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Inselstaaten rufen um Hilfe

Klimawandel als Gewalttat: Wenn Politiker aus kleinen Inselstaaten sprechen, nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Kein Wunder - ihr Zuhause ist von der Erderwärmung unmittelbar bedroht.

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© dpa

Martina Herzog

Paris. Als Claude Emelee als letzter ans Rednerpult der Pariser Klimakonferenz tritt, haben die Mächtigen der Welt längst gesprochen. Doch gerade der stellvertretende Premier des kleinen Inselstaates Vanuatu fand Worte wie kaum jemand vor ihm: „Wann und wo können wir als führende Politiker unseren Völkern sagen, dass dieses (...) Leiden, dieser schiere Irrsinn, diese Klima-Gräuel enden?“, fragt er.

Emelee ist ein Vertreter jener kleinen Inselstaaten, die der Klimawandel am frühesten und drastischsten treffen wird. Ein Anstieg der Meeresspiegel um einen Meter bis 2100 ist laut Weltklimarat durchaus möglich. Damit wäre ein Drittel der Einwohner dieser Staaten in Gefahr, warnt das UN-Umweltprogramm (Unep).

Das wirtschaftliche und politische Gewicht der „Kleinen“ auf der Weltbühne mag begrenzt sein - doch als Symbol der traurigen Folgen des Klimawandels haben sie längst mächtige Unterstützer. So sieht Alden Meyer von der US-amerikanischen Vereinigung besorgter Wissenschafter eine Änderung der politischen Wetterlage bei dem Thema.

US-Präsident Barack Obama, unter anderem auf Hawaii und in Indonesien aufgewachsen, stellt sich mit den Worten „Ich bin ein Inseljunge“ demonstrativ an ihre Seite. Sein Land will 30 Millionen US-Dollar (rund 28 Millionen Euro) zu einer Versicherung gegen Folgen des Klimawandels beitragen. Und er warnt: „Wenn sich das Muster des Wetters ändert, könnten wir mit Dutzenden Millionen Klimaflüchtlingen umgehen müssen.“

Wie viele Menschen bisher durch den Klimawandel insgesamt vertrieben worden sind, ist schwer einzuschätzen, erklärt Mariam Traore Chazalnoel von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Klar sei aber: „27 Millionen Menschen werden jedes Jahr durch Katastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel vertrieben - das ist ein Mensch pro Sekunde.“ Die Zahl beziehe sich aber nur auf Vertriebene innerhalb ihres jeweiligen Heimatlandes. Hinzu komme: „Millionen mehr leben an Orten, die unbewohnbar werden durch die Auswirkungen des Klimawandels: zu heiß, zu kalt, zu nass oder zu trocken.“

Für die Bewohner der Inseln Kiribati, Tuvalu und Nauru sind die Auswirkungen der Erderwärmung bereits heute spürbar. Bei einer aktuellen Befragung unter Beteiligung der UN-Universität gab ein Großteil der Haushalte an, Auswirkungen wie heftige Stürme, Überflutungen, steigende Meeresspiegel, Versalzung des Süßwassers, Dürre oder unregelmäßige Regenfälle bereits festzustellen. Viele sehen Umzug oder Abwanderung als Antwort, falls sich die Lage verschlechtert - aber wohin sollen sie auf Dauer? In Kiribati und Tuvalu ist ein Umzug innerhalb des Landes keine Lösung, meinen die Autoren der Studie. Die Hauptstädte seien bereits heute hoffnungslos überbevölkert.

Sam Cossar-Gilbert von der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth International fordert mehr Geld für die Anpassung an den Klimawandel. Wenn man sich die augenblicklichen Verhandlungen anschaue, drohten viele Menschen in der Pazifikregion ihr Heim zu verlieren. „Wir sehen nicht genug Aufmerksamkeit für Leute, die wegen des Klimawandels zur Migration gezwungen sind - das ist nicht wirklich auf der Tagesordnung.“

Der Klimavertrag, der bis Ende nächster Woche entstehen soll, muss aus Sicht der kleinen Inselstaaten ausreichend Geld zum Ausgleich für Klimaschäden vorsehen, insbesondere für kleine Inselstaaten. Doch gerade auf die Forderung nach solchen Entscheidungsansprüchen reagieren die Industriestaaten eher kühl.

Hinzu kommt: Eine Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter sei „völlig unzureichend“, wie AOSIS, die Vereinigung der Staaten, in einer Vorlage für die Konferenz unterstrich. Mehr als 1,5 Grad dürften es nicht sein.

Politiker Emelee will noch einiges mehr: Ein Moratorium für fossile Brennstoffe und neue Kohlekraftwerke, außerdem die rasche Stilllegung bestehender Anlagen. „Vanuatu hat keine Alternative“, sagt er. „Was die Profiteure dieser Erde dem Volk von Vanuatu antun, ist tragisch, inakzeptabel und moralisch falsch.“ (dpa)