Merken

Kuchen vor der Linse

Ellen Türke fotografiert Essen – von Muffin bis Wurst. Sie kann von ihrer Arbeit leben. Wie geht es anderen Fotografen?

Teilen
Folgen
NEU!
© Sven Ellger

Von Julia Vollmer

Essen bewegt sich nicht. Ellen Türke muss lachen, als sie von den Vorteilen ihres Berufes erzählt. Die Fotografin hat sich auf Bilder von Nahrung spezialisiert: Burger, Schnittchen, Drei-Gänge-Menü – alles, was der Kunde möchte. Nach Jahren des Spagats zwischen der Arbeit als Fotografin und dem Brotjob in der Gastronomie kann sie nun endlich von ihrer Leidenschaft fürs Fotografieren leben.

Die oft beschworene Konkurrenz aus dem Internet scheint dem Fotografenhandwerk nichts anzuhaben. Statt schließender Läden siedeln sich immer mehr Fotoateliers an. und Fotografen wagen den Schritt in die Selbstständigkeit. Derzeit gibt es 407 Fotoateliers und selbstständige Fotografen in der Stadt. 2015 waren es 380, 2006 nur 160, so das Amt für Wirtschaftsförderung. Den größten Anteil dabei stellen die Stadtteile Altstadt, Neustadt und Blasewitz. Den Aufschwung in diesem Handwerk bestätigt auch die Handwerkskammer. Waren vor zehn Jahren nur 42 Fotografen bei der Kammer gemeldet, sind es Ende September dieses Jahres schon 200. „Die Existenzgründungen nahmen in den vergangenen drei Jahren in unserem Kammerbezirk vor allem in den folgenden Gewerken zu: Friseure, Elektrotechniker, Kraftfahrzeugtechniker und Fotografen – wobei bei den Fotografen der stärkste Anstieg zu verzeichnen ist“, so Sprecherin Caroline Schneider.

Keine Lust auf Routine

Wichtig ist beim Blick auf die Entwicklung im Fotografenhandwerk allerdings die Veränderung in der Handwerksordnung 2004. Die Meisterpflicht wurde in 53 Handwerksberufen abgeschafft, auch bei den Fotografen. Seitdem machten sich überdurchschnittlich viele mit einem Laden selbstständig. Neben der positiven Einschätzungen der Branche gibt es auch viele kritische Stimmen. Immer mehr Auftraggeber drücken die Preise, viele Kollegen verramschen ihre Bilder zu Spottpreisen, heißt es . Wer andere Beträge verlangt, wird nicht mehr gebucht. Offen reden will kaum jemand über die Missstände. Die Selbstständigkeit muss man sich wie in vielen Zweigen auch hier leisten können.

Ganz bewusst hat sich auch Ellen Türke für die Selbstständigkeit entschieden. Von 8 bis 16 Uhr im Büro zu sitzen, jeden Tag die gleiche Routine – das konnte sich die 33-Jährige noch nie vorstellen. So weiß sie früh beim Aufstehen nie so ganz genau, was sich die Kunden heute wünschen. Mal fotografiert sie die neuen Burgerkreationen der Burgerhotline, Törtchen bei Fräulein Lecker oder Würste bei Curry& Co. Essen liegt still da, klar, aber ganz so einfach, wie man sich es vorstellt, sei das gute Foto nicht. Warum sie gerade Food-Fotografin geworden ist? „Ich mag Essen einfach, oft gehe ich mit Heißhunger aus den Shootings raus“, erzählt sie mit einem Schmunzeln. Das Essen vor ihrer Linse ist zu 90 Prozent echt, ganz selten liegt zur Deko mal ein künstlicher Apfel dabei. Damit die Speisen appetitlich aussehen, hat Ellen Türke einen Trick. Sie besprüht die Nahrungsmittel mit einem Glycerin-Spray. „Das sorgt für diese Wassertropfen, die die Kunden gern sehen“, erzählt sie mit einem Augenzwinkern. Nach dem Fotoshooting landet das Essen nicht in der Abfalltonne, sondern wird meist zusammen mit den Kunden verspeist. Geknipst wird entweder vor Ort beim Auftraggeber oder in ihrem Atelier auf der Rähnitzgasse.

Eigentlich ist sie gelernte Gestaltungstechnische Assistentin, seit einem Praktikum in einem Fotoatelier in ihrer Heimatstadt Guben schlägt ihr Herz für Tiefenschärfe und Brennweite. Angefangen hat die Neustädterin mit Porträtfotografie. Von Bewerbungsbildern über Hochzeiten bis zum Babybauchshooting reicht die Palette. „Ich finde es toll, so nah mit Menschen zu arbeiten, gerade Schwangere sind eine Herausforderung“, erzählt Ellen Türke. Irgendwann im sechsten oder siebten Monat – das sei der beste Zeitpunkt für ein Fotoshooting mit Kugelbauch, rät die Fotografin. „Gerade bei diesen sensiblen Shootings nehme ich mir Zeit, da kann ich nicht einfach nach fünf Minuten drauf los fotografieren“, erzählt sie. Viel Zeit, meist etwa acht bis sechzehn Arbeitsstunden, steckt sie nach einem Shooting in die Bearbeitung der Bilder. Wo viel Zeit investiert wird, steht ein entsprechend höhrerer Preis auf der Rechnung als bei Bildern vom Handy. Aber Ellen Türke hat das Gefühl, immer mehr Firmen und Privatleuten wird klar, dass Qualität bei Fotos auch Geld kostet.

Den Aufschwung im Fotografenhandwerk, den Handwerkskammer und Amt für Wirtschaftsförderung beschreiben, kann auch die junge Fotografin bestätigen. „Es gibt viele Kollegen in der Stadt, aber jeder bekommt etwas vom Kuchen ab.“ Gerade die großen Firmen wollen sich gut präsentieren und setzen auf professionelle Bilder, beobachtet sie. So kommen neben Muffins und Burgern auch mal Herren mit Anzug und Krawatte vor ihre Kamera.