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Ladensterben auf dem Hirsch

Immer mehr Geschäfte müssen schließen. Jetzt verabschiedet sich noch eins. Am Donnerstag diskutierten die Anwohner.

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© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Die Kisten sind gepackt. In knapp einer Woche, am 19. August, schließt der Bioladen Onkel Franz seine Türen auf dem Weißen Hirsch. Die Händler für regionale Produkte, Markus Wenzel und Martin Wett, sehen keine Zukunft. Doch Onkel Franz ist nicht der einzige Laden, der schließt. Ist der Weiße Hirsch für Händler noch attraktiv?

Das treibt auch die Anwohner und die Händler um. Die Veranstaltung von Grünen-Stadträtin Christiane Filius-Jehne am Donnerstagabend lockt zahlreiche Besucher ins Parkhotel. Die Diskussion war emotional, immer wieder von Zwischenrufen unterbrochen. Die Leute fürchten um ihr Viertel. „Es mehren sich die Alarmzeichen, wenn jetzt auch noch die Post schließt“, sagte Filius-Jehne.

Die Zahlen aus der Stadtverwaltung sind eindeutig. Während es 2006 noch 52 Einkaufsmöglichkeiten gab, sind es jetzt nur noch 38. Doch nicht nur auf dem Hirsch, auch in der Neustadt, in der Altstadt oder am Schillerplatz gibt es eine große Fluktuation, Läden schließen, andere öffnen wieder. Ein zentrales Thema am Abend waren die fehlenden Parkplätze im Viertel. „Es gibt hier kaum Parkplätze und wenig Ziele für die Laufkundschaft“, zählt Markus Wenzel einige Gründe auf. Sein Geschäftspartner Martin Wett sieht auch den Alltag als ganz praktischen Grund für den schwierigen Kampf der Händler um Kunden. „Die Hirschbewohner achten auf gesunde Ernährung, Potenzial für Bioläden gibt es also, aber die meisten arbeiten in der Woche sehr lange und kommen nur am Samstag zu uns einkaufen – das reicht nicht zum Überleben.“ Die Bemühungen, mehr Kunden mit speziellen Events zu locken, hätten nicht viel gebracht.

Der Parkplatz vor dem Konsum stehe oft leer, beobachten die Anwohner. Doch lösen würde er das Problem nicht. „Zu teuer“, „zu umständlich“ , lauteten die Zwischenrufe dazu. Die erste Stunde ist frei, ab der zweiten kosten das Parken 1,50 Euro. Das ist vielen zu teuer. Fleischer Müller, seit der 3. Generation im Bezirk, findet die Diskussion um die Stellplätze als zu groß aufgeblasen. Sicher, das sei ein Problem, aber kein Händler dürfe sich darauf ausruhen, sondern müsse schauen, wie er Kunden gewinnen kann. Er selbst setzt auf Zusatzangebote wie Grillseminare.

Das Problem mit den fehlenden Stellplätzen kennt auch Rico Wolf, Inhaber des gleichnamigen Fotogeschäftes. Seit 1939 residiert es auf der Bautzner Landstraße und ist damit ein echtes Hirsch-Urgestein. „Die Parksituation ist desaströs, schon seit Jahrzehnten“, so Wolf. Fragt man ihn, wie er sich entgegen des Trends halten kann, erzählt er vom harten Kampf gegen die Billig-Anbieter aus dem Internet. Das geschieht über persönliche Beratung, Stammkunden schätzen den zuverlässigen Service. Doch rund um Foto Wolf wird es langsam einsam. Ende August macht auch die Postfiliale auf der Plattleite zu. Inhaberin Cornelia Bretschneider will nicht über die Gründe sprechen. Das war am Donnerstag das größte Problem für die Bewohner. Gerade die älteren sehen sich nicht in der Lage, bis zur nächsten Filiale nach Bühlau zu fahren. Grünen-Stadträtin Christiane Filius-Jehne, selbst seit 24 Jahren Hirsch-Bewohnerin, will sich des Händlerproblems annehmen. „Vielleicht kann man eine Lösung finden, damit die Post bleiben kann“, sagt sie. Sie sei in Gesprächen mit dem Konsum, dieser prüfe nun die Möglichkeit, die Post zu übernehmen. Jetzt ergreifen die Anwohner die Initiative und sammeln Unterschriften für den Erhalt der Post.

Doch die Grünen-Politikerin hatte hier eine Botschaft an die Hirschler. Allein das Beschweren über das Ladensternben reicht nicht, die Anwohner müssten auch selbst in ihren Läden kaufen. Das findet auch Torsten Richter. Er wohnt seit Jahren auf dem Hirsch und beobachtet, dass viele über die Schließungen jammern, aber selbst die Geschäfte kaum nutzen.

Schon vor zwei Jahren war die Sparkasse vom Hirsch an den Ullersdorfer Platz gezogen. Zum Leidwesen vieler Anwohner. Sparkassen-Sprecher Andreas Rieger betont: „Wir haben die Türen auf dem Weißen Hirsch nicht einfach dichtgemacht, wir sind nur umgezogen.“ Am aktuellen Standort gebe es mehr Parkplätze für die Kunden und in der Selbstbedienungsfiliale am Hirsch könnten die Kunden weiterhin Kontoauszüge holen und Geld abheben. „Mit dem Wegzug der Sparkasse und der Ardenne GmbH nach Weißig gibt es deutlich weniger Publikum auf dem Hirsch“, sieht Michael Böttger vom Verschönerungsverein Weißer Hirsch. Hart getroffen habe den Hirschen zudem die Schließung des Luisenhofs. Auch Wolfgang „Wolle“ Förster kennt die Probleme der Händler. Vor zwei Jahren wollte er seine „Sushi&Wein“-Filiale im Parkhotel schließen, doch er blieb. „In meinem Fall ist es so: Die Platzkapazität im Parkhotel bietet kaum Potenzial, den Umsatz zu steigern“. Die Nachfrage schwanke sehr. Die Jungs von Onkel Franz machen weiter. Mit ihrem Online-Shop und ihrem Gastro-Lieferdienst.