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Langohren bleiben zu Hause

Kodersdorfer Kleintierzüchter reagieren auf Kaninchenseuche. Rund um Daubitz ist die Krankheit noch nicht ausgebrochen.

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© Jens Trenkler

Von Frank-Uwe Michel

Kodersdorf. So etwas hat es in Kodersdorf noch nicht gegeben, zumindest seit Lutz Golibrzuch zurückdenken kann. Vielen Kaninchenzüchtern im Ort seien in den vergangenen Wochen die Tiere fast unter den Händen weggestorben. „Früh hast du sie noch gefüttert, abends lagen sie tot in der Box. Wir sind machtlos und ziehen jetzt die Konsequenzen“, sagt der Vorsitzende des Kleintierzüchtervereins. Wenn am 4. und 5. November zur Vereinsschau in das Vereinsheim an der Torgaer Straße eingeladen wird, dann fehlen erstmals die Kaninchen. „Wir haben uns kurzfristig wegen der in unseren Ställen grassierenden Seuche dazu entschieden, auf die noch verbliebenen Tiere zu verzichten. Die Ansteckungsgefahr ist einfach zu groß.“ Wobei die Übertragungswege der Krankheit für die Kodersdorfer Züchter nicht ganz nachvollziehbar sind. „Bei dem einen hat es innerhalb kürzester Zeit sämtliche Kaninchen hinweggerafft, bei dem anderen - nur ein paar hundert Meter weiter - fühlen sie sich vollkommen wohl“, beschreibt Golibrzuch die Unsicherheit, mit der seine Züchterkollegen momentan leben müssen.

Die Tiere gegen die auch als Chinaseuche bekannte Krankheit zu schützen, ist nicht ganz einfach. „Natürlich ist Hygiene das A und O. Aber auch wer sich hier nichts zuschulden kommen lässt, muss mit Todesfällen rechnen“, weiß der Vereinschef. Denn das Virus komme quasi durch die Luft, es könne an Menschen, an Artgenossen, an Kleidungsstücken und auch am Futter - zum Beispiel an frischem Grünzeug - haften. „Am besten ist es deshalb, vorerst keine Besucher mehr in die Stallungen zu lassen.“

In den vergangenen Jahren hatten die Kodersdorfer Kaninchenzüchter keine Probleme mit der Chinaseuche. Die sogenannte RHD I (Rabbit Haemorrhagic Disease) schlug immer wieder mal zu, wurde aber mit Impfungen wirksam bekämpft. Vor drei, vier Jahren trat an der französischen Grenze erstmals das Nachfolgevirus auf, das es als RHDV2 nun auch quer durch Deutschland bis zur polnischen Grenze geschafft hat. Ihm beizukommen ist nach Ansicht von Lutz Golibrzuch aktuell fast unmöglich. Zwar gibt es inzwischen Impfstoffe aus Deutschland, Frankreich und Spanien, von denen der deutsche Wirkstoff beide Varianten der Krankheit bekämpft. „All das ist aber erst im Kommen. Und das Impfen ist für uns Züchter ziemlich teuer“, erklärt der Vereinschef aus Kodersdorf. Nach Anfragen bei Tierärzten habe er von 20 Euro für eine Einzelimpfung erfahren. Kämen 50 Tiere zusammen, müsse man immer noch jeweils sechs Euro berappen. „Trotzdem kommen wir nicht daran vorbei. Wir haben hier sehr wertvolle Bestände, die sonst womöglich für immer verschwinden. Kleintierzucht ist auch ein Stück Genreserve, deshalb müssen wir uns mit allen Kräften gegen die Krankheit wehren.“ Tote Tiere solle man übrigens nicht einfach „verbuddeln“, sondern in wildtiersicherer Tiefe eingraben oder - noch besser - die Tierkadaverentsorgung informieren. Die ist telefonisch unter 035249/73 50 zu erreichen und für sämtliche Landkreise im Freistaat zuständig.

Auch wenn es dieses Mal also keine Kaninchen zu bestaunen gibt, ist die Kleintierschau im Vereinsheim an der Torgaer Straße durchaus sehenswert. In den Käfigen kann man jede Menge Gänse, Enten, Hühner und Zwerghühner entdecken. Geboten wird zudem eine große Kollektion verschiedener Taubenrassen. Doch vor allem beim Wassergeflügel und großen Hühnerrassen wirkt die im vergangenen Jahr wegen der Vogelgrippe verhängte Stallpflicht nach. „Drinnen hat die Befruchtung viel weniger gut oder erst spät funktioniert, deshalb fehlen uns viele Tiere. Puten haben wir zum Beispiel gar nicht in der Schau, die Jungen haben sich nicht schnell genug entwickelt“, erklärt Golibrzuch. Immerhin hat man aus der Not eine Tugend gemacht und präsentiert Tauben in größerer Vielfalt als sonst üblich. Zudem haben sich die Kleintierzüchter ein besonderes Schmeckerchen ausgedacht: In einer Dalmatiner-Show wird alles gezeigt, was genauso gescheckt ist wie die hübschen Hunde - Hühner, Tauben, auch zwei Zwergkaninchen im Dalmatiner-Look. „Die beiden werden aber die Ausnahme bleiben“, betont der Vereinschef. Die jüngsten Besucher dürfen sich auf ein mediales Highlight freuen: Passend zum Thema wird der Film „101 Dalmatiner“ gezeigt.

So schlimm wie in Kodersdorf wütet die Krankheit anderswo noch nicht. Kurt Baum vom Kleintierzüchterverein Daubitz und Umgebung hat bisher noch keine Probleme gehabt - aber von Zuchtfreunden gehört, dass es in den Kaninchenbeständen entlang der Neiße offenbar besonders viele Todesfälle gibt. Dies hat auch Raik Schulz erfahren. Der Vorsitzende des Daubitzer Vereins hat wie mehrere andere Züchter auf die Teilnahme an der Kreisschau am vergangenen Wochenende in Weißwasser verzichtet, um das Virus nicht in seine eigene Haltung einzuschleppen. Und er sinniert über die Gründe, warum es in seinem Verein bislang überhaupt keine Sterbefälle gibt, anderswo aber ganze Bestände ausgelöscht wurden. „Wir halten unsere Tiere alle in umbauten Räumen - also nicht im Freien, wo das Virus vielleicht noch leichteren Zugang hat.“ Auch Spinnweben spielen bei Schulz eine wichtige Rolle: „Ich lasse sie vor den Stalltüren hängen, darin fangen sich doch eine Menge Insekten, die sonst als Überträger infrage kämen.“ Und noch einen Trick verrät der erfahrene Züchter: Grünfutter verabreicht er niemals frisch, sondern lässt es ein paar Stunden liegen. „Was ich abends haue, gebe ich erst am nächsten Morgen in den Stall. Dann haben sich Fliegen, Käfer und Würmer längst verzogen.“ Auch zusätzlichem Kraftfutter vertraut er nicht. „Solange keiner genau weiß, wie die Viren zu den Kaninchen gelangen, möchte ich jedes Risiko vermeiden.“

Geöffnet ist die Kleintierschau in der Torgaer Straße 18b am Sonnabend und Sonntag von 9 bis 17 Uhr.