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Ladylike

Ein Mann, zwei Gesichter: Als Mel Kim ist er beim Tuntenball in Glanz und Glamour zu erleben.

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© PR

Von Nadja Laske

Nur ein Sternchen will Mel Kim nicht sein. Eins unter vielen am Himmel der Verkleidungskunst. Gut genug, um auf die Bühne gebeten zu werden, aber zu schlecht für den echten Durchbruch. Ein paar Jahre lang hatte der Travestiekünstler nach seinem Platz in der Branche gesucht, verliebt in die Verwandlung, das Varieté und die Vorstellung, jemand ganz anderes zu sein. Zumindest Letzteres könnte Mel Kim auch zu Hause erleben, in Clubs und auf Paraden. Doch einfach nur Frauenkleider zu tragen, auch das genügt ihm nicht.

Wo bliebe dann der Applaus? Das herrliche Gefühl, im Rampenlicht zu stehen, bewundert vom Publikum und umworben vom Veranstalter? Doch für genau diesen Erfolg braucht Mel echten Sternenstaub. Dass der ihm fehlt, bemerkt er nach ein paar Jahren Showgeschäft. Seine Kunst macht ihn nicht mehr glücklich, für ihn der Abschied von der Bühne.

Ein Vollzeitkünstler ist er sowieso nicht gewesen. Sein Geld verdient Mel in einem Beruf, der zwar Kreativität verlangt, aber mit Kunst nichts zu tun hat. In Chemnitz geboren und in der Sächsischen Schweiz aufgewachsen, wurde er zunächst Friseur, sein Traumberuf. Doch der vertrug sich mit Mels Gesundheit nicht, und der junge Mann fing noch einmal von vorn an. „Ich habe dann eine zweite Ausbildung abgeschlossen und bin Kaufmann für Bürokommunikation geworden“, erzählt er. Als solcher arbeitet er in leitender Position.

Kunst, Figur und Kulisse

Mehr mag er nicht preisgeben. Aus zwei Gründen: Anders als etliche Bühnenkollegen es pflegen, gehören Mel Kim und der Mann mit bürgerlichem Namen, den seine Kollegen kennen, zwei verschiedenen Welten an. Hier die schillernde Kunstfigur, dort der Mensch in Hemd und Jeans. Nie fiele es Mel Kim ein, ihr geschminktes Antlitz gegen sein Alltagsgesicht vor aller Augen zu tauschen.

Olaf Schubert bleibt auch Olaf Schubert, solange das Wunder im Pullunder im Scheinwerferlicht oder vor der Kamera steht. Vielleicht ist er eigentlich eine Frau, wer weiß? Atze Schröder ohne Lockenkopf und getönter Pilotenbrille? Gibt’s nicht. Aber um bei der Travestie zu bleiben: Wer hat jemals Olivia Jones oder Yvonne Parker ohne Perücke und Make up in der Öffentlichkeit gesehen? Diese Entscheidung trifft jeder Künstler individuell. Völlig frei jedoch nicht immer.

Die Gesellschaft spiele auf jeden Fall eine Rolle, gibt Mel Kim zu. Wie würde manch Kollege oder Vorgesetzte reagieren, wenn er von Mels künstlerischem Leben erführe? Darüber macht sich der Mann hinter dem perfekt geschminkten Gesicht Gedanken. Würden ihn alle so ernst nehmen, wie sie es im Job tun, wenn sie von den rund 100 Kleidern, all dem Kopfputz, dem Schmuck, den High Heels wüssten, die in Mels privatem Fundus lagern? Er will es nicht herausfordern. Und er hat ein Recht auf seinen eigenen Zauber. Kein Mann muss homo- oder bisexuell sein, um Freude daran zu haben, sich als Frau zu verkleiden. Mel Kim ist es. Auch eine sexuelle Vorliebe muss es nicht bedeuten, wenn Mann sich gern in Fummel und Stöckelschuhen sieht. Das italienische Wort travestire kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „verkleiden“. In Deutschland hießen Travestiekünstler zunächst „Damenimitatoren“ und ihre Auftritte „Damen-als-Herren-Shows“. Ab den 1970er-Jahren sorgten die großen Künstler der Travestie dafür, dass der leicht verdruckste Begriff verschwand.

Auch Mel Kim verschwand zunächst von der Bildfläche. Vielleicht würde er sich später einmal neu erfinden, das hielt er für möglich. Zum damaligen Zeitpunkt jedoch drehte sich für ihn seine Bühnenrolle im Kreis. „Es ging nicht mehr vor und nicht zurück. Ich brauchte eine Pause.“ Für Freunde und ehemalige Kollegen jedoch gingen weiterhin die Scheinwerfer an. Mel verlor den Kontakt zur Show-Welt nicht ganz, und als er 2011 bei einer Veranstaltung des Travestiekünstlers Jens Schmidt, bekannt als Tess Tiger, die Gäste-Garderobe betreute, traf es ihn wie ein Blitz: „Ich will wieder auf die Bühne.“

Comeback nach harter Arbeit

Von da an erarbeitete er zusammen mit seinem Lebenspartner, der auch sein Management führt, ein neues Rollenkonzept. Genau genommen wurde erst damals die Figur Mel Kim geboren. Sie zu werden, kostete viel Kraft und Ausdauer. „Ich habe Tanzunterricht bei Jan Schlüssler genommen. Er hat früher das erste Revue-Ballett der DDR geleitet und war ein sehr strenger Lehrer.“ So manches Mal habe er abends heulend auf dem Bett gesessen und gedacht: Ich kann nicht mehr, sagt Mel.

Aber er machte weiter und entwickelte eigene Shows mit Tanz, Gesang, Verwandlungskunst und Effekten, Überraschungen, die das Publikum liebt und wofür es Mel Kim inzwischen feiert. Das nächste Mal beim 4. Dresdner Tuntenball. Den veranstaltet Jens Schmidt mit, Tess Tiger, der Mel einst unbeabsichtigt zurück auf die Bühne geholt hatte und seitdem zusammen mit Miss Chantal unterstützt. Im Programm zu erleben sind außerdem Joy Peters und Voldo aus Wien, das Duo Ignis et Flamma und am späten Abend DJ Gussfehler. Tess Tiger und Tina Charel führen durch den Abend und küren mit großer Geste die Miss Tuntenball 2017.

Rund 300 Gäste sind angekündigt, nur etwa ein Viertel aus Dresden, das Gros aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Rund 70 Prozent sind Heteros“, sagt Veranstalter Jens Schmidt. Liebe zu Männern oder Frauen oder zu beiden, ganz egal. Wer auf dem Tuntenball tanzt, liebt den Zauber, den Glamour und den Glanz, schick auszugehen und eine Nacht lang die Verwandlung zu feiern.

Restkarten für den 4. Dresdner Tuntenball am 4. März (Einlass: 18.30 Uhr) im Quality Plaza Hotel, Lindengarten, gibt’s ab 29 Euro unter www.tuntenball-dresden.de