Merken

Land unter in Kamenz

Die Kamenzer Wehr war im Dauereinsatz. Wetterfachleute sprechen vom schlimmsten Unwetter seit Jahren.

Teilen
Folgen
NEU!
© Rico Löb

Von Reiner Hanke

Schwarze Wolken, Blitze, Donnerkrachen, Hagel und sintflutartiger Regen: Gegen 15.45 Uhr schien der Himmel über dem Kamenzer Raum bersten zu wollen. Kübelweise prasselte der Hagel vom Himmel. Autos mussten anhalten, weil die Scheibenwischer überfordert waren. Um diese Zeit begann auch der Großeinsatz für die Retter, insbesondere im Zentrum des Unwetters, in Kamenz. Meteorologe Jens Tischer aus Kamenz-Lückersdorf spricht für Kamenz sogar vom schwersten Unwetter seit Jahren. Dort rückten alle Ortsfeuerwehren aus sowie die aus dem benachbarten Biehla, Brauna und Schönteichen. Gemeindewehrleiter Volker Lutterberg: „Gegen Dreiviertel vier ging los mit Gewitter und Hagel“. 32 Einsätze mit 65 Kameraden zählte Lutherberg bis gegen 21 Uhr, als das letzte Feuerwehrauto wieder einrückte. In der Zeit liefen vor allem die rund 20 Pumpen auf Hochtouren, um Wasser aus vollgelaufenen Kellern zu saugen. Damit hatten die Feuerwehrleute am meisten zu tun. Zwischen wenigen Zentimetern und anderthalb Metern stand das Wasser in Kellern und Garagen. Dabei waren insbesondere die Weinbergstraße, die Goethestraße und die Hohe Straße betroffen. Auf der Weinbergstraße brach der Kanal in der Straße ein.

Bilder vom Unwetter in Kamenz

Bäume fallen um

Die Weinbergstraße ist deshalb noch immer gesperrt. In Kamenz Ost und im Bereich Elsteraue strömte das Wasser von den Feldern in Keller und Garageneinfahrten. Hier kam kaum ein Anwohner ohne Schäden davon. Die Kettensäge mussten die Feuerwehrleute ebenfalls anwerfen. So zum Beispiel am Jesauer Feldweg. Dort war ein Baum infolge von Sturm und Regen umgefallen. Ein weiterer Baum kam auf dem Gelände des Amtsgerichtes in Kamenz ins Wanken. Der lehnt jetzt noch am Gebäude und soll heute weggeräumt werden. Die Feuerwehrleute sicherten den Bereich mit einem Bauzaun ab. Die Polizei war ebenso an den Brennpunkten unterwegs. So gingen erhebliche Gefahren von überfluteten Straßen und entwurzelten Bäumen aus, erklärt Uwe Seeger von der Polizeidirektion in Görlitz. Das Unwetter setzte sogar Ampeln und Schrankenanlagen außer Betrieb. So war die Schranke in Gelenau am Bahnübergang defekt.

In Gelenau sorgten auch Hagelkörner zeitweise für eine geschlossene Decke, ebenso in Kamenz im Bereich Brauerei-Teich, Lindenterrasse, bis Deutschbaselitz. „Die Korngröße betrug meist zwei bis drei Zentimeter und verschonte damit Autos“, so Jens Tischer. Aufgebaut hatte sich das Unwetter nach seinen Informationen gegen 15 Uhr im Raum Gersdorf und „schlüpfte durch die Talzunge um Gelenau“, so Tischer. Bodenwind habe dann die heiße Luft am Hennersdorfer Berg aufsteigen lassen und die Gewitterzelle versorgt.

Leitstelle braucht mehr Personal

In der Hoyerswerdaer Rettungsleitstelle glühten unterdessen die Telefone. Lagedienstleiter Lutz Strehlitz: „Wir mussten die Leitstelle mit Personal aufstocken, um die Aufgaben bewältigen zu können.“ Über 100 Einsätze innerhalb von sechs Stunden bis in die Region Weißwasser waren zu koordinieren. Davon 30 Einsätze wegen Sturmschäden, insbesondere wegen umgefallener Bäume oder Äste in Stromleitungen. Von Verletzten infolge des Unwetters war gestern in der Leitstelle nichts bekannt. Von Kamenz zog das Unwetter dann auch Richtung Panschwitz-Kuckau und Rosenthal. Dort sei es nicht mehr ganz so schlimm gewesen, schätzt die Rettungsleitstelle ein. Vereinzelt sei auch Radeberg betroffen gewesen. So kippte in der Bierstadt laut Polizei „Am Feldhaus“ ein Baum auf zwei parkende Fahrzeuge. Während das Unwetter vor allem über Kamenz wie festgenagelt hing, blieben andere Regionen – auch in der Nachbarschaft – weitgehend von Schäden verschont. So rückte die Feuerwehr in Großröhrsdorf gar nicht wegen des Gewitters aus, ließ Wehrleiter Pirschel wissen. Wie eng begrenzt solche Unwetter sind, zeige sich in den Niederschlagswerten, so Jens Tischer. In Pulsnitz, Elstra, Cunnersdorf fielen nur drei Millimeter, in Lückersdorf Oberdorf 16 Millimeter. Aber in Kamenz selbst fielen laut Radarauswertung um 50 Millimeter Regen in kürzester Zeit. Die Schwarze Elster schwoll auf einen Pegel von 121 Zentimetern an (Stufe 3), zuvor durch die Trockenheit waren es nur 21 Zentimeter. Für Feuerwehrchef Lutterberg steht das Gewitter vom Sonnabend in einer Reihe mit ähnlichen Einsätzen seit 2010. Aus dem Jahr ist die Schlammlawine noch in Erinnerung. Fast jedes Jahr habe es jetzt so ein Unwetter gegeben. Volker Lutterberg schätzt ein: „Aber das vom Sonnabend war schon eine große Nummer.“