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Kugelsichere Westen nach Maß

Eine kleine Firma aus dem Rödertal stellt die Schutzkleidung her. Die Nachfrage wächst.

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© Matthias Schumann

Von Reiner Hanke

Wenn Mitarbeiter bei Batex in Bretnig mal eine kugelsichere Weste tragen, dann bestenfalls zum Test. Scharf geschossen wird hier nicht. In der Firma Batex Technische Textilien GmbH rattern nur die Nähmaschinen. Schwarzer derber Stoff liegt unter der Nadel von Meisterin Ute Kubin. Es sind die letzten Stiche an einer nagelneuen Schutzweste der Klasse SK 1. Ute Kubin prüft die Nähte und Verschlüsse. Die Weste kann in den Versand. Bis zur höchsten Schutzklasse 4 wird hier gefertigt. Eine solche Weste soll dann auch den Einschlag von Geschossen aus der Kalaschnikow in den Körper bremsen und Leben retten.

Auch im Büro von Firmenchef Horst Bräuer fehlen die schwarzen Westen nicht. Zwei Schaufensterpuppen sind damit eingekleidet. Seit 25 Jahren produziert die Firma Batex in ihren recht unscheinbaren Hallen am Ende des Bretniger Gewerbegebiets solche Spezialprodukte. Schon zu DDR-Zeiten pflegte der Rheinländer Bräuer Kontakte in die Region. Die hatte er zu einer Firma im benachbarten Ohorn. Er habe das Material geliefert. In Ohorn seien daraus Hitzeschutzanzüge zum Beispiel für Feuerwehrleute gefertigt worden. Diese Kontakte seien der Hintergrund, warum der Textilingenieur nach der politischen Wende in der DDR im Rödertal mit der Firma Batex Fuß gefasst und die Werkhallen errichtet habe.

Im Rheinland, im Raum Bocholt, habe er immer noch ein Vertriebs-Standbein. „Aber in Bretnig spielt die Musik“, so Bräuer. 25 Beschäftigte sind hier in der Produktion und Entwicklung beschäftigt. Dazu gehören Techniker, Vertriebsmitarbeiter ebenso wie Fachleute für den Zuschnitt und die Näharbeiten. Auf drei Gebieten hat sich Batex spezialisiert. Das sind textile Filter, hochwertige Arbeitsschutzbekleidung. Hinzu kommt in großem Umfang Schutzausrüstung für die Polizei in den Bundesländern und für die Bundeswehr. Eben auch die kugelsichere Weste, wie es landläufig heißt. Die gewinnt deutlich an Bedeutung, schätzt Horst Bräuer ein. Seit den Anschlägen von Paris im vorigen Jahr stellt der Unternehmer fest, dass bei den Einsatzkräften aufgerüstet wird. Bis zu 4 000 Schutzwesten verlassen jetzt im Jahr das Werk. Wegen der zunehmenden Gefahrenlage rüste die Polizei jetzt auch mit Stichschutz für die Beamten nach, was sich in den Aufträgen bemerkbar mache. Gestiegen sei zudem die Nachfrage nach Hunde- und Pferdestichschutz. So koste die Ausbildung eines Hundes wohl um die 25 000 Euro, die Schutzmontur etwa 700 Euro. Bis zu zwei Jahre dauere es, um so eine Schutzweste zu entwickeln, sagt der Chef. Dann geht es für Tests zum staatlichen Beschussamt nach Suhl. Besteht die Weste den amtlichen Kugelhagel, kann sie ausgeliefert werden. Unterdessen suchen sich die Bretniger immer neue Nischenprodukte. Dazu gehören neuerdings Ponchos zum Schutz vor ABC-Waffen (radioaktiv, chemisch, biologisch), die auch senfgasbeständig sind. Neu sind auch Textilien mit sogenanntem Vektorenschutz gegen gefährliche Insekten. Die Textilien werden speziell präpariert. Moskitos zum Beispiel hätten dann keine Chance.

Auftrag für Polizei in Sachsen-Anhalt

Derzeit nähen die Frauen an einem Auftrag mit Schutzwesten für die Beamten in Sachsen-Anhalt. Die Schutzsysteme sind durchaus unterschiedlich – für verschiedene Gefahrensituationen. Bei flexiblem Material spricht der Fachmann von weichballistisch. Dabei werden bis zu 30 Lagen von Hightechtextilien aus Kevlar oder Twaron vernäht oder verschweißt. Künftig will Bräuer aber auch die Hartplatten für die schweren Westen selbst pressen: aus einem Kunststoff-Keramikgemisch. Derzeit kauft er die Platten zu. Er sei jetzt auf der Suche nach dem entsprechenden Maschinenpark. Eine Viertelmillion Euro will der Unternehmer investieren und auch am Gewicht der Schutzausrüstung arbeiten. Das summiert sich schnell auf mehrere Kilo, die die Beamten zu schleppen hätten. Ein Kilogramm wolle er abspecken, so das Ziel des Ingenieurs. Die Balance zwischen dem Gesamtgewicht und der Sicherheit sei freilich „immer ein Tanz auf dem Seil“. „Wir sagen natürlich, Sicherheit geht vor.“ Farblich dominiere der Wunsch nach Schwarz oder Blau. Jede Schutzweste ist dabei ein Unikat und werde nach Maß für die Polizisten angefertigt. „Manchmal fährt ein Polizeiauto vor“, sagt Bräuer. Dann lässt sich ein Beamter die Weste gleich hier auf den Leib schneidern. Die Passgenauigkeit ist Mitarbeiterin Sofia Jensen bei der Entwicklung der Westen wichtig. „Es darf nichts wackeln und verrutschen oder durchscheuern“, sagt sie. Sie achte auch aufs Aussehen. In erster Linie müsse die Weste aber funktionstüchtig sein und den Wünschen der Nutzer entsprechen. Dazu gehören genug Taschen an der richtigen Stelle und in der richtigen Größe. Die einen wollen abnehmbare mit Klettverschluss, andere Bundesländer haben es lieber fest vernäht. Eine Tasche fürs Smartphone wird gebraucht, eine fürs Funkgerät und eine für den Drogenwischtest ...

Der 76-jährige Chef freut sich, nach 25 Jahren noch gut im Geschäft zu sein. Zwei Jahre will er vielleicht noch machen, sich aber in dem Alter langsam zurückziehen. Einen Nachfolger habe er nicht. So werde er wohl nach einem Käufer suchen müssen – mit Faible für Schutzwesten.