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Leben nach dem Kraftwerk

18 Jahre nach der Schließung des Giganten hat sich das Gewerbegebiet Hagenwerder gemausert. Trotzdem ist noch Platz.

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© Pawel Sosnowski/80studio.net

Von Daniela Pfeiffer

Die Menschen hatten Tränen in den Augen. Die Vattenfaller standen auf der Brücke und verkündeten das Ende des Kraftwerks. 18 Jahre ist das her, doch Gerd Rösel und Winfried Pfeiffer haben die Bilder vor Augen als wäre es gestern gewesen. Beide Männer sind mit dem Gewerbegebiet Hagenwerder untrennbar verbunden. Heute wie damals.

Eine Stadt für sich: Das einstige Kraftwerksgelände, von dem heute nur noch drei, vier Gebäude stehen. Das letzte große – das Maschinenhaus (rechts im Bild) – wird im Dezember gesprengt.
Eine Stadt für sich: Das einstige Kraftwerksgelände, von dem heute nur noch drei, vier Gebäude stehen. Das letzte große – das Maschinenhaus (rechts im Bild) – wird im Dezember gesprengt. © Pawel Sosnowski/80studio.net

Beide Herren haben im Kraftwerk gearbeitet, beide sind nach der Schließung am 28. Dezember 1997 da geblieben. Der Eine, Winfried Pfeiffer, als Leiter vom KSC Kraftwerks-Service Cottbus Anlagenbau, dessen Niederlassung in Hagenwerder die erste Ansiedlung im neu entstehenden Gewerbegebiet war.

Denn eines war von Anfang an klar: Das unglaublich große Gelände, das das Kraftwerk einst einnahm, soll wieder mit Leben erfüllt werden. Daran glaubte auch der andere Herr: Gerd Rösel, der im schnell gegründeten Zweckverband zur Entwicklung des Industrie- und Gewerbegebietes Hagenwerder seit der ersten Stunde mitarbeitete. Hatte er einst im Block die Nachrichtentechnik überwacht, war es jetzt sein Job, eine neue Struktur ins Gelände zu bringen. „Die alte war voll und ganz auf das Kraftwerk ausgerichtet“, sagt Rösel.

90 Prozent des Geländes war mit unzähligen Gebäuden verbaut, es gab keine öffentliche Straße. „Wenn wir neue Unternehmen ansiedeln wollten, mussten wir das ändern: neue Straßen bauen, Medien verlegen.“ Das würde nicht allzu lang dauern, war damals die einhellige Meinung. Drei, vielleicht fünf Jahre, dann hätte Hagenwerder wieder ein belebtes Gewerbegebiet.

Ein fataler Irrtum. „Wir mussten uns den Tatsachen stellen“, so Gerd Rösel. Allein die Erfassung aller Medien, aller Eigentümer am Rande des Gebietes, dauerte Jahre. Winfried Pfeiffer hat den Frust nach der anfänglichen Euphorie, etwas Neues aufzubauen, in Erinnerung: „Wir dachten nicht, wie schwierig es ist, Unternehmen anzusiedeln.“ Denn die Nachfrage war enorm. Massen von Firmen fragten bei der Stadt an, die Wenigsten blieben.

Ein Hauptproblem war stets die schlechte Anbindung an die Autobahn. Zudem war der Wettbewerb groß, Gewerbegebiete entstanden damals überall. Dass mit den ganz großen Investitionen nicht zu rechnen ist, war bald klar. Auch, dass das Kraftwerk nie zu ersetzen ist. Immerhin hatten hier einst 3 500 Leute einen Job, mit den 3 000, die im Tagebau beschäftigt waren, haben bei Hagenwerder 6 000 Menschen gearbeitet.

Dimensionen, die heute undenkbar sind und die für das Gewerbegebiet auch nicht mehr vorgesehen waren. Mandy Kriese, die heute seitens der Stadt für die Vermarktung des Gebietes zuständig ist, sagt: „Es ist als kleines Gewerbegebiet gedacht. Mit großen Ansiedlungen hätte ich Bauchschmerzen. Ein kleines, kontinuierliches Wachstum ist besser.“ Genau das ist heute der Fall. Nach 18 Jahren sagen Winfried Pfeiffer und Gerd Rösel, der mittlerweile in Altersteilzeit ist: Jetzt fruchten die jahrelangen Bemühungen. Inzwischen ist ein kleines Ansiedlungsgeflecht entstanden von etwa 10 bis 14 Betrieben. Diesen geht es teilweise so gut, dass sie sich immer wieder erweitern.

Der KSC ist ein Paradebeispiel dafür, wie der Übergang von einem der vielen kleinen Gewerke, die rund um das Kraftwerk angesiedelt waren, ins Industriegeschäft schaffte und sich lösen konnte. Elf Millionen Euro wurden hier in den vergangenen Jahren investiert. 60 Mitarbeiter arbeiten in Hagenwerder fest, mit Leiharbeitern sind es etwa 130. Das Unternehmen liefert heute viel an Bombardier und Siemens.

Neben KSC dürfte auch die Schweizer Firma Skan AG eine der größeren Erfolgsgeschichten schreiben. Erst vor knapp zwei Jahren angesiedelt, ist schon eine neue Halle im Bau. Auch die Landestalsperrenverwaltung, die hier die Flussmeisterei Görlitz betreibt, hat Großes vor: ein Hochwasserschutzlager will sie errichten.

Doch trotz der Erfolge und 300 schon geschaffener Arbeitsplätze kann hinter das Gewerbegebiet noch kein Häkchen gesetzt werden. Immer noch sind große Flächen frei. Aber die Anfragen reißen auch nicht ab. Eine pro Woche gibt es mindestens, sagt Mandy Kriese. Eine Teilfläche ist auch gerade wieder verkauft worden. An wen, soll noch geheim bleiben.

Der MDR berichtet in seinem Magazin „Lexi TV“ am 5. Oktober, um 15 Uhr, über die Entwicklung des Gewerbegebietes Hagenwerder.