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Kuba drangsaliert Kleinunternehmer

Handwerker und Dienstleister haben bislang die Härten der Mangelwirtschaft abgefedert. Nun werden sie wieder gegängelt.

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© dpa

Von Sandra Weiss

Havanna. Tonis Fahrradshop in Santa Clara im Zentrum Kubas läuft blendend. Sein Laden ist winzig, seine Auslage hat er deshalb auch an Fensterladen und Türe genagelt, wo die Passanten neugierig innehalten. Räder sind angesichts des schlechten Nahverkehrs noch immer das verbreitetste Verkehrsmittel der Karibikinsel. „Was kosten die Reifen?“, fragt Yamil, ein Bauernsohn, der 15 Kilometer über Land geradelt ist, um etwas Obst und Gemüse in der Stadt zu verkaufen. „50 CUC“ (etwa gleichwertig mit dem Euro), antwortet Toni. Das ist das Doppelte eines kubanischen Durchschnittsgehalts. Nach einem Blick in seinen Geldbeutel seufzt Yamil. Seine abgefahrenen Reifen müssen es wohl noch eine Weile tun.

Der 46-jährige Toni war früher Bauarbeiter, jetzt gehört er zu den Kleinkapitalisten, die die kubanische Führung misstrauisch beäugt. „Ich verdiene ein Vielfaches von meinem früheren Lohn“, erzählt er stolz. Wie viel genau will er nicht sagen, denn vieles davon läuft über Geschäfte in der Grauzone zwischen legal und illegal. Über andere Kubaner, die Toni dafür bezahlt, dass sie ins Ausland fliegen und mit 150 Kilogramm – der zollfrei erlaubten Obergrenze pro Jahr – Handelswaren zurückkommen. Alles, was die kubanische Mangelwirtschaft nicht bereitstellt, kommt so ins Land. Besonders gefragt: Reifen und Autobatterien. Gewinnspannen von 100 bis 200 Prozent sind üblich.

In Havanna erklärt Darien Garcia in einem Schulungsraum des Jesuitenordens einer Reihe von Kleinunternehmern, wie man richtig Steuern bezahlt. Einer repariert Handys, eine hat einen Friseursalon, eine dritte arbeitet in einer Kooperative für die Wartung von Klimaanlagen. Die Steuererklärung hat es in sich, alle Nase lang ändert der Staat die Vorschriften – und die Sanktionen sind drastisch. „Ich habe mich einmal verspätet mit der Steuererklärung“, erzählt Johnny, der nach eigenen Angaben in seiner Bar die „besten Mojitos von ganz Havanna“ mischt. „Am nächsten Tag standen drei Polizisten am Tresen und haben mich fast abgeführt.“ Garcia selbst wird ausspioniert, und immer wieder wird er von der Staatssicherheit vorgeladen. Das letzte Mal wurde ihm erklärt, er stehe unter Verdacht des Vaterlandsverrats. „Dabei bringe ich den Leuten doch nur bei, wie man Steuern zahlt“, schüttelt der Ökonom den Kopf.

Als US-Präsident Barack Obama vor zwei Jahren die Zuckerinsel besuchte, ging noch ein Ruck durch die Bevölkerung. Das plötzliche Tauwetter zwischen den USA und Kuba beflügelte die Kubaner, die auf eine weitere Liberalisierung hofften und dank der von Präsident Raúl Castro begonnenen Reformen massenweise begannen, unternehmerisch tätig zu werden. Vier von zehn Kubanern im arbeitsfähigen Alter sind inzwischen im Privatsektor tätig. Doch seit US-Präsident Donald Trump die Annäherung ausbremste, die neu eröffnete Botschaft auf ein Minimum reduzierte und eine Offensive für freien Internet-Zugang für alle Kubaner ankündigte, ist die Eiszeit zurückgekehrt. Seit August 2017 gibt es keine Lizenzen mehr vom Staat für neue Unternehmen. Und die Führung hat neue Vorschriften ausgeknobelt, deren Entwürfe jetzt an die Öffentlichkeit gelangten.

Um kapitalistische Auswüchse wie Schwarzmarkt, Wucher und Steuerhinterziehung in den Griff zu bekommen und die aufklaffende soziale Schere zu kontrollieren, hat die Kommunistische Partei unter anderem beschlossen, Sitzplätze im Restaurant von 100 auf 50 zu begrenzen, nur noch eine Lizenz pro Familie zu vergeben und die Bußgelder drastisch zu erhöhen. Auf „Aktionen zum Schaden der wirtschaftlichen Aktivität“ stehen nach Angaben des kritischen, exilkubanischen Portals „Noticias Marti“ sogar künftig bis zu 20 Jahre Haft und die Beschlagnahmung sämtlichen Hab und Guts des Unternehmens.

Beim Benzin stehen Taxen hinten an
Außerdem sollen die bislang knapp 200 privat erlaubten Tätigkeiten auf 120 reduziert werden, heißt es in dem Dokument, das vom Ministerrat abgesegnet wurde. Zum Teil sollen allerdings verwandte Lizenzen wie Friseur und Maniküre unter „Schönheitssalon“ zusammengeführt werden. Die Fahrer von Taxis und der beliebten Sammeltaxis trifft es besonders hart. Sie müssen künftig einen Taxameter installieren und ihre Einnahmen in Devisen (CUC) und kubanischen Pesos getrennt in der Buchhaltung aufführen. Bei der Ausgabe des knappen und teuren Benzins stehen sie künftig hintenan gegenüber Fahrern der staatlichen Taxizentrale. Dagegen soll es aber beispielsweise bald Lebensmittel-Großmärkte geben, auf denen Gastwirte günstiger einkaufen können.

„Unter Obama gab es hohe Erwartungen, dass sich die Dinge verändern. Das hat Trump zunichtegemacht“, sagt die Universitätsprofessorin Reina Fleitas. Auf die Rückkehr zur alten US-Politik der harten Hand habe die kubanische Führung mit dem alten Rezept der inneren Verhärtung geantwortet. Der richtige Weg, so Richard Feinberg vom außenpolitischen Think Tank Brookings Institution, wäre gewesen, das aus dem Tourismus erfolgreiche Rezept einer Kombination von staatlicher und privater Initiative auszuweiten auf chronisch defizitäre Sektoren wie Energie und Landwirtschaft. Das ist nicht in Sicht. Nach Auffassung des kubanischen Soziologen Haroldo Dilla fällt es dem Staat schwer, die wirtschaftliche Autonomie und kulturelle und ideologische Diversifizierung der Bevölkerung zu akzeptieren, die das klassische Schema Freund-Feind aufweicht.