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Wenn die Welt untergeht, gibt’s was zu feiern

Das Dresdner Discorporate-Festival beschwört den Teufel, um ihm die Hörner zu schleifen.

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© Robert Michael

Von Kai-Uwe Reinhold

Ich fand’s kacke, heißt es auf der Kommentarseite zum ersten Discorporate Festival aus dem Jahr 2012. Unvermittelt kommt die vernichtende Einschätzung nach zahlreichen euphorischen Rückmeldungen. Hinterlassen hat sie kein anderer als Johannes Zink. Der Veranstalter des Festivals, das in diesem Jahr zum dritten Mal stattfindet, erhält sogar noch Zustimmung. Und das von höchster Stelle. Von Gott, zumindest nennt sich der Kommentator so. Und der sagt: „Ich auch.“

Nichts ist so, wie es scheint

Ob Gott ein Ironiker ist, gehört zu jenen Fragen, über die sich Theologen jahrhundertelang streiten können. Zink würde die Frage wenn schon nicht mit Ja, dann immerhin mit einem salomonischen Vielleicht beantworten. Auch wenn er kein Theologe, sondern ein Philosoph ist. Und selbst das noch nicht einmal richtig. Sein Studium der Philosophie und Psychologie hat er abgebrochen. Das war ihm zu abgehoben. Bei der Arbeit am Begriff fehlte ihm die Leichtigkeit. Totale Ernsthaftigkeit ist Zinks Sache nicht, was aber keineswegs bedeutet, dass er Albernheiten vergöttert. Lieber wandert er auf dem schmalen Grat der Ironie, selbst dann, wenn ihm herablassende Arroganz vorgeworfen wird.

Der Lichttechniker im Dresdner Beatpol weiß, dass er diese Wirkung hat. „Immer wenn ich ein Zitat von mir lese, denke ich: Was für ein arrogantes Arschloch.“ Ein Runzeln huscht dabei über Stirn, ein Lächeln zuckt an den Mundwinkeln entlang, das wieder in eine ernsthafte Mine mündet. Der Verdacht kommt auf, dass man einem Schelm gegenübersitzt, der keine Scheu davor hat, von seiner kleinen Tochter mit bunten Haarspangen drapiert zu werden, um die Aufhübschung seiner Scheitelfrisur über Facebook der Welt zu zeigen. Nichts ist so, wie es scheint.

So nimmt es nicht Wunder, dass auch in diesem Jahr das Thema des Discorporate-Festivals vordergründig etwas in Aussicht stellt, was letztlich ganz anders ausfallen wird. „666“, die apokalyptischen Zahlen des Teufels, prangen auf den Plakaten. Wer nun glaubt, dass satanische Messen gelesen und grimmige Black-Metaller das Gelände der Neustädter Scheune überfallen werden, wird garantiert enttäuscht. Vielmehr wird es vertrackt, komplex und immer wieder spielerisch zugehen, wenn unter anderem die minimalistischen Noiserocker Tarentatec oder der perkussive Frickelelektroniker Sven Kacirek oder der verrückte Antigenremusiker Sam Kulik aus Amerika zusammen mit dem deutschen Alternative- Hip-Hopper Käpt’n Peng aufspielen. „Wenn es überhaupt möglich ist, das Festival auf einen stilistischen Nenner zu bringen“, sinniert der 31-Jährige, „dann wird es vielmehr eine Feier experimenteller Musik sein, deren verbindendes Moment der Pop im weitesten Sinne ist.“

Aber Musik spielt nur eine Rolle beim „Discofest“, wie Zink das Festival immer wieder nennt. Weitere tragende Rollen nehmen kleine Performances ein, die mehr als nur zum Rahmenprogramm gehören. So wird Anti-Diva Annamateur als Orakelmateur aus den Karten lesen. „Mit einer profunden Ernsthaftigkeit, die man von der Kabarettistin zunächst nicht erwartet“, betont der Festivalmacher und grübelt darüber nach, noch einen Beichtstuhl mitsamt Pfarrer ins Programm zu nehmen.

Der Grund erschließt sich, wenn man den Untertitel des Festivals beachtet: „The end was near … forever“. Seit jeher steht das Ende der Welt kurz bevor. Apokalyptische Erzählungen sind eine Art narrativer Dauerbrenner, der durch das Schüren der Angst die Menschen zähmt. Nimmt sich ein Ironiker wie Zink des Themas an, kann man indes davon ausgehen, dass nicht Angst und Panik, sondern Humor und Hoffnung die Gestaltung des Festivals bestimmen. Wenn also der Untergang der Welt und der Beginn des diabolischen Zeitalters heraufbeschworen werden, sollte die Möglichkeit bestehen, seine Sünden zu büßen. Einem alten Freund traut der gebürtige Gothaer die Rolle des Ablasshändlers zu. „Der ist katholischer Pfarrer, hat aber Humor.“

Apokalyptischer Kindergeburtstag

Ohnehin sind alte Freunde aus Gotha und neue aus Dresden enorm wichtig für das Festival. Sie helfen beim Aufbau und bei der fantasievollen Ausgestaltung, die in der Vergangenheit staunen ließ. Für Zink stellt der Freundeskreis jedoch mehr dar als nur ein Reservoir an Helferhänden. Vielmehr ist er der Grund für das Festival. „Jede Freundschaft braucht Rituale. Während andere Bratwürste grillen, machen wir ein Festival, das eher ein Kindergeburtstag ist.“ Ein apokalyptischer Kindergeburtstag, wie so viele andere auch.

Am 6.6. findet innerhalb und außerhalb der Scheune in der Dresdner Neustadt das Discorporate-Festival statt. Karten gibt es an allen bekannten Vorverkaufsstellen.

discorporatefestival.tumblr.com