trockenen in Schach gehalten, während ein anderer den Rest des Geheges geschrubbt hat“, sagt der 66-Jährige. Später dann wurde als Schutz ein Bauzaun aufgestellt. „Über die Jahre hat sich Max zu einer wahren Institution im Zoo entwickelt. Wenn Sie in Dresden nach dem Namen des Zoodirektors fragen, weiß wohl kaum jemand die richtige Antwort. Aber Max kennen alle“, sagt Leidel überzeugt.

Dabei passt Max nicht wirklich ins gängige Kindchenschema, das normalerweise die Besucher lockt. Statt flauschigem Fell und großen Augen hat er einen harten Panzer und eine starre Mimik geboten. Was also machte seine Faszination aus?

Für Zookurator Matthias Hendel ist es die schiere Größe. Bei der letzten Messung war Max rund 4,90 Meter lang und etwa 430 Kilogramm schwer. Ein vergleichbares Exemplar finde sich in europäischen Zoos laut Hendel nicht. Diese mächtige Erscheinung war auch der Grund dafür, wieso das Leistenkrokodil nie eine Partnerin an seine Seite bekommen hat. „Erst war das Becken zu klein, später dann hätten wir ein Weibchen finden müssen, was mindestens 3,50 Meter groß wäre, um es mit ihm aufzunehmen“, sagt Hendel. Doch auch ein so großes Weibchen gebe es in Europa nicht ohne Weiteres.

Für Hendel ist Max auch deshalb faszinierend, weil er zwar ein riesiges Reptil ist, aber trotzdem Vertrauen zu Menschen gefasst hat. Auf den Ruf seines langjährigen Pflegers Michael Hoffmann, der sich seit 1979 um ihn gekümmert hat, hat er vor seiner Erkrankung meist ohne Zögern gehört. „Es ist fantastisch, wenn so ein Riesentier auf die Stimme eines Menschen reagiert“, sagt Hendel.