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Leichte Mädchen, schwerer Diebstahl

Zwei Frauen haben Freier in ihre Wohnung gelockt und deren Geldbörsen geklaut. Deshalb standen sie nun in Bautzen vor Gericht.

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© dpa

Von Stefan Schramm

Drogen wie Crystal zerfressen das Gehirn. Auch kosten sie eine Menge und verlangen deshalb eine gewisse Kreativität, um auf illegalem Weg möglichst einfach an das nötige Geld zum Rauschgiftkauf zukommen. Juristen bezeichnen dieses Vorgehen als Beschaffungskriminalität. Zwei arbeitslose Frauen hatten sich dafür eine besondere Masche ausgedacht und sie in Bautzen zur Perfektion getrieben – zumindest fast. Am Dienstag mussten sie sich dafür vor der Großen Strafkammer der Bautzener Außenkammern des Landgerichts Görlitz unter Vorsitz von Richterin Carmen Becker verantworten.

Der Trick, den die beiden heute 27-Jährigen anwendeten, war simpel und funktionierte. Über ein Zeitungsinserat hatten sie Anfang 2011 erotische Dienste angeboten und mögliche Freier damit in eine Wohnung in der Bautzener Weststraße gelockt. Hatte ein liebestoller Herr angebissen und die Dienstleistungen verlangt, dann forderten ihn die Damen auf, sich im Schlafzimmer der Wohnung zu entkleiden und anschließend erst mal zum Duschen ins Badezimmer zu gehen. Die Gelegenheit ließ sich das Duo nicht entgehen: Während eine der Frauen im Flur Schmiere stand, durchsuchte die andere die abgelegte Kleidung des Opfers nach der Geldbörse. Als das Portemonnaie gefunden war, wurde es flugs versteckt – in einer Cornflakes-Packung in einem Küchenschrank. Zurück vom Duschen, sollten die ahnungslosen Männer vorab die vereinbarte Dienstleistungssumme begleichen. Doch ihre Brieftasche war wie vom Erdboden verschluckt. Die Damen gaben sich größte Mühe, ihren Kunden einzureden, sie hätten sie daheim vergessen. Und das klappte auch. In acht angeklagten Fällen – eventuelle weitere Opfer könnten die Umstände ihres Portemonnaieverlusts schließlich voller Scham verschweigen – mussten die liebestollen Herren die Wohnung in der Südvorstadt unverrichteter Dinge wieder verlassen.

Beträchtliche Beute

Die Beute war beträchtlich. Pro Fall erleichterte das Duo seine Kundschaft, die manchmal aus der unmittelbaren Nachbarschaft und oft aus Bautzens Umland kam, um 50 bis 350 Euro Bargeld. Hinzu kamen Personalausweise, Führerscheine und Fahrzeugpapiere, Krankenversichertenkarten sowie EC-Karten, die die Angeklagten teils sogar weitergaben, größtenteils aber nach eigenen Angaben entsorgten. Nicht zu vergessen: Die Rennerei für die Opfer, um sich die Dokumente wiederzubeschaffen. Das hat die Schadenssummen noch vergrößert.

Am 7. März 2011 ging dann allerdings etwas gehörig schief. Ein heute 72-Jähriger, der als Zeuge aussagte, wollte die Dienste in Anspruch nehmen. Beim Duschen klaute eine der Frauen sein Portemonnaie mit 500 Euro. Als sie ihn dann zum Bezahlen aufforderte, holte der Senior zu ihrer Überraschung eine zweite Geldbörse hervor und beglich die 60 Euro für eine halbstündige erotische Massage. Die Frau musste daher in den sauren Apfel beißen und ihren Kunden „verwöhnen“. Währenddessen schlich sich ihre Komplizin ins Schlafzimmer ein und klaute auch die zweite Brieftasche. Nach dem erotischen Abenteuer bemerkte der Mann aber den Verlust seiner Portemonnaies und verlangte energisch deren Rückgabe. Als die Frauen darauf nicht eingingen, durchsuchte er Zimmer und Möbel. Eine Angeklagte rastete deshalb aus. Sie holte ein Obstmesser aus der Küche und bedrohte den Rentner damit. Doch der ließ sich auch dadurch nicht einschüchtern. Er flüchtete erst, als die Frau ihren Bruder hinzugerufen hatte. Der wohnte eine Etage tiefer und hatte dem alten Herrn ordentlich Dresche mit dem Besenstiel angedroht.

Das ließ der Senior nicht auf sich sitzen. Er erstattete Anzeige bei der Polizei. Das Verfahren kam ins Rollen. Ein erster Gerichtstermin im April 2013 platzte jedoch, weil die Strafkammer für ihre Einsetzung keine Rechtsgrundlage sah, nachdem das Bautzener Landgericht aufgelöst und durch Außenkammern seines Görlitzer Pendants ersetzt worden war. Vor drei Monaten entschied dann das Bundesverfassungsgericht, dass der Fall neu zu verhandeln ist.

In der gestrigen Verhandlung legten die beiden Angeklagten ein umfassendes Geständnis ab. Wegen mehrfachen gemeinschaftlichen Diebstahls wurde eine der Frauen zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Ihre Komplizin erhielt ein Jahr und zehn Monate Haft auf Bewährung, weil sie sich zusätzlich durch die Bedrohung mit einer Waffe einer schweren räuberischen Erpressung schuldig gemacht hatte. Zudem floss bei ihr ein zwei Wochen altes Urteil ebenfalls wegen Diebstahls ein. Ferner müssen beide Frauen, die eigenen Angaben zufolge seit Jahren wieder clean sind, dem liebestollen Rentner dessen finanziellen Schaden wiedergutmachen.