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„Lärm gefährdet den Luftkurort“

Der starke Straßenverkehr ist für Dr. Elke Wällnitz ein Kernproblem Weinböhlas. Das möchte sie lösen.

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Am 7. Juni wählen die Weinböhlaer ihren neuen Bürgermeister. Die SZ stellt die Kandidaten vor dem Urnengang vor. Heute sagt Dr. Elke Wällnitz (parteilos/BiW), wie es mit dem Zentralgasthof weiter geht, wie der Lärm im Ort verringert werden kann und warum sie Chefin im Rathaus werden will.

Frau Dr. Wällnitz, Sie wollten das Interview am Wartturm führen. Wieso?

Der Wartturm ist für mich ein Sinnbild von Weinböhla, das für den Erholungsort steht. Schon vor über 100 Jahren war die Gemeinde ein Luftkurort. Für mich ist es ein wichtiges Ziel, dass der Status Erholungsort erhalten bleibt.

Ist der Titel Erholungsort aus Ihrer Sicht in Gefahr?

Wir erfüllen einen Großteil der Kriterien, haben viele kulturelle Angebote, Hotels und Gaststätten gibt es auch. Der Titel ist wichtig, er zieht viele Touristen an, die Handel und Gewerbe im Ort stärken. Aber das Problem ist der steigende Lärm im Ort – durch die Bahn und den Straßenverkehr. Steigt der Lärmpegel weiter, kann die Gemeinde den Titel verlieren. Als Bürgermeisterin möchte ich mich daher darum kümmern, dass das nicht passiert. Weil auch die hohen mit dem Titel verbundenen Standards die Attraktivität unseres Ortes längerfristig sichern.

Sie engagieren sich bereits in der Bürgerinitiative Bahnemission Elbtal, sind auch Mitglied in der Sächsischen Allianz gegen Verkehrslärm. Welche Möglichkeiten sehen Sie, den Lärm zu verringern?

Als parteiunabhängige Kandidatin bin ich nicht an Parteiprogramme gebunden und sehe da verschiedene Möglichkeiten, etwas zu erreichen. Ich möchte beispielsweise mit Landtags- und Bundestagsabgeordneten sprechen und sie ins Boot holen, um die gesetzlichen Grundlagen anzupassen. Das Problem besteht ja darin, dass die Bahn die gesetzlichen Vorgaben erfüllt. Als nächster Schritt muss Weinböhla in die Prioritätenliste des Eisenbahnbundesamtes aufgenommen werden, damit die Bahn hier etwas gegen den Lärm unternimmt. Ich denke, als Bürgermeisterin hätte ich die Möglichkeiten, da etwas zu tun und auch die Bürgerinitiativen intensiv zu unterstützen.

Daran haben sich schon viele Politiker und Bürgermeister versucht. Wieso sollte es gerade Ihnen gelingen, schnell etwas gegen den Lärm zu unternehmen?

Schnell ist schwierig. Um solche Probleme zu lösen, braucht es Konzepte und Strategien. Das habe ich bei meiner bisherigen Arbeit insbesondere als Referentin und Vorsitzende des Personalrates im Sächsischen Bildungsinstitut gelernt. Aber wenn in Coswig eine Mini-Lärmschutzwand gebaut wird, wieso soll es für Weinböhla nicht auch möglich sein? Mein Ziel ist es, Weinböhla in die Prioritätenlisten für die freiwillige Lärmsanierung durch die Bahn zu bringen. Ich weiß, dass das nicht übermorgen passieren wird. Aber ich möchte, dass man in Weinböhla auch nachts mit offenem Fenster schlafen kann. Dafür muss sich aber nicht nur beim Bahnlärm etwas tun, sondern auch beim Straßenverkehrslärm. Auf der Hauptstraße gibt es beispielsweise große Probleme mit dem zunehmenden Lkw-Verkehr. Da muss man als Gemeinde intelligente Lösungen finden, etwa durch Fußgängerüberwege oder Tempotafeln, um den Verkehr zu beruhigen. Generelle Sperrungen bringen nichts. Dann verlagern sich die Probleme nur auf andere Straßen. Weinböhla braucht ein Verkehrskonzept.

Sie sind parteilose Kandidatin der parteiunabhängigen Wählervereinigung Bürgerinitiative Weinböhla (BiW). Woher wissen die Bürger, was sie von Ihnen erwarten können?

Ich möchte gemeinsam mit dem Gemeinderat Strategien zur Weiterentwicklung der Gemeinde erarbeiten. Dabei ist mir die Einbeziehung interessierter Bürger wichtig. Das braucht mehr Transparenz und vor allem Informationen. Eine regelmäßige Bürgersprechstunde sollte Standard sein. Weinböhla hat eine leistungsstarke Gemeindeverwaltung, aber ich sehe noch Möglichkeiten, das Rathaus zum Dienstleister auszubauen: um Vereinen und Händler beispielsweise Wege aufzuzeigen, wie man an Fördermittel gelangt. Und auch Bürgerbefragungen und Einwohnerversammlungen möchte ich regelmäßig organisieren. Sollte ich gewählt werden, würde ich als Erstes eine Einwohnerversammlung zum Thema Asylunterbringung einberufen. Im Heim wohnen derzeit 118 Flüchtlinge und es gibt viele Gerüchte im Ort, wo noch überall neue Heime entstehen sollen. Diesen Gerüchten möchte ich durch sachliche Informationen entgegentreten.

Würden Sie als Bürgermeisterin mehr Asylbewerber in Weinböhla aufnehmen?

Das kann ich so nicht beantworten, da mir grundlegende Informationen fehlen. Zunächst wäre eine Unterbringung insbesondere von Familien in Wohnungen für mich wünschenswert, auch wenn es nur wenige Mietwohnungen in Weinböhla gibt. Für die Integration der Asylbewerber wäre das jedoch sinnvoller. Ob Weinböhla die Kapazität hat, mehr aufzunehmen? Da müsste man zuerst mit dem Landkreis ins Gespräch kommen.

Welche weiteren Probleme wollen Sie in Weinböhla angehen?

Der Zentralgasthof liegt mir noch am Herzen. Das ist ein Kleinod, welches ich als Zentrum des kulturellen und des Vereinslebens weiter entwickeln möchte. Ich könnte mir vorstellen, die Bibliothek dort unterzubringen und Platz für Vereine zu schaffen. Ausreichend Platz im Haus gibt es ja noch. Außerdem kann ich mir vorstellen, das Veranstaltungsangebot auszubauen.

Wie wollen Sie all das bezahlen?

Die Gemeinde steht finanziell gut da, hat nur noch wenige Schulden. Das ist der bisherigen Arbeit im Rathaus zu verdanken. Aber es genügt nicht, sich auf Erfolgen auszuruhen. Stillstand ist gefährlich. Ich weiß aus meiner bisherigen Arbeit, dass es viele Möglichkeiten gibt, Fördermittel zu beantragen. Außerdem kann man auch neue Fördermittelrichtlinien initiieren. Da gibt es nicht nur Möglichkeiten für die Gemeinde, sondern auch für die Vereine im Ort, an Gelder zu gelangen.

Sie sind die einzige Frau, die sich um das Bürgermeisteramt bewirbt ...

... und das ist schade. Ich hätte mir gewünscht, dass noch mehr Kandidatinnen antreten. Ich will keine Quotenfrau sein. Die Bürger müssen entscheiden, ob sie einer Frau den Job zutrauen. Ich sehe darin keinen Vorteil oder Nachteil. Entscheidend ist die Fachkompetenz und Persönlichkeit, nicht das Geschlecht oder das Alter.

Das Gespräch führte Philipp Siebert.