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Lautlos durch das Viertel

Zwischen Mickten und Kaditz fährt seit gestern der erste Elektro-Bus Sachsens. Eine Begegnung mit dem Leisetreter.

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© André Wirsig

Von Tobias Wolf

Nur ein leises Lüftergeräusch und die Reifen sind zu hören, als der Bus heranrauscht. Zentimetergenau kommt der Wagen an der Bordkante der Haltestelle Dreyßigplatz zum Stehen. Robert Stolzenbach ist erleichtert: die erste Runde mit dem neuen Elektrobus der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) zwischen Mickten und Kaditz ist geschafft. Seit gestern Mittag ist die Linie 79 die erste rein elektrisch betriebene Sachsens. 70 Fahrgäste finden darin Platz, sowie Kinderwagen und Rollstühle.

„Es ist schon sehr gewöhnungsbedürftig, einen E-Bus zu fahren“, sagt Stolzenbach. Am Irritierendsten sei es, dass er als Fahrer keine typischen Busgeräusche wie den Motor mehr erlebe. Stattdessen höre man nun eher die Lüftungsanlage und Windgeräusche. Trotz der Leisetreterwirkung lauert an den Rädern des Busses geballte Kraft. Rund 270 PS leisten die beiden Elektromotoren, die direkt in der Hinterachse verbaut sind. Sie bringen so viel Kraft auf die Straße, dass der Bus bis zu einer Geschwindigkeit von 20 Kilometern pro Stunde gedrosselt werden musste, damit er nicht zu schnell, sondern fahrgastfreundliche anfährt, erklärt Stolzenbach. Eigentlich könne man mit dem schweren Bus fast jeden Pkw an der Kreuzung stehen lassen lassen, so der 31-Jährige.

Straßenbahn lädt Busbatterien

Nach dem Einsatz des Fraunhofer-Elektrobusses auf der Linie 61 starten die DVB mit dem Quartiersbus Mickten-Kaditz nun ihr zweites großes Projekt zum Verkehr der Zukunft – als rein elektrisch betriebene Linie, die im 20-Minutentakt fährt.

890 000 Euro geben die Verkehrsbetriebe in den nächsten drei Jahren dafür aus. Darin enthalten sind der Bus des polnischen Herstellers Solaris und zwei Ladestationen: eine im Betriebshof Trachenberge und eine am Micktener Dreyßigplatz. Letztere nutzt besonders umweltfreundlichen Strom aus dem Netz der Straßenbahnen. Denn der entsteht beim Bremsen der Bahnen praktisch kostenfrei und kann in die Ladestation des Busses eingespeist werden, erklärt DVB-Vorstand Reiner Zieschank. Allerdings muss der Bus dafür genau in dem Moment seinen Ladebügel ausgefahren haben, indem eine Bahn in Mickten ankommt. Maximal vier Minuten Ladezeit stehen dem Busfahrer dort bei jedem Halt zur Verfügung, bevor er wieder auf die Strecke geht. Das soll ausreichen, um eine Tagesfahrleistung von rund 300 Kilometern abzusichern – inklusive Belüftung im Sommer und Heizung im Winter.

Über Nacht wird der Bus im Betriebshof Trachenberge wieder komplett aufgeladen. Bei einer Testfahrt habe er die Strecke von Dresden ins Kirnitzschtal und zurück geschafft, ohne dass die Batteriekapazität sich dem Ende geneigt hat, so Zieschank. Für den Notfall steht sicherheitshalber immer ein VW-Transporter mit mobilem Ladegerät bereit. Auch wenn der Bus während der Fahrt bremst, wird die Batterie nachgeladen. Die Passagiere können auf einem speziellen Bildschirm im Inneren verfolgen, in welche Richtung gerade Strom fließt. Insgesamt 5 Akkus sind in dem Zwölfmeterwagen verbaut. Die TU Dresden hat diese gekauft und will ihre Leistungsfähigkeit in den nächsten drei Jahren erforschen und das E-Bus-Projekt wissenschaftlich begleiten. 680 000 Euro kostet das noch einmal auf Uni-Seite. Für Professor Bernard Bäker sind elektrifizierte Stadtbusse der Schlüssel für die urbane Mobilität der Zukunft. Insgesamt 18 Hybridbusse, die mit Strom und Diesel betrieben werden, sind bereits im Einsatz für die DVB.

Mit rund 200 000 Euro kostet ein herkömmlicher Dieselbus weniger als die Hälfte des neuen Elektromodells. Dafür ist der teure Niederflurbus beim Energieverbrauch um einiges effizienter als die fossil angetriebenen Artgenossen. „Pro Kilometer braucht der E-Bus nur rund ein Drittel bis die Hälfte der Energie eines normalen Busses mit Verbrennungsmotor“, sagt DVB-Fuhrparkleiter Robert Roch. Über längere Zeit rechne sich der E-Bus also.

Die in öffentlichen Nahverkehrsprojekten eingesetzten E-Busse könnten irgendwann Pate für eine Elektrifizierung des Straßenverkehrs stehen. So rechnete Veit Steinle aus dem Bundesverkehrsministerium bei der Eröffnung der neuen E-Linie 79 gestern vor, dass ein Austausch der gesamten Fahrzeugflotte von 45 Millionen Autos in Deutschland über einen 15-Jahres-Zeitraum erfolgen könnte: Denn rund drei Millionen Autos werden pro Jahr verkauft. Das dürfte aber eine Musik sein, die weit in der Zukunft spielt.