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Leises Surren statt Motorengeknatter

Beim E-Mobilitätstag am Fliegenden Museum standen mehr als 20 Elektroautos zum Ausprobieren bereit.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Manfred Müller

Großenhain. Eigentlich steht Frank Lieder auf kräftige Motorengeräusche. Der Polizeihauptmeister ist seit seiner Jugend begeisterter Motorsportfan. Aber wenn er jetzt in sein Dienstfahrzeug steigt, hört er nur ein leises Surren. Seit einer Woche fährt der Großenhainer Bürgerpolizist ein Mercedes-Elektroauto. „Ich war anfangs ziemlich skeptisch“, sagt er. „Schließlich hatte ich jahrzehntelang einen Verbrennungsmotor unter der Haube – sowohl dienstlich als auch privat.“ Aber der E-Flitzer gefalle ihm von Tag zu Tag besser. Beim Start ziehe er sogar besser an als ein Benziner, und die 150 Kilometer Aktionsradius seien für eine Streifenfahrt völlig ausreichend. Lieder ist vor allem in der Stadt Großenhain, in Priestewitz und Ebersbach unterwegs. Er müsse nicht befürchten, dass während seiner Dienststunden die Batterie schlappmacht, sagt der Großenhainer, denn wilde Verfolgungsfahrten gebe es sowieso nur im Kino oder Fernsehen. „In der Realität müssen wir darauf achten, dass wir niemanden gefährden“, erklärt er. Gestern Vormittag hatte der Bürgerpolizist einen Spezialauftrag: Er stellte sein Dienstfahrzeug beim Elektromobilitätstag auf dem Großenhainer Flugplatz vor.

Alexander Zocher zeigt den Renault Twizy Life. Der kultige Einsitzer wird in französischen Großstädten sogar als Einsatz-Leitfahrzeug und Notarztwagen genutzt.
Alexander Zocher zeigt den Renault Twizy Life. Der kultige Einsitzer wird in französischen Großstädten sogar als Einsatz-Leitfahrzeug und Notarztwagen genutzt. © Klaus-Dieter Brühl
Stromkabel statt Zapfpistole unterm Tankdeckel: Noch fehlt aber für eine flächendeckende Elektromobilität die nötige Lade-Infrastruktur.
Stromkabel statt Zapfpistole unterm Tankdeckel: Noch fehlt aber für eine flächendeckende Elektromobilität die nötige Lade-Infrastruktur. © Klaus-Dieter Brühl

Die Volksbank-Raiffeisenbank Meißen-Großenhain hatte Wissenschaftler, Ingenieure, Zubehör-Produzenten, Autohausbetreiber eingeladen, um dem hiesigen Handwerk einen Einblick in die Technologie der Zukunft zu geben. Auch wenn die E-Fahrzeug-Produktion in Deutschland momentan noch vor sich hindümpelt, so zeigt doch ein Blick in die USA, nach Norwegen, Kanada oder China, dass international längst ein Umschwung eingesetzt hat. „Wir Deutschen reden nur, während die anderen längst handeln“, sagt Alexander Zocher.

Arzt kommt mit Elektro-Einsitzer

Der Werkstatt-Chef vom Meißner Autohaus Peschel war mit einer kleinen Renault-Elektroflottille nach Großenhain gekommen. Darunter auch der kultige Twizy Life, der als Einsitzer und Zweisitzer angeboten wird. „Die Franzosen nutzen den sogar als Einsatz-Leitfahrzeug und Notarztwagen“, erklärt er. Vor allem in Großstädten sei der Winzling beliebt, weil man ihn auch quer zur Fahrtrichtung einparken darf. Meißen hingegen sei ein eher verschlafenes Städtchen, da habe man es schon schwerer, Elektroautos an den Mann zu bringen. Was sicher auch an ungeklärten Problemen beim Aufbau einer Lade-Infrastruktur liegt. Da Strom nur von wenigen Anbietern, wie den eigentlichen Produzenten oder von Stadtwerken verkauft werden darf, sind die Möglichkeiten begrenzt.

Wissenswertes

Etwa 70 Prozent aller Autofahrten in Deutschland weisen Streckenlängen unter zehn Kilometern auf. Elektroautos haben mittlerweile einen Aktionsradius zwischen 100 und 350 km. Ein bergiges Streckenprofil und die Zuschaltung anderer Elektro-Verbraucher, wie der Heizung, verringern die Reichweite.

In Deutschland sollen bis 2020 eine Million Elektroautos rollen, aber das Ziel wird durch den bisher stockenden Absatz wohl nicht erreicht.

In Norwegen haben mittlerweile 13 Prozent der zugelassenen Autos einen Elektroantrieb, hierzulande sind es gerade einmal 0,4 Prozent.

Das Aufladen der Batterie an einer herkömmlichen Steckdose dauert etwa acht Stunden, an einer Schnellladestation hingegen um die 20 Minuten. Allerdings arbeiten solche Stationen mit hohen Stromstärken und sind nicht überall einsetzbar.

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Dennoch halten Experten wie der Dresdner Professor Manfred Hübner das Problem für lösbar. Der Leiter des Labors für Autoelektronik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft verweist darauf, dass jüngere Leute in den Großstädten ohnehin lieber auf günstige Mietautos zurückgreifen, statt selbst einen fahrbaren Untersatz zu kaufen. Die Vermietungsbranche könnte so zum Motor für künftige Entwicklungen werden. Auch für die Fahrzeugparks größerer Firmen oder Institutionen lohne sich die Umstellung vom Verbrennungs- auf den Elektromotor. Oder für Handwerker im städtischen Bereich. Leider hätten die großen deutschen Autohersteller die Entwicklung eines entsprechenden Transporters verschlafen. Aber immerhin habe die Post ein Zustellfahrzeug entwickeln lassen, das zur Hoffnung Anlass gibt.

Warum der Elektromobilitätstag des Landkreises ausgerechnet im doch etwas abseits gelegenen Großenhain stattfindet? „Nun, wir haben hier einfach die Flächen, um auch mal ein paar Runden mit einem Elektroauto zu drehen“, erklärt Claus-Michael Zwiebel. Immerhin standen von Renault über BMW und Mercedes bis hin zu Tesla mehr als 20 Elektromobile vor der Halle des Fliegenden Museums bereit. Außerdem, so der Vorstand der hiesigen Volksbank-Raiffeisenbank, sei das Museum ein idealer Ort, um sich mit Innovationen zu beschäftigen. Das Flugwesen habe die technische Entwicklung ja immer wieder vorangetrieben und jede Menge Pioniere hervorgebracht.

Herausforderung fürs Handwerk

Zwiebel ist davon überzeugt, dass sich mit E-Mobilität für die Mittelständler in der Region eine Menge ändern wird. Autowerkstätten und Kfz-Zulieferer müssten sich auf völlig neue Herausforderungen einstellen. „Man sollte sich frühzeitig auf solche Trends einstellen und entsprechend investieren“, sagt der Volksbank-Chef. Wie das geht erläuterte Friedhelm Bilsing vom Autoservice Demmler. Die Firma aus Wilkau-Haßlau ist in Sachsen einer der Hotspots in Sachen Elektromobilität. Sie vermietet E-Autos zu moderaten Preisen, und wer eine lange Urlaubsfahrt plant, bekommt dafür einen Benziner. Und der Verkauf? Der sei durchs Internet auch kein wirkliches Problem, sagt Bilsing. Erst kürzlich habe seine Firma einen Tesla nach Katar abgesetzt.