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Laubenpieper im Exil

Die Gartensparte Sonnenland jenseits der Kreisgrenze wird überwiegend von Riesaern bevölkert. Was zieht sie dorthin?

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© Axel Kaminski

Von Axel Kaminski

Riesa. Auf halber Strecke zwischen Riesa und Oschatz liegt Bornitz. Während mancher Riesaer noch nie in diesen Ort gekommen sein dürfte, verbringen andere Bewohner der Sportstadt große Teile ihrer Freizeit rund zwei Kilometer hinter der Kreisgrenze. Davon zeugen auffällig viele Autos mit den Kennzeichen RIE, RG und MEI, die am Rande der Wadewitzer Straße gegenüber der Gartensparte „Sonnenland“ parken. Mittlerweile ist sogar der Vorsitzende dieses Kleingartenvereines ein Riesaer. Nach dem Tod seines Vorgängers Witlof Krause übernahm Detlef Näser vor zwei Jahren die Verantwortung für die 44 Parzellen und 35 Pächter.

Er kam durch Mundpropaganda auf seiner Scholle nach Bornitz. Er habe über zwei Ecken erfahren, dass jemand einen Garten abgeben wolle. Rudolf Schwandtke, ebenfalls ein Riesaer, hatte von einem Bornitzer Arbeitskollegen im Stahlwerk von den freien Gärten gehört. Inzwischen bewirtschaftet er schon fast 40 Jahre seine Parzelle. Er hatte eigentlich in Riesa einen Garten gesucht und fast auch gefunden. Allerdings überstieg der Kaufpreis für Laube und Inventar damals das Budget – schließlich musste kurz zuvor der neue Trabant bezahlt werden. Den Namen „Sonnenland“ habe er bei der Gründung der Sparte ins Gespräch gebracht, so Rudolf Schwandtke.

Weniger Regen im „Sonnenland“?

Wegen des „Lee-Effektes“ des Collm habe man hier oft besseres Wetter als nebenan, wo man weniger von diesem „Regenschatten“ profitiere.

Jürgen Käseberg ist im Nachbarort Canitz aufgewachsen. Auf das Bornitzer Bodenreformland, auf dem er seinen Garten hat, ist er durch eine Erbschaft gekommen. Als der Riesaer eine Parzelle suchte, um bei der Gartenarbeit an die frische Luft zu kommen, sich mit selbst angebautem Obst und Gemüse zu versorgen und zu entspannen, war es ein Ding der Unmöglichkeit, in der damaligen Kreisstadt einen Garten zu bekommen.

Dabei gab es zu jener Zeit in Riesa rund 50 Kleingartenanlagen. Wer seine eigenen Beete auf kurzem Weg erreichen konnte, hatte Glück. Wenn das nicht möglich war, nahm man eben weitere Strecken in Kauf. Wenn es sein musste, über die Kreisgrenze hinaus. In Bornitz hingegen hatten mehr und mehr Einheimische in den 1970er Jahren kein Interesse an der Nutzung ihres Bodenreformlandes. So entstand eher ungeplant die Gartensparte „Sonnenland“.

„Die Eigentumsverhältnisse bei dieser Gartenanlage sind spannend“, erläutert der Liebschützberger Bürgermeister David Schmidt (parteilos). Ein Teil gehöre der Kommune, andere Flächen seien als ehemaliges Bodenreformland in Privathand. In der täglichen Praxis bereitet das aber weder dem Verein noch der Gemeindeverwaltung Kopfschmerzen. „Der Verein hat eine Satzung und die zählt“, betont David Schmidt. Das funktioniere gut.

In den Alltag der Kleingärtner müsse man sich nicht einmischen, also nicht regeln, wie hoch die Hecken sein müssen und wie mit dem Leerstand umgegangen werden muss. „Wir sind ein Verein ohne eigenes Gartenland“, sagt der Kleingartenchef Detlef Näser. Daher habe man lediglich die Pacht für die Wege von den Kleingärtnern einzufordern. Für die Gärten selbst ziehe die Kommune die Pacht ein oder eben die Grundsteuer für die privaten Flächen. Einen Trend hin zum Garten sieht Detlef Näser allerdings nicht. „Was die Pflege leerstehender Parzellen betrifft, sind wir jetzt am Rande unserer Möglichkeiten“, stellt der Vereinsvorsitzende fest. Derzeit müsse sich die Gemeinschaft um fünf Parzellen ohne Pächter kümmern.

Für ihn gibt es einen Grund, warum es immer noch Riesaer nach Bornitz zieht, obwohl Gärten in Riesa inzwischen sogar verschenkt werden: „Wir setzen das Bundeskleingartengesetz nicht so ungestüm um, wie das in manch anderer Sparte gehandhabt wird.“ Missstände räume man gemeinsam aus und nutze vor allem die Gelegenheit zur Veränderung, wenn Gärten übergeben werden.