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Lebt ein Wolf bei Wilsdruff?

Anwohner wollen ein Tier zwischen Merbitz und Podemus gesehen haben. Doch Experten bleiben vorsichtig.

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© Patrick Pleul/dpa

Von Annechristin Bonß

Wilsdruff. Max Ringel ist sich ganz sicher. Das, was er in einem Feld zwischen Merbitz und Podemus gesehen hat, war ein Wolf. Früh, gegen 8.20 Uhr, war er unterwegs gewesen. Mit dem Auto fuhr der Student auf der Merbitzer Straße. Entlang des Weges wächst derzeit der Weizen. Im Augenwinkel hatte er eine Bewegung bemerkt, dann den Kopf und den Rumpf des Tieres gesehen. „Das muss ein Wolf sein“, hat er sich sofort gedacht.

Diese Spur hat Max Ringel auf dem Feld an der Merbitzer Straße fotografiert.
Diese Spur hat Max Ringel auf dem Feld an der Merbitzer Straße fotografiert. © privat

Mit dieser Entdeckung am vergangenen Wochenende ist der Merbitzer nicht allein. Auch zwei weitere Anwohner wollen das Tier nur wenige Minuten später gesehen haben. Sie beobachteten den Wolf auf der Podemuser Hauptstraße. Dort soll er direkt vor dem Auto hergelaufen und später über den Pennricher Weg entschwunden sein. „Leider konnte ich auf die Schnelle keine Fotos machen“, sagt Max Ringel.

Trotzdem konnte er seine Begegnung vom Morgen nicht vergessen. Mit dem Zollstock machte er sich am Nachmittag erneut auf den Weg zum Feld. Dort hat er die Spuren gefunden. Keine sieben Zentimeter misst die Tatze, die das Tier im matschigen Untergrund zurückgelassen hat. Dicht beieinander sind die Spuren.

Philipp Burk hat sich die Fotos angesehen. Der Jäger für den Bereich Steinbach bei Moritzburg hat jedes Jahr mit Wölfen zu tun. Immer wieder begegnet er den Tieren, wenn er im Wald unterwegs ist. Überrascht wäre er nicht, wenn es nun auch im Dresdner Westen einen Wolf geben würde. „Die Spuren lassen auf einen jungen Wolf oder eine Wölfin schließen“, sagt er. Das Trittsiegel sei eher klein. Vielleicht war es ein Jungtier auf der „Durchreise“. Wölfe legen unheimlich viele Kilometer am Tag zurück. Gut möglich also, dass der Merbitzer Wolf schon am Abend ganz woanders war.

Begeistert ist Philipp Burk nicht über die Sichtung. „Wölfe machen Schaden, die man nicht unbedingt sieht“, sagt er. So rotten sich Wildschweine zum Schutz in immer größeren Gruppen zusammen. Je größer die Rotte, umso größer der Schaden, den die Tiere anrichten können. Ein Problem, das die Bewohner im Dresdner Westen kennen. Schon lange gibt es hier Beschwerden über einen immer größer werdenden Wildschweinbestand. Die Tiere kommen auch der Autobahn sehr nah und werden dort zur Gefahr.

Bernhard Probst, Chef im Vorwerk Podemus, überlegt nicht lange, als er von der Sichtung hört. „Das wird schon ein Wolf gewesen sein“, sagt er. Nur fünf Kilometer von seinem Hof in Kaufbach war 2013 ein gerissenes Reh gefunden worden – als Täter wurde damals ein Wolf vermutet. Ebenfalls vor fünf Jahren hielt sich ein Wolf ein paar Tage lang in der Umgebung von Obercarsdorf auf und riss dort nachweislich auch mehrere Schafe.

Das Kontaktbüro Wölfe in Sachsen, das die Ausbreitung der Tiere im Freistaat beobachtet, spricht von einzelnen Wolfssichtungen westlich von Dresden, die allerdings nicht auf ein dauerhaftes Wolfsvorkommen hindeuteten. Im unmittelbaren Umfeld von Dresden gebe es kein Wolfsrudel. Bei den Tieren handelt es sich also um Einzelgänger.

Was die nun entdeckte Fußspur angeht, will sich Andrzej Krysztofinski nicht so schnell auf einen Wolf festlegen. Er ist Jagdpächter rund um den Ortsteil Weixdorf. „Eine Sichtung oder eine einzelne Fußspur allein reichen nicht aus, um hundert Prozent sicher zu sein“, sagt er. Um mit absoluter Sicherheit auf einen Wolf zu schließen, bräuchten Experten schon eine mehrere Hundert Meter lange Spur oder ein Bild aus einer Fotofalle. Die Spur von Wölfe zeigt einen relativ schmalen Abstand der Pfoten. Auch Huskies machen eine solche Spur.

Möglich sei es jedoch trotzdem, dass es einen Wolf im Dresdner Westen gibt, sagt er. Im vergangenen Jahr wurde erstmals auf Dresdner Stadtgebiet ein Wolf gesichtet. Das Beweisbild kam aus einer Fotofalle. Dem weiblichen Jungtier fehlte die linke vordere Pfote. An dieses signifikante Zeichen erinnerten sich auch andere Spaziergänger. Die hatten den Jungwolf in Ottendorf-Okrilla und am Roten Graben bei Schönborn gesichtet. Aufgewachsen war die junge Wölfin in einem Rudel in der Lausitzer Heide. Später war sie in Richtung Dresden gezogen, wohl auch, weil sie hier schneller Futter fand. Ihr Schicksal endete an der Fischhausstraße. Dort wurde sie im November überfahren.

Andrzej Krysztofinski kennt noch mehr Sichtungen in Dresden. Er begegnete im November einem Wolf in der Dresdner Heide. Eine Kollegin habe zudem eins der Tiere nahe dem Gewerbegebiet Promigberg in Weixdorf gesichtet, als es Rehen hinterherrannte. „Im Stadtgebiet gibt es jede Menge Rehwild“, sagt Andrzej Krysztofinski. Gut möglich, dass davon auch Wölfe angezogen werden. Dass auch die Wildschweinplage die Wölfe anzieht, hält er für weniger wahrscheinlich.