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Leere Meere, leere Mägen

Lange galt Ghanas Küste als eines der fischreichsten Gewässer Afrikas. Jetzt muss das Land die eiweißreiche Nahrung aus dem Ausland importieren. Internationale Unternehmen fischen die Meere vor Westafrika leer.

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© dpa

Von Carolin Gißibl

Accra. Ängstlich schließt Jerome* die Tür. Über Fischerei will er nur in einem abgeschotteten Raum reden. Der Mittvierziger lebt in Shama - einem kleinen Dorf, das sich wie viele andere ghanaische Küstengebiete mit der Fischerei über Wasser hält. „Lange wird das nicht mehr so bleiben“, sagt Jerome nachdenklich. „Sie fischen uns die Fische weg.“

„Sie“ - damit meint er riesige Industriefischfrachter. „Sie“ kommen vorwiegend aus Asien und Europa. Wegen der hohen Überfischung in diesen Regionen ziehen viele Firmen mit ihren Supertrawlern an die Küsten Westafrikas. Zum Teil kommen sie offiziell durch „Fischereipartnerschaftsabkommen“ mit den Regierungen, die von der EU subventioniert werden. Andere kommen ohne Genehmigung - wie in Ghana.

Dort schließen die Firmen Verträge mit lokal ansässigen Fischereiunternehmen, um unter ghanaischer Flagge fischen zu dürfen. Bis auf Arbeitsplätze auf den Tankern bleibt den Einwohnern jedoch nichts - Ausbeute und Gewinne fließen ins Ausland.

Egal ob in der westlichen Stadt Takoradi, an der Küste der Touristenstadt Cape Coast, in der Hauptstadt Accra oder etwas östlicher in Tema - überall ist bekannt, dass die großen Fischfrachter illegal in die Gewässer Ghanas eindringen. Geredet wird darüber aber nur leise.

Die lauten Stimmen verstummen schnell. Das musste auch Jerome erfahren: Er verlor seinen Job, ein hohen Posten im regionalen Fischereirat, weil er sich kritisch über den ungleichen Kampf äußerte. Denn gegen die riesigen Industriefrachter sind die bananenförmigen Holzkanus der Einheimischen konkurrenzlos: In Flotten und mit hochentwickelter Fangtechnologie screenen die Trawler das Meer, spüren ganze Fischschwärme auf, fangen und verarbeiten bis zu 250 Tonnen am Tag. Eine Masse, die ein einfacher Fischer im ganzen Leben nicht erreicht.

Die Methoden sind nicht immer sauber: Licht an den Seitenrändern, das die Fische anzieht oder engmaschige Netze sorgen für den überreichen Fang. „Auch Jungfische werden so gefangen“, erklärt Kyei Kwadwo Yamoah von der Nichtregierungsorganisation „Friends of the Nation“ (FoN). „Diese kleinen Fische sind wertlos. Der Beifang wird direkt weggeworfen - aber wie entwickelt sich das Ökosystem ohne den Nachwuchs?“ Das brutalste Vorgehen sei aber das Paartrawlen: Zwei Frachter spannen ein Netz zwischen ihre Boote und saugen alles auf, was sich darin verfängt.

Im Gegenzug haben die Einheimischen damit begonnen, Dynamit zu verwenden. Durch die Explosion bleibt das langwierige Orten der Schwärme erspart und die toten Fischkörper werden per Hand von der Wasseroberfläche eingesammelt. Ein ungesundes Vorgehen, darüber sind sich auch die lokalen Fischer im Klaren. Aber man habe schließlich keine satellitengesteuerten Techniken wie die Konkurrenz.

„Unser Fischereisystem ist kollabiert. Die Preise sind enorm gestiegen. Oktopus und Rotbarsch gibt es gar nicht mehr und wenn, sind sie unbezahlbar“, sagt Jerome. „In den Häusern gibt es zum Abendessen fast immer nur Reis und nur mit Glück ein wenig Fisch.“ Dabei gilt Fisch im ganzen Land als Hauptquelle von tierischen Eiweißen.

Um Auseinandersetzungen zu stoppen, hat die Regierung Regeln eingeführt: Im Bereich von 30 Metern Meerestiefe und mindestens 15 Kilometern Breite dürfen nur die Holzkanus fischen. Jerome sowie Fischer aus Accra wissen aber, dass Trawler trotz des Verbots in diese Gebiete eindringen.

Die unter der Regierung stehende Fischereikommission bestreitet das: „Jeder Hochseefrachter ist mit einem Chip registriert und wir wissen genau, wo sie sich befinden. Die Marine gibt alles, um illegales Fischen einzudämmen“, so Daniel Awuku-Nyanteh. Der Fischereiaufsichtschef aus Takoradi weist darauf hin, dass es kaum ausländische Schiffe an Ghanas Küste gebe. Nur „Joint Ventures“ mit 75 Prozent ghanaischer Besatzung seien akzeptiert.

Dass die Bevölkerung dabei leer ausgeht und als Folge Kriminalität, Drogenmissbrauch und Prostitution drastisch gestiegen sind, scheint die Behörden kaum zu interessieren. Die einstige Fischfangnation Ghana ist nun abhängig von anderen Ländern: 50 Prozent des Fischbedarfs werden importiert. Experten glauben, dass die Zukunft von Ghanas Fischereisektor nur noch in künstlich angelegten Aquakulturen liegen kann. (dpa)