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Laufen für die Seele

Die Fehltage aufgrund von psychischen Krankheiten sinken. Trotzdem bleiben diese noch Tabuthemen.

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© André Braun

Von Maria Fricke

Mittelsachsen. Fast elf Prozent der Tage, an denen sich Arbeitnehmer in Mittelsachsen krankschreiben lassen, beruhen auf Diagnosen im Bereich der Psyche. Das besagen die aktuellen Daten des Gesundheitsreports der Krankenkasse DAK für 2016. Auf 100 Versicherte betrachtet, fehlten diese an 191 Tagen wegen psychischer Probleme.

Dass zahlreiche Menschen psychische Probleme haben, macht sich auch im Fachkrankenhaus Bethanien in Hochweitzschen bemerkbar. „Eine Menge Leute kommen schwer mit dem Leben zurecht. Sie geraten in eine Lebenskrise aufgrund der Arbeit oder einer persönlichen Situation“, so Dr. Rudolf Lehle, ärztlicher Direktor der Klinik. „Die Betroffenen kommen heute eher in die Psychiatrie, statt zum Pastor zu gehen“, sagt Lehle. Aus demografischen Gründen zugenommen habe auch der Anteil der Demenzpatienten. „Erhebliche Steigerungen spüren wir bei drogeninduzierten Störungen. Das kannten wir früher gar nicht“, so der Mediziner. Gleichbleibend sei die Zahl der Fälle von Schizophrenie, Psychosen sowie bipolaren Störungen.

Um den Betroffenen zu helfen, hat sich im Kreis ein weit verzweigtes Hilfssystem etabliert. Neben dem Fachkrankenhaus mit Tageskliniken in Döbeln und Freiberg stehen den Erkrankten drei Kontakt- und Beratungsstellen, fünf sozialtherapeutische Wohnstätten sowie drei Suchtberatungsstellen zur Verfügung. Fast 1,5 Millionen Euro gibt der Kreis pro Jahr für die Angebote aus. Für Suizidgefährdete und deren Angehörige haben Landratsamt und Klinik einen Flyer mit Notfallnummern zusammengestellt .

Der Lauf für psychische Gesundheit

Der Lauf für psychische Gesundheit startet am Freitag, 1. September, um 14 Uhr auf dem Sportplatz in Hochweitzschen.

Bis 16 Uhr können Teilnehmer über die Distanzen 400, 1200 und 2000 Meter laufen. Ab 17 Uhr ist ein Fachvortrag zum Thema Depression geplant.

Um Anmeldung für die Veranstaltung via Mail an [email protected] wird gebeten. Aus versicherungstechnischen Gründen sollten dabei Name, Vorname, Adresse, Telefonnummer, E-Mail-Adresse sowie gewünschte Laufdistanz angegeben werden.

Anmeldeschluss ist der 25. August. Es sind aber Nachmeldungen möglich.

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Nach aktuellsten Daten des Statistischen Landesamtes Sachsen gab es 2015 in Mittelsachsen 68 Suizide. Die zweithöchste Zahl nach Dresden. Deutschlandweit seien die Zahlen rückläufig. Im Kreis schwanken sie zwischen 58 und 62 pro Jahr. „Es ist eine Tendenz zu erkennen, dass viele Betroffene sich behandeln lassen“, sagt Rudolf Lehle. „Sie sind eher bereit, sich zu outen“, hat Matthias Gröll, der Psychiatriekoordinator des Kreises, festgestellt. Das zeigt Wirkung. Die psychischen Erkrankungen gehören nicht mehr zu den Top 3 der Erkrankungsarten des DAK-Gesundheitsreportes. Das heißt, immer weniger Menschen lassen sich aufgrund von Depressionen, Neurosen oder Angststörungen krankschreiben.

„Aber der Zustand ist noch nicht zufriedenstellend. Grund dafür ist die noch immer fehlende Anerkennung der Krankheiten“, ergänzt Gröll. „Das Fremde, die Unerklärbarkeit – davor schrecken die Leute zurück“, begründet Rudolf Lehle die Ausgrenzung der Betroffenen. „Eine Fraktur wird eher akzeptiert“, ergänzt Gröll. „Zu viele gehen auf Abstand zu psychisch Kranken. Aber das ist genau der falsche Weg“, betont Michael Veihelmann, der theologische Geschäftsführer des Krankenhauses. Denn jeden könne jederzeit eine psychische Erkrankung treffen, betont Lehle.

Um den Mittelsachsen die Berührungsängste zu nehmen, wird am 1. September zu einem Lauf für psychische Gesundheit auf dem Sportplatz des SV Medizin Hochweitzschen aufgerufen. „Holger Mimel vom Sportverein konnten wir sofort als Sponsor gewinnen“, freut sich Matthias Gröll. Auch das Fachkrankenhaus wirkt an der Organisation des Laufes mit. Das Landratsamt greift damit eine Idee auf, die sich in Großstädten wie Dresden schon etabliert hat. Dort gibt es den Lauf gegen Depression, organisiert vom Aktionsbündnis.

Auf Depressionen wollten sich die Initiatoren des hiesigen Laufes nicht beschränken. Mit dem Titel „Lauf für psychische Gesundheit“ wollten sie zudem einen positiven Aspekt einbringen. Zu der Veranstaltung eingeladen sind neben Betroffenen und Angehörigen alle, die an dem Thema oder Sport interessiert sind oder einfach anfeuern wollen. Eine Zeiterfassung oder Bewertung der Leistung ist nicht vorgesehen. Die Bewegung und der Gedankenaustausch der Teilnehmer sollen im Vordergrund stehen, erklärt der zweite Beigeordnete Jörg Höllmüller.

Bewegung spiele auch in der Behandlung der Betroffenen eine Rolle, so Rudolf Lehle. Unter Anleitung von Therapeuten können Patienten der Klinik fast täglich sportlich aktiv werden. Auch in den Tageskliniken sind Physiotherapeuten im Einsatz, die zu Bewegung animieren. Seit mehr als 100 Jahren gehört eine Kegelbahn zu der Klinik, die auch von Patienten genutzt wird. „Psychische Erkrankungen führen oft zu Bewegungsmangel. Sich zu bewegen, bedarf bei den Betroffenen häufig eines Antriebs von außen“, sagt Lehle. Die Bewegung tue auch der Seele gut.