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Lawalder Arztpraxis bleibt zu

Medizinerin Annette Dutschke praktiziert nur noch in Schönbach. Dort hat sie etwas, was es in Lawalde nicht gibt.

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© Rafael Sampedro

Von Marcus Scholz

Der gelbe Anstrich des kleinen Häuschens im Lawalder Ortskern funkelt im Sonnenlicht. Eigentlich hätte dort, direkt neben dem alten Gemeindeamt und gegenüber von Blumenladen und Konsum Anfang November ein Geburtstag gefeiert werden sollen. Doch leider ist das Geburtstagskind nicht zur Feier erschienen.

Am 1. November 1985 ist es gewesen, als die Schönbacher Medizinerin Annette Dutschke in dem kleinen Haus ihre Zweitpraxis eröffnet hat. Nach mehr als 30 Jahren des Pendelns zwischen Schönbach und Lawalde hat Frau Dutschke Ende Oktober die Zweigstelle aber wieder geschlossen. „Die Entscheidung habe ich mir nicht leicht gemacht und auch nicht von heute auf morgen gefällt“, sagt sie. Fast ihr halbes Leben hat die 61-Jährige in Lawalde praktiziert und ihren Patienten bei Wehwehchen geholfen. Weil das zuletzt immer stressiger geworden ist, hat die Medizinerin schließlich die Reißleine gezogen. Schuld daran waren aber nicht ihre Patienten, sondern die in Lawalde fehlende Internetanbindung und das schlechte Mobilfunknetz.

Der technische Fortschritt macht auch vor einer Ärztin nicht halt. Abrechnungen oder Befunde per E-Mail zu verschicken, oder auf ihrem Handy bei Notfällen immer erreichbar zu sein, ist für Frau Dutschke in Lawalde bis zuletzt nicht möglich gewesen. „Alles passiert nur noch online“, sagt die Medizinerin. Um immer auf den neuesten Stand zu bleiben und ihre Zweitpraxis erhalten zu können, hat die 61-Jährige jahrelang Zusatzschichten geschoben. Befunde von Patienten habe sie stets in Lawalde zwischenspeichern und erst abends, nach der Arbeit, in ihrer Schönbacher Praxis an Krankenkassen übermitteln können. Zudem habe es immer Stunden gedauert, bis sie auf ihrem Computer Systeme und Programme aktualisieren konnte. Das hat Zeit und Nerven gekostet. „Ich bin doch Arzt und kein Informatiker“, sagt Frau Dutschke. Den Stress der vergangenen Jahre will sie sich nun nicht mehr antun.

Die Schönbacherin habe zuvor aber nichts unversucht gelassen und Möglichkeiten abgeklopft, doch noch an schnelles Internet für ihre Lawalder Praxis zu kommen. „Ich habe mir natürlich Infos eingeholt“, sagt sie. Dabei sei ihr eine Standleitung für eine mittlere dreistellige Summe angeboten worden – pro Monat versteht sich. Eine wirkliche Option sei das nicht gewesen. Sie hofft nun, dass ihre Lawalder Patienten Verständnis für den unumstößlichen Entschluss aufbringen werden. „Lieber mache ich fünf Nachtdienste am Stück, als noch einmal diesen Aufwand zu leisten“, so Annette Dutschke.

Damit ihre Patienten auch in Zukunft eine Anlaufstation haben, hat die Medizinerin die Sprechzeiten in Schönbach erweitert. All jenen ohne Auto empfiehlt Frau Dutschke, den Bus von Lawalde nach Schönbach zu nehmen. Dreimal am Tag gebe es dazu die Möglichkeit – jeweils morgens, mittags und zum späten Nachmittag. Angst davor zu haben, den Bus nach Hause wegen langer Wartezeiten zu verpassen, bräuchte niemand haben. „Wir würden die Behandlungen entsprechend eintakten“, sagt die Medizinerin. Und sollte es doch mal etwas länger dauern, gibt es ja noch den Praxisservice. „Wenn es doch mal Verzögerungen gibt, schafft meine Mitarbeiterin auch mal einen Patienten nach Hause“, so Frau Dutschke.

Die Schließung der Lawalder Praxis ist derweil kein Vorbote auf ihren Ruhestand. Davon will die 61-Jährige noch nichts wissen. „Man weiß nie, was in fünf Jahren ist. Ich will aber noch nicht aufhören“, sagt Annette Dutschke. Der abfallende Stress durch den Wegfall der Zweitpraxis hilft dabei. Nicht mehr über den Berg von Schönbach nach Lawalde zu fahren, fühle sich dennoch komisch an. Vor allem sonntags: „Da bin ich immer nach Lawalde gefahren und hab die Heizung aufgedreht, damit es am Montag warm ist“, sagt sie.

Was in Zukunft mit dem kleinen Häuschen passiert, ist derweil noch unklar. „Wir schauen uns erst einmal an, was man machen könnte“, so Lawaldes Bürgermeisterin Nadja Kneschke (parteilos). Die Entscheidung von Frau Dutschke könne sie derweil nachvollziehen, aber nicht ändern. Ändern wird sich außerdem auch nichts in Sachen Lawalder Breitbandversorgung. Um das voranzutreiben, hat die Bürgermeisterin jüngst von der Enso eine Analyse erstellen lassen – mit wenig Erfolg. „Unser Ort ist zu klein und hat zu wenig Anschlüsse“, so Frau Kneschke, die nun auf Informationen vom Landkreis Görlitz warten will.