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Lange warten auf den Dauerjob

In der Wissenschaft sind befristete Stellen normal. Das spüren auch die Einrichtungen im Kreis Görlitz. Doch es tut sich was.

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© Nikolai Schmidt

Von Irmela Hennig

Landkreis. Stephan Lesch und Sebastian Rick haben sie – die eher seltene Festanstellung im wissenschaftlichen Bereich. Der 31-Jährige aus Bad Muskau und der 34-Jährige aus Schwedt sind damit zwei von 65 im Senckenberg-Museum für Naturkunde in Görlitz. Ihre Aufgabe ist es, die Datenbank für Bodentiere zu entwickeln und zu betreuen. Seit 2010 sind die beiden im Museum tätig. Erst im Rahmen ihrer Masterarbeit, dann zweimal mit befristeten Stellen. Zuvor hatten sie in Görlitz Informatik studiert. Stefan Lesch und Sebastian Rick sind gern hier geblieben und haben sich gefreut, als ihre Jobs dieses Jahr zu Dauerstellen wurden. Die beiden Informatiker zu ersetzen wäre aber auch schwierig, denn für ihren Bereich sind sie längst echte Spezialisten.

Etwas weniger als die Hälfte der 135 Senckenberg-Mitarbeiter haben eine unbefristete Festanstellung. Viele Jobs sind zeitlich begrenzt, werden über die sogenannten Drittmittel finanziert. Das sind zum Beispiel Fördergelder oder Stiftungszuschüsse im Rahmen von Projekten. Das Traditionshaus in Görlitz hat Doktoranden und Post-Docs, Volontäre, Studenten, arbeitet auch mit freien Kräften zusammen.

Das ist üblich an Hochschulen und in der öffentlichen Forschung und wird gedeckt durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Danach können wissenschaftliche Mitarbeiter an einer deutschen Hochschule zwölf Jahre befristet angestellt werden. In der Privatwirtschaft ist es schwieriger, Arbeitsverträge lange zu befristen.

2017 konnte Professor Willi Xylander, Leiter des Görlitzer Senckenbergmuseums, die Stellen von Lesch und Rick „verstetigen“, wie er erklärt. Seit 2009 sei ihm das in insgesamt zehn Fällen möglich gewesen. Für mehr fehle das Geld. Allerdings ist es auch nicht unüblich, dass junge Wissenschaftler lange auf den ersten Dauerjob warten – vor allem im öffentlichen Dienst. Willi Xylander hat dies selbst erlebt.

Und Biologe Karsten Wesche, Abteilungsleiter für Botanik bei Senckenberg, weiß aus eigener Erfahrung: Wissenschaftler schaffen es kaum vor dem 35. bis 40. Lebensjahr in eine Dauerstelle. Längere Auslandsaufenthalte und befristete Jobs haben zunächst 14 Jahre lang seine Berufsbiografie geprägt. Karsten Wesche sieht den Wechsel zu verschiedenen Stellen und Einrichtungen auch positiv. „So werden Ideen transportiert.“ Zudem solle sich nicht eine bestimmte Denkrichtung an einem Haus manifestieren. Dauerhafte Jobs in der Forschung – die könnte auch die Privatwirtschaft bieten. Doch in der Oberlausitz ist die eher vom Mittelstand geprägt, der Forschung und Entwicklung allein nur schwer stemmen kann, weiß Winfried Rosenberg vom Bundesverband mittelständischer Wirtschaft. „Und wenn sich die Unternehmen dafür Partner in Konzernen oder an Hochschulen suchen, landen die Patente oft bei diesen.“ Forschungsförderung durch den Staat, gerade beim Mittelstand, sei viel zu kompliziert. Rosenberg würde es begrüßen, wenn es eine steuerliche Begünstigung gibt für Firmen, die Mitarbeiter in diesem Sektor einstellen. „Die Frage ist doch, wie werden wir innovativer? Die Antwort – über Mitarbeiter.“ Um die bangen gerade Unternehmen derzeit eher in der Ober- und Niederlausitz. Gerade um die Leistungsträger, weiß Klaus Aha, Geschäftsführer der Wirtschaftsinitiative Lausitz mit Sitz in Cottbus. Denn gute Leute seien schnell weg und nicht leicht zu locken.

Für das Görlitzer Senckenberg-Museum sei es indes kein Problem, gute Mitarbeiter zu bekommen. „Aber, wenn wir unsere Stellen in Hamburg ausschreiben würden, wäre der Bewerberandrang größer“, sagt Karsten Wesche. An der Hochschule Zittau/Görlitz gibt es 490 hauptberuflich Beschäftigte. 115 von ihnen sind Professoren. Viele Mitarbeiter sind in der Verwaltung.