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Kurfürstlicher Fachkräftemangel behoben

24 Rollen waren beim lebendigen Fürstenzug neu zu besetzen. Neue Mitstreiter kommen auch aus Mittelsachsen.

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© Eckardt Mildner

Von Ute George

Hainichen/Rochlitz. Der „Fürstenzug“ am Dresdner Schloss zählt zu den meistbesuchten Sehenswürdigkeiten in Dresden. Regelmäßig muss das Wandbild gereinigt und restauriert werden. Der lebendige Fürstenzug des in Rochlitz ansässigen Vereins ist zwar erst 14 Jahre alt, eine „Restaurierung“ steht aber auch hier jetzt ins Haus: So hat der Verein nicht nur in den Räumen des Mittelsächsischen Kultursommers in Hainichen ein neues Domizil für die Kostüme gefunden, auch 24 Rollen wurden neu besetzt. Und einige der neuen Fürsten kommen aus Mittelsachsen.

So sieht es aus, wenn der lebendige Fürstenzug zu Dresden –hier 2014 in Rochlitz – unterwegs ist. Die Straßen sind von Hunderten Zuschauern gesäumt. Ein Spektakel für Jung und Alt.
So sieht es aus, wenn der lebendige Fürstenzug zu Dresden –hier 2014 in Rochlitz – unterwegs ist. Die Straßen sind von Hunderten Zuschauern gesäumt. Ein Spektakel für Jung und Alt. © Mario Hösel/Archiv

„Der Zahn der Zeit hat nicht nur an den Kostümen, sondern auch an den Darstellern genagt. Wer kann schon noch mit über 70 aufs Pferd steigen“, begründet Regina Herberger, die seit April vergangenen Jahres den Vereinsvorsitz innehat. Und wenn zum viel umjubelten Auftritt zum Münchner Oktoberfest 2016 Kurfürst August von einer Frau verkörpert werden musste, dann gehe das so nicht mehr. „So haben wir systematisch nach neuen Leuten gesucht“, berichtet Regina Herberger. Und der Verein wurde fündig, die Neuen kämen aus ganz Sachsen und darüber hinaus.

Personalleiter wird zum Soldaten

Einer der „Frischlinge“ ist Mike Speer aus Rochlitz. Der 47-Jährige arbeitet eigentlich als Personalleiter und wurde „Opfer“ des Seelitzer Bürgermeisters, der ihn und zwei weitere Leute auf einer Geburtstagsfeier für den Fürstenzug anwarb. „Seit 1998 ist Reiten mein Hobby“, erzählt Mike Speer. Künftig wird er also einen sächsischen Ulan (ein Soldat) hoch zu Ross darstellen. „Ich bin echt neugierig, was da auf mich zukommt“, sagt er. Warum er dabei ist? „Ich interessiere mich für sächsische Geschichte, und außerdem bin ich stolz darauf, dass es so einen Verein in Rochlitz gibt.“

Franz Tewes aus Erlau hat gleich seine ganze Familie aktiviert. Die gebürtigen Dresdner haben lange Zeit in Baden-Württemberg gelebt und sind sozusagen Rückkehrer. Der 34 Jahre alte Franz Tewes komplettiert das Fußvolk als sächsischer Defensionär, Vertreter der sächsischen Volksmiliz. „Ich fühle mich sauwohl in der Uniform“, sagt er mit einem Schmunzeln. Sein Vater Henning Tewes hilft dem Verein künftig bei den Pferden und packt handwerklich mit an. Mutter Ina Tewes ist „Mädchen für alles“, wie sie sagt.

Karl Ramm aus Oederan gehört hingegen schon zu den „alten Hasen“. Dennoch hat er jetzt eine neue Rolle. „Ich bin seit der Gründung des Vereins dabei“, sagt der 75-Jährige. Viele Jahre saß er als Kurfürst Johann Georg I. von Sachsen auf dem Pferd – und das mit schwerer Ritterrüstung. „Ich war begeisterter Hobbyreiter, musste aus gesundheitlichen und Altersgründen aber aufhören“, erzählt er. Dem Fürstenzug wollte er dennoch treu bleiben. Er läuft jetzt als Hans Bastian von Zehmen, ein Kursächsischer Oberst, im Zug mit. Der 60-jährige Walter Gutmann aus Kleinhartmannsdorf fühlt sich noch fit genug, um aufs Pferd zu steigen und hat deshalb als relativ Neuer die Rolle Johann Georgs I. übernommen. „Mir macht das Reiten mit Rüstung nichts aus“, sagt der Bauleiter, der in der Stadtverwaltung Freiberg arbeitet. 2014 sei er das erste Mal mitgeritten. Gern erinnert er sich an den Festumzug in Meißen 2015: „Das Wetter war spitze, eine super Kulisse, da hat alles gepasst. Wer kann sonst schon mit Rüstung zur Albrechtsburg reiten?“

Auch für Regina Herberger passt jetzt wieder alles. „In den Räumen des Miskus in Hainichen können die Kostüme gepflegt und ausgebessert werden“, sagt sie. Vorher waren sie in der Firma Götze in Rochlitz untergebracht, wo jetzt nur noch das Zubehör für die Pferde hängt. Eine Mitarbeiterin vom Netzwerk Mittweida kümmere sich ehrenamtlich um die Kleidung. „Damit kam es wieder zum Schulterschluss mit den Machern der ersten Stunde: Miskus, Netzwerk und Fürstenzug“, so die Vereinschefin. In den nächsten Wochen sollen nun die Kostüme, Bärte und Perücken in Ordnung gebracht werden.

Zweimal Fürstenzug 2018

Nachdem es letztes Jahr aufgrund des kurfürstlichen Fachkräftemangels keine Auftritte des Fürstenzuges gegeben habe, würden 2018 nun zwei Höhepunkte warten. „Es wird wieder die Fürstentage in Rochlitz und Seelitz geben“, berichtet Regina Herberger. Und am 8. September sei der Zug beim Tag der Sachsen in Torgau dabei. Doch das größte Ziel von Regina Herberger ist: 2019 in Dresden aufzutreten. „Da arbeiten wir intensiv dran.“ Denn erst- und letzmalig erlebte der Fürstenzug 2006 zum 800. Geburtstag der Landeshauptstadt seine große Premiere.

Ein weiterer Auftritt in kompletter Firmierung war den Dresdner Stadtvätern bislang zu teuer. „Sicher kostet der Zug 20 000 bis 23 000 Euro“, sagt Regina Herberger. Doch die Darsteller erhielten davon keinen Cent, maximal einen Verpflegungsbeutel für den Tag. Die hohen Kosten würden durch Transport, Versicherung, das Mieten der Pferde und die Reinigung zusammenkommen. „Etwa 100 Euro kostet das Ausleihen eines Pferdes für einen Tag, und wir brauchen davon 24“, so Regina Herberger. Allein nach dem Auftritt in München waren 6000 Euro Kosten für Ausbesserungsarbeiten entstanden. Doch ihrer Meinung nach gehöre der lebendige Fürstenzug zu Dresden einfach auch nach Dresden. (FP)