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Künstler auf Verbrecherjagd

Karl-Heinz Sobierajski aus Dipps war Polizeizeichner. Dabei hatte er mit Stärken und Schwächen des Gehirns zu kämpfen.

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© Frank Baldauf

Von Franz Herz

Dippoldiswalde. Karl-Heinz Sobierajski hat ein besonderes Talent. Wer das Arbeitszimmer in seiner Wohnung im Dippser Neubaugebiet betritt, sieht Porträts an den Wänden, von ehemaligen Kollegen, vom Schwiegervater oder vom Dippser Scherenschleifer Rainer Hocke. Sie sind gemalt wie aus dem Leben. Mit diesem Mal- und Zeichentalent hat er viele Jahre seinen Lebensunterhalt verdient – als Polizist. Dem Beruf ist er auch mit 79 Jahren noch verbunden. Fachliteratur steht im Regal, Polizeiabzeichen aus aller Welt schmücken die Wände.

Dabei war dieser Weg für Sobierajski nicht vorgezeichnet. Er ist ab 1946 in Dresden im Waisenhaus aufgewachsen und hat dann eine Lehre im Betonwerk absolviert. Da kam eine Werbegruppe, die Nachwuchs für die Grenzpolizei suchte. Da Sobierajski an keine Familie gebunden war, ließ er sich auf den Umzug ein, machte die Ausbildung in Erfurt und war bei Mühlhausen eingesetzt. Doch er wollte lieber wieder zurück und bewarb sich nach einem reichlichen Jahr zur Schutzpolizei nach Dresden. Dort hat er seinen Weg gemacht, war mit dem Überfallkommando unterwegs, brachte es zum Fährtenhundeführer, ehe er zur Kripo wechselte. „Die Kollegen wussten, dass ich gerne zeichne.“ Sie haben ihn angesprochen, und so kam der Kriminalhauptkommissar dazu, neben seiner eigentlichen Tätigkeit Fahndungsbilder zu zeichnen.

Den gängigen Begriff Phantombild sieht er skeptisch. Ein Phantom ist ja ein Trugbild, das es gar nicht gibt, während Sobierajski immer versucht hat, der Wirklichkeit möglichst nahezukommen. Er spricht lieber von einem subjektiven Porträt.

Verblüffung und Täuschung

Damit hatte er verblüffende Resultate. Er erinnert sich an einen Banküberfall in Rabenau Anfang der 1990er-Jahre. Der Räuber war maskiert. Aber zwei Mädchen, 13, 14 Jahre alt, hatten gesehen, wie der auf die Straße rannte, sich die Maske herunterriss und um die Ecke verschwunden ist. Dieser Moment hat genügt, um ein treffendes Bild zu zeichnen. „Das menschliche Gehirn ist zu erstaunlichen Leistungen imstande“, sagt Sobierajski dazu. Die Polizei nutzte das Bild zur internen Fahndung und hat den Täter schließlich überführt.

Aber genauso kann das menschliche Gehirn sich schwer täuschen. Sobierajski war einmal, bei einem Betrugsfall in Pirna eingesetzt. Er hat genau nach den Angaben des Zeugen sein Bild gemacht. Noch während der Arbeit hatte er das Gefühl: „Die Person kennst du irgendwoher.“ Als er fertig war, wusste er warum. Er hatte ein treffendes Porträt des Fernsehmoderators Frederic Meißner gezeichnet. Der hatte sich wohl besser eingeprägt als der Betrüger.

Die ersten Anfänge von Sobierajskis Arbeit als Polizeizeichner lagen im Jahr 1973. Zwei Jahre später erlitt er einen Dienstunfall. Danach hat er umgeschult zum Kriminaltechniker. Die sammeln Spuren und werten diese aus. Das Zeichnen rückte nun mehr in den Vordergrund. Aber nicht nur Verdächtige waren seine Motive. So hat er nach dem Diebstahl des Sophienschatzes aus dem Stadtmuseum Dresden mit dem Grafiker Martin Hänsch alle die Teile des Schatzes gezeichnet, von denen es gar keine oder keine guten Fotos gab. Dieser Katalog hat mitgeholfen, 1999 einen großen Teil des Schatzes bei einem Kunsthändler in Oslo wiederzufinden.

Über die Jahre hat Sobierajski auch die technische Entwicklung eng begleitet. Heute noch besitzt er den schweren Koffer mit Hunderten von Folien, die übereinandergelegt, ein Fahndungsbild ergeben können. Und schon vor der Wende hat er zusammen mit Kollegen aus Rostock an einer Computerlösung gearbeitet. Nach der Wende hatte er dann mit einer Firma aus Jena ein Programm dafür auf den Markt gebracht. Das hatte allerdings keine Windows-Grundlage und ist deswegen von der Konkurrenz verdrängt worden. Aber in Karl-Heinz Sobierajskis Arbeitszimmer steht ein Computer und allerhand Software zum Zeichnen und zur Bildbearbeitung. Sein Talent nutzt auch die Technik.

Am 19. August, 20 Uhr, stellt Karl-Heinz Sobierajski im Kupferhammer, In der Hütte 10, in Olbernhau seine Arbeit vor. Dazu hat er auch eine Broschüre erarbeitet, die er als CD vertreibt: Personenbeschreibung & Subjektives Porträt. Er ist auch zu Vorträgen an anderen Orten bereit. Kontakt 03504 694580