Merken

Lehrer spähen Schüler im Internet aus

Unter falschem Namen sind Pädagogen aus der Pirnaer Pestalozzi-Mittelschule im Netz unterwegs. Sie wollen so Mobbing bekämpfen.

Teilen
Folgen

Von Ronny Zimmermann

Schüler der Pirnaer Pestalozzi-Mittelschule tun gut daran, auch nach Unterrichtsschluss auf gutes Benehmen zu achten. Vor allem, wenn sie im Internet unterwegs sind. Ob sie dort Fotos zeigen, Kommentare abgeben oder über andere lästern – ganz untereinander sind die jungen Leute dabei nicht. Ihre Worte von heute könnten schon morgen Konsequenzen haben. Schließlich wird das, was sie tun, mit verfolgt. Und zwar von Erwachsenen.

Lehrer der Pestalozzi-Mittelschule sind ins Netz gegangen. Sie haben sich bei Facebook, Schüler-VZ und dem regionalen Chat „Dampfer.net“ angemeldet. In den sozialen Netzwerken beobachten die Lehrer anonym das Internet-Verhalten ihrer Schüler.

Sie wollen so die Schulgemeinschaft so vor dem Mobbing im Internet schützen. Das bestätigt Jörg Kulesza, stellvertretender Schulleiter: „Wenn man zu lange über das Problem Online-Mobbing spricht, macht man die Schüler auch erst darauf aufmerksam. Deswegen gehen wir die Sache Internet offensiv an.“ Heißt im Klartext: Wird ein Jugendlicher online zur Gefahr, kann er schon morgen bei der Schulleitung landen.

Probleme mit dem Gesetz

Doch ist dieses Vorgehen legal? Die Lehrer gehen unter einem Pseudonym ins Internet. Der Schüler weiß nicht, wer ihm da nachschnüffelt. Zudem dringen die Lehrer in die Online-Privatsphäre der Jugendlichen ein: Viele Schüler laden persönliche Fotos hoch, lästern über Lehrer und Klassenkameraden, verwenden sogar Schimpfwörter. Alles geschieht außerhalb der Unterrichtszeit. Wo hört die zulässige Kontrolle der Lehrer auf, wann ist der Datenschutz gefährdet?

Andreas Schneider schlägt Alarm. Er ist Pressesprecher des Sächsischen Datenschutzbeauftragten und gleichzeitig zuständig für Schulen. „Ich sehe darin ein Problem, weil es einer öffentlichen Stelle wie der Schule nicht gestattet ist, unter Pseudonym dem außerschulischen Verhalten der Schüler nachzugehen“, sagt Schneider. Es sei weder moralisch noch mit dem Datenschutzgesetz vereinbar.

„Über jede Datenerhebung muss die betroffene Person informiert sein“, erklärt Schneider. Der Fall grenze an Bespitzelung. Nicht nur der Datenschutz werde missachtet. Auch Persönlichkeitsrechte und Meinungsfreiheit seien verletzt. „Ich rate den Schülern, sich an die Schulleitung zu wenden, wenn sie das Gefühl haben, ihnen wird nachspioniert“, empfiehlt Schneider.

Erst am Mittwoch berichtete die Sächsische Zeitung über die Zunahme von Mobbing im Internet. Die Schulen beugen vor – mit Vertrauenslehrern, Streitschlichtern und Kampagnen. Die Angst vor dem Psychoterror im Netz wächst. Wie hilflos die Schulen dagegen aber sind, zeigt das Vorgehen an der Pestalozzi-Mittelschule: Dass Lehrer ihre Schüler im Internet kontrollieren, ist bislang völlig neu.

Soll das Lehrer-Schüler-Verhältnis nicht von Vertrauen geprägt sein? Und wird dieses Vertrauen genau hier missbraucht?

Schüler sind schockiert

Die Sächsische Bildungsagentur Dresden argumentiert mit der freien Zugänglichkeit zu den Internet-Profilen. „Jede Person, und damit auch Lehrkräfte, hat das Recht, sich in öffentlichen, sozialen Netzwerken anzumelden. Jedem Nutzer dieser sozialen Netzwerke muss bekannt sein, dass seine veröffentlichten Angaben und Bemerkungen in der Regel weltweit für alle anderen Nutzer sichtbar sind“, sagt die Pressereferentin Katrin Reis.

Die Schüler selbst sind von der Nachricht verunsichert. Es sei schockierend, wie die Schule das Problem Online-Mobbing bekämpfen will, sagt Martin Wimmer vom Kreisschülerrat. Freizeit kommt nun mal nach der Schule. Da wollen die Jugendlichen nicht von ihren Lehrern beaufsichtigt werden. „Was ist, wenn ein Kommentar im Internet falsch verstanden wird und der Schüler bei dem Lehrer fortan schlechte Karten hat?“, fragt Wimmer.

Seine Hoffnung: Klassenleiterstunde, Probleme ansprechen und die Standpunkte klären. „Alles andere schürt doch nur mehr Misstrauen als Offenheit“, sagt er.