Von Ulrike Keller
Radebeul/Coswig. Was sich im August 2002 ereignet, ist selbst für die ältesten Einwohner Radebeuls und Coswigs unvorstellbar. Das bislang schlimmste Hochwasser gab es 1845, es ist nur noch aus Erzählungen bekannt. Keiner weiß aus eigenem Erleben, wohin überall sich die Elbe ausbreitete, als sie im März 1845 auf 8,77 Meter anschwoll.
Dieser Höchststand soll diesmal noch übertroffen werden. Doch eine Vorbereitung ist kaum möglich. Einzelne kommen auf die Idee, Unterlagen zum Jahrhunderthochwasser im Stadtarchiv zu suchen. Diese geben wertvolle Informationen zu den Überschwemmungsschwerpunkten von einst. Auch die Feuerwehr wird später damit arbeiten. Das Schlimmste lässt sich dennoch nicht verhindern.
Am Nachmittag des 13. August ruft der Landkreis Meißen Katastrophenalarm aus. Am Abend erreicht der Pegel 7,25 Meter. Normal sind etwa zwei Meter.
Was zum Flutschutz seit 2002 bis heute geschah
Das Wasser steigt. Darum müssen am 14. August auch die Arbeiten am Damm in Altkötzschenbroda aufgegeben werden. Tags darauf läuft er in der Frühe über. Zudem bricht der aufgeschüttete Deich in Fürstenhain. Die Wassermassen vereinnahmen den Ort. Rechtzeitig hat die Feuerwehr mit Evakuierungen begonnen.
Auch in Coswig ist die Lage der elbnahen Ortsteile mittlerweile ernst. Die Dresdner Straße zwischen Brockwitz und Meißen ist weitgehend überflutet, die Brockwitzer Niederseite im Wasser eingeschlossen. Am 15. August fällt zum Teil der Strom aus. Einige Bereiche von Sörnewitz sind ohne Elektrizität und Trinkwasser. Dennoch zögern viele Einwohner, ihr Haus zu verlassen. Schließlich werden jedoch alle aufgefordert, in Notquartiere auszuweichen.
In Brockwitz darf lediglich das etwas höher gelegene Pfarrhaus bewohnt bleiben, erinnert sich Pfarrer Matthias Quentin. Dort steht das Wasser „nur“ einen halben Meter im Erdgeschoss, in dem sich Gemeinderäume befinden. Familie Quentin kann sich in ihrer Wohnung im ersten Stock aufhalten. Allerdings muss sie mit dem Schlauchboot ans Festland fahren, um Toiletten und Duschen zu nutzen.
In Radebeul ist am 16. August der aufwendig sanierte historische Dorfanger in Altkötzschenbroda nicht mehr trocken zu halten. Als er kurz vor 3 Uhr morgens vollzulaufen beginnt, beträgt der Pegel 8,77 Meter. Kurz nach acht müssen die ersten Anwohner Altkö verlassen. Da steht die Elbe bei 8,96 Metern. Die Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks bewegen sich im Paddelboot fort. Auch für Kontrollen, die nun regelmäßig erfolgen.
Inzwischen steht Fürstenhain vollständig unter Wasser. Das Gleiche gilt beispielsweise für Altserkowitz. Abends sind die Elbwiesen im Bereich Naundorf bis zur Planeta beziehungsweise dem Vierruthenweg überschwemmt. Zudem hat die Elbe unter anderem Teile der Uferstraße, die Festwiese sowie einen alten Elbarm mit Kötzschenbrodaer Straße, Friedhofstraße, Spitzhausstraße und Dresdner Straße erobert.
Die Coswiger Innenstadt gleicht einer bebauten Teichlandschaft, die Straßenbahnsenke einem Kanal. Grund ist die überquellende Kanalisation nach dem Ausfall des Pumpwerks Kötitz.
Am 17. August erreicht die Elbe um 8 Uhr ihren Höchststand von 9,40 Meter. Am späten Vormittag bahnt sich in Radebeul das Wasser in Höhe Bernhard-Voß-Straße unter dem Eisenbahndamm den Weg. Auch in der Unterführung Hainstraße/ Neue Straße verteilt sich die Elbe wadenhoch. Die Feuerwehr beantragt zum Schutz die Sperrung der Eisenbahnstrecke.
Der Pegel beginnt langsam zu sinken. Dennoch werden durch aufsteigendes Grundwasser oder hochdrückendes Abwasser weitere Stellen überschwemmt. Die aufgeschütteten Dämme an Verzinkerei und Vierruthenweg erweisen sich als stabil. Auch der Damm zwischen Brockwitz und Sörnewitz hält.
Am 18. August geht der Pegel in großen Schritten zurück. Abends ist der Dorfanger in Radebeul-Altkö wieder frei. Keine 24 Stunden später hebt das Landratsamt den Katastrophenalarm für den Landkreis auf.
Doch was das Jahrhundertereignis angerichtet hat, ist immens. In Radebeul verursacht es Schäden von etwa 40 Millionen Euro. Allein 17 Millionen Euro entfallen auf Gebäude und Privathaushalte. 6 500 Bürger sind betroffen. Bei 154 Häusern erreicht das Wasser den Wohnbereich. 39 Gewerbeimmobilien werden beeinträchtigt. Außerdem hinterlässt die Flut Reparaturbedarf auf gut zwei Kilometern Straße.
Die Stadt Coswig kostet die Flut nach heutiger Bilanz etwa 11,3 Millionen Euro. Diese Summe fiel an, um die beschädigten Einrichtungen und die in Mitleidenschaft gezogene Infrastruktur zu sanieren. Den 104 betroffenen Privathaushalten ist rund 5,5 Millionen Euro Schaden entstanden. Bei den Unternehmen wird er auf circa 3,3 Millionen Euro beziffert.