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Lässt Aue wieder in Dresden die Korken knallen?

Die spezielle Konstellation vor dem Sachsenderby: Dynamo will Meister werden, der FC Erzgebirge aufsteigen.

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© Ronald Bonß

Von Sven Geisler

Als wäre dieses Sachsenderby an sich nicht schon brisant genug, Michael Hefele spricht sogar von einem „Hassduell“. Dynamos Kapitän fängt sich dafür einen bösen Seitenblick vom Trainer ein. Uwe Neuhaus mag solches Vokabular nicht. „Das ist nicht meine Art“, meint der 56-Jährige. „Die Sprüche vorher kann jeder machen, aber sie helfen keinem.“

Dresden gegen Aue, das war einst ein Duell David gegen Goliath. Das ist es eigentlich heute noch, wenn man die Größe und Strahlkraft der Städte vergleicht. Hier die Landeshauptstadt mit fast 550 000 Einwohnern, dort die Lößnitztal-Gemeinde, in der nur noch knapp 17 000 Menschen leben. Trotzdem ist es eine Begegnung auf Augenhöhe, und man muss sagen: wieder. Denn vor 13 Jahren war der kleine Erzgebirgsklub sportlich am achtfachen DDR-Meister vorbeigezogen.

Ausgerechnet im Rudolf-Harbig-Stadion feierten die Veilchen 2003 ihren ersten Aufstieg in die 2. Fußball-Bundesliga, allerdings nicht gegen Dynamo, sondern den Dresdner SC. Dem kam die Party gerade recht, schließlich bescherten mehr als 7 000 Fans aus Aue eine volle Kasse; insgesamt sahen 7 380 Zuschauer den 4:1-Sieg der Mannschaft in Lila und Weiß.

Um Prestige und Stolz

Diesmal sind die Vorzeichen völlig andere, obwohl wieder eine Feier ansteht. Mindestens. Aber diesmal hat Aue definitiv kein Heimspiel in Dresden, diesmal spielt Dynamo. Das DDV-Stadion ist mit rund 29 500 Zuschauern ausverkauft, die Gäste haben ihr Kontingent von 2 500 Tickets ausgeschöpft. Die Konstellation ist speziell. Dynamo möchte die Drittliga-Meisterschaft perfekt machen, wozu rechnerisch ein Unentschieden reicht. Darauf zu spielen, ist natürlich keine Option. „Wir haben eine breite Brust, wir werden gewinnen“, legt sich Hefele ins Zeug. „Es geht um Prestige und um Stolz.“

Nicht nur. Es geht auch um den Aufstieg – für Aue. Bei einem Sieg in Dresden wäre der FC Erzgebirge sicher durch, wenn Würzburg in Cottbus nicht gewinnt. Ein Remis reicht, wenn Energie gegen die Kickers gewinnt. Sollten die Veilchen verlieren, könnte der Kampf um Platz zwei noch mal spannend werden.

Neuhaus legt sich trotzdem fest: „Egal, wie dieses Spiel ausgeht, sie werden der zweite Aufsteiger sein.“ Damit war zu Saisonbeginn nicht unbedingt zu rechnen. Nach dem Abstieg musste Aue um Kapitän, Torwart und Identifikationsfigur Martin Männel mit dem neuen Chefcoach Pavel Dotchev eine komplett neue Mannschaft aufbauen. „Das ist nicht so einfach“, meint Neuhaus, der es seinem Trainer-Freund allerdings zugetraut hat. „Sie haben sich kontinuierlich gesteigert, die Probleme vor dem gegnerischen Tor überwunden. Und sie spielen seit Wochen in fast der gleichen Formation.“

Wie gut die harmoniert, hat Dynamo bei der 0:3-Schlappe im Sachsenpokal zu spüren bekommen. Die Bilder von feiernden Gästen hat Hefele noch vor Augen. „Das tat schon ziemlich weh, zu sehen, wie die hier gejubelt haben“, meint der künftige England-Legionär. „Deshalb möchte ich mir nicht ausmalen, wenn die hier aufsteigen sollten.“ Aus Aue stichelt Verteidiger Steve Breitkreuz via Morgenpost: „Für Dynamo wäre es ja fast schon ein Skandal, wenn wir dort aufsteigen …“

Dabei gäbe es sogar eine Möglichkeit, dass beide ihr Ziel erreichen, nämlich bei einem Unentschieden. Dynamo hätte zwei Spiele vor Schluss weiter uneinholbare acht Punkte Vorsprung auf den FC Erzgebirge, der wäre gleichzeitig aufgestiegen, wenn die Würzburger in Cottbus verlieren. Derjenige, der vor der Saison beim Deutschen Fußball-Bund den Spielplan ausgearbeitet hat, muss schon hellseherische Fähigkeiten haben, um eine solche Dramatik zu planen.

Das müsse ein ganz Schlauer gewesen sein, vermutet Neuhaus. Gerade weil Dynamo mit dem Aufstieg die selbst auferlegte Pflicht bereits erfüllt hat, könne es hilfreich sein, nun nicht nur gegen Mannschaften zu spielen, die tabellarisch jenseits von Gut und Böse sind. Wirklich nötig sei diese extra Motivation aber nicht. „Ich glaube, das hätten wir auch so hingekriegt“, meint der Coach.

Die Hoffnung, die wohl in Aue kursiert, Dynamo könnte es ein wenig schleifen lassen, sei absolut unbegründet. Das betont Kampfansager Hefele. „Wir werden alles in die Waagschale werfen, werden kämpfen, kratzen, beißen“, bemüht der 25-Jährige die Floskeln, die eigentlich im Tabellenkeller gebraucht werden. Immerhin fügt er hinzu: „Und fußballerisch gut spielen.“

Vielleicht hilft es, die heiße Luft abzulassen, wenn vor dem Anstoß mit einer Schweigeminute an den Dynamo-Fan erinnert wird, der vorige Woche im Stadion einen Herzstillstand erlitten hatte und später im Krankenhaus gestorben ist. Beide Mannschaften tragen Trauerflor – ein gemeinsames Zeichen, dass es viel Wichtigeres gibt als ein Sachsenderby.

Dynamo fehlen Janis Blaswich (Adduktoren), Pascal Testroet (Sehnenentzündung in der Ferse) und Andreas Lambertz (Grippe).

Dynamos voraussichtliche Aufstellung: Wiegers – Kreuzer, Modica, Hefele, Fa. Müller – Aosman, Hartmann, Moll – Eilers, Kutschke, Stefaniak.