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Lange Haftstrafe für Autoschieber

Ein Hehler lieferte sich mit der Polizei eine Verfolgungsjagd von Dreistern über Bloaschütz und Prischwitz bis nach Panschwitz-Kuckau. Seine Ausreden ließ der Richter nicht gelten.

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© Rico Löb

von Stefan Schramm

Die Ereignisse des 10. Juli 2014 werden die Polizeibeamten der Gemeinsamen Fahndungsgruppe Bautzen nicht so schnell vergessen. Mit einem Autoschieber lieferten sie sich eine wilde Verfolgungsjagd von Dreistern über Bloaschütz und Prischwitz bis nach Panschwitz-Kuckau. Jetzt stand der seither in U-Haft sitzende Alexandras V., ein 55-jähriger gelernter Kraftfahrer, der in Litauen lebt, aber staatenlos ist, vor Gericht. Die Liste der angeklagten Taten hatte es in sich: Hehlerei, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, vorsätzliche Körperverletzung und mehrfacher Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte.

„Wir hatten das Auto nachmittags bei Ottendorf-Okrilla festgestellt. Bei der Überprüfung stellte sich heraus, dass es am Vortag in den Niederlanden als gestohlen gemeldet worden war“, sagte ein Beamter als Zeuge im Amtsgericht Bautzen aus. Also verfolgten die Polizisten den Toyota Verso mit holländischen Kennzeichen unauffällig mit einem Zivilfahrzeug, um den Fahrer zwischen Bautzen-West und -Ost zu stellen. Zur allgemeinen Überraschung verließ er aber in Salzenforst die Autobahn. „Eventuell hatte er ein Begleitfahrzeug, aus dem er den Tipp bekam, dass die Polizei auf der Strecke ist“, vermutet der Beamte.

Polizist verletzt

Der Autoschieber fuhr zum Kreisverkehr Dreistern, machte dort eine 180-Grad-Wendung zurück in Richtung A 4 und hielt dann in der Einfahrt zum Gewerbegebiet – wohl, um sein Navigationsgerät neu einzustellen. Diese unverhoffte Gelegenheit wollten die mittlerweile mit zwei Autos folgenden Fahnder nutzen. Sie hielten neben dem verdächtigen Wagen, setzten die blaue Rundumleuchte aufs Dach. Einer riss die Autotür auf, packte den verdutzten Autoschieber und versuchte, ihn herauszuziehen. Doch der legte den Rückwärtsgang ein, fuhr wieder auf die Straße und gab dann so richtig Gas. Der zunächst von der Fahrertür mitgerissene Polizist fiel auf den Boden. Er trug eine Schulterprellung und Schürfwunden davon, rannte zu seinem Auto zurück und nahm die Verfolgung auf.

Was dann folgte, hatte es wirklich in sich: Der 55-Jährige bog noch vor der Autobahn links in Richtung Kamenz ab und raste mit Tempo 160 auf der Staatsstraße 100 durch Bloaschütz. In der Rechtskurve nach der langen Geraden überholte er in haarsträubender Manier einen Sattelzug. Seine Verfolger verloren ihn aus dem Blickfeld, doch statt bei der nächsten Gelegenheit abzubiegen, donnerte er weiter geradeaus. Hinter Prischwitz holten ihn die stärker motorisierten Einsatzwagen wieder ein.

Mit 180 Sachen über die Landstraße

Doch Alexandras V. bretterte weiter mit bis zu 180 Sachen über die Landstraße und durch die Dörfer, schnitt die Kurven wie auf einer Rennstrecke. Plötzlich vollzieht er ohne Grund eine Vollbremsung. „Das ist die übliche Vorgehensweise. Der Dieb will, dass wir auffahren, damit unser Airbag auslöst und wir ihm nicht weiter folgen“, erklärt der Beamte im Zeugenstand. Tatsächlich krachte das zivile Polizeiauto ins Heck, doch die wilde Hatz ging weiter. In Siebitz wollte er mit vollem Karacho nach links zur A 4 nach Uhyst abbiegen, doch ein an der Kreuzung wartendes Auto eines Unbeteiligten verhinderte das. Bei Schweinerden warf er sein Handy aus dem Fenster.

Kurz danach kam es in Panschwitz-Kuckau zum Finale. Eine junge Frau konnte mit ihrem fünf Monate alten Kind im Auto dem auf ihrer Spur entgegenkommenden Raser im letzten Moment noch in eine Bushaltebucht ausweichen. Als ihm danach ein abbiegender Golf in die Quere kam, legte er eine Vollbremsung hin, wurde erneut von dem Polizeiwagen gerammt, geriet ins Schlingern und krachte in eine Hecke. Da er sich ans Lenkrad klammerte, waren vier Polizisten nötig, um ihn festzunehmen.

Verfolgungsjagd ein absolutes Highlight

In dem Toyota entdeckten die Ermittler zwei Klappmesser, Diebstahlwerkzeug und Bargeldbeträge in Euro und polnischen Zloty zum Tanken. „In meinen acht Jahren bei der Autobahnpolizei war das ein absolutes Highlight“, sagte ein Beamter im Gericht, das sich das im Polizeiauto gedrehte Video der Verfolgungsjagd als Beweis anschaute. Am Einsatzwagen waren 13 000 Euro Schaden zu beklagen, weitere 1 300 Euro schlugen wegen beschädigter Bäume und Verkehrszeichen zu Buche. Der Angeklagte tischte dem Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Dr. Dirk Hertle auf, er habe gutgläubig das Auto von Rotterdam nach Breslau überführen wollen, wofür ihm ein Job in Holland versprochen worden sei.

„Ihre Ausreden sind lächerlich“, so der Richter. Der verurteilte den Mann, der 17 Jahre in sowjetischer bzw. litauischer Haft verbracht hat, zu drei Jahren und sechs Monaten Knast für seinen Höllenritt. Zudem erhielt er fünf Jahre Führerscheinsperre.