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Kreis will besseren Hochwasserschutz

Immer öfter zeigt sich, wie schnell kleine Bäche über die Ufer treten können. Die Schwachstellen sind jetzt erkannt.

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© Uwe Soeder

Von Jana Ulbrich

Bautzen. Dieses kleine Bächlein kann ein ganzes Haus wegreißen? Wolfram Brückner blickt auf das kleine Rinnsal unter der neuen Brücke: „Ist das nicht absolut unvorstellbar?“, fragt der 57-Jährige. Auch für ihn, für seine Familie und für alle anderen im Hochkircher Ortsteil Kleinzschorna ist das immer unvorstellbar gewesen. Bis zu diesem Sonntagnachmittag:

So sieht es am Nachmittag des 9. Juni 2013 auf dem Grundstück von Familie Brückner in Kleinzschorna aus: Nach einem Starkregen wird das kleine Kotitzer Wasser plötzlich zum reißenden Strom, der sogar Häuserwände mitreißt.
So sieht es am Nachmittag des 9. Juni 2013 auf dem Grundstück von Familie Brückner in Kleinzschorna aus: Nach einem Starkregen wird das kleine Kotitzer Wasser plötzlich zum reißenden Strom, der sogar Häuserwände mitreißt. © Wolfgang Wittchen

An jenem 9. Juni 2013 bahnt sich das kleine Kotitzer Wasser mit unglaublicher Kraft seinen Weg ins alte Bachbett zurück – mitten durch die Zschornaer Mühle. Familie Brückner sitzt gerade beim Kaffeetrinken – zum Glück in der anderen Haushälfte – und muss zusehen, wie das Wasser die Wände mitreißt und das halbe Hab und Gut. Unvorstellbar!

„Dieses kleine Gewässer hatte damals überhaupt niemand auf dem Schirm“, sagt auch Birgit Weber, die Beigeordnete des Landrats, die eine Expertin ist für Hochwasserereignisse und die Beseitigung ihrer Folgen, für den sinnvollen Wiederausbau des Zerstörten und den vorbeugenden Schutz vor künftigen Überschwemmungen. Heute haben Birgit Weber und ihre Mitarbeiter im Landratsamt das kleine Kotitzer Wasser sehr wohl auf dem Schirm. Genauso wie den Großdrebitzer Bach in Bischofswerda, das Butterwasser in Wilthen und alle anderen 2 700 Kilometer Gewässer 2. Ordnung, die sich wie ein Spinnennetz über den gesamten Landkreis ausbreiten – ein Spinnennetz voller Hochwassergefahr.

Drei Jahre hat es gedauert, alle relevanten Informationen zusammenzutragen: die Wassermengen, Querschnitte und Fließgeschwindigkeiten, die Wehre, Stützmauern und Brücken, die Einleitgenehmigungen und vor allem auch die Schwachstellen, die sich bei Starkregen auftun. Jetzt ist die zentrale Gewässerdatenbank des Landkreises fertig. In einer dreidimensionalen Karte sind alle Informationen abrufbar – einschließlich der Einschätzung, wie groß das Hochwasserrisiko einzelner Gewässerabschnitte ist. Derzeit sind Projektmitarbeiter gerade dabei, Schnittstellen so zu programmieren, dass auch alle Städte und Gemeinden direkten Zugriff auf die Karte haben.

Gemeinden sind überfordert

Denn die Kommunen sind die eigentlich Zuständigen für die kleinen Gewässer 2. Ordnung. Ihre Pflichtaufgabe ist es, die Bäche und Zuläufe zu unterhalten und zu pflegen. „Gerade beim Hochwasser 2013, bei dem eben nicht nur die Spree, sondern vor allem die kleineren Gewässer über die Ufer getreten sind, haben wir deutlich höhere Schäden dort registriert, wo die Gewässer in einem schlechten Erhaltungszustand waren“, sagt Birgit Weber. Sie macht den Städten und Gemeinden keinen Vorwurf. Sie weiß, dass die Gewässerpflege vielerorts hintenansteht, dass sie oft wegen der geringen Finanzkraft der Kommunen hinter anderen wichtigen Pflichtaufgaben zurücktreten muss.

Wie wichtig die genaue Kenntnis der Gewässer, ihre Pflege und Maßnahmen für einen besseren Hochwasserschutz sind, sagt Birgit Weber, das zeige sich ja in letzter Zeit immer wieder. Die Beigeordnete meint damit die zahlreichen örtlich begrenzten Überschwemmungen, zu denen es nach Unwettern und starken Regengüssen überall im Landkreis kommen kann. Auch dort, wo es, wie am Kotitzer Wasser in Kleinzschorna, noch nie zuvor ein Hochwasser gegeben hat, und wo das auf den ersten Blick auch unvorstellbar scheint.

Neues Bett für den Bachlauf

Zumindest in Kleinzschorna dürfte die Überschwemmungsgefahr jetzt aber nicht mehr ganz so groß sein. Eine halbe Million Euro hat die Gemeinde hier investiert, um dem Bachlauf ein neues Bett zu geben und die Anwohner besser zu schützen. Wolfram Brückner zeigt auf die neuen Mauern und den Damm, der jetzt das Grundstück umgibt. „Wir sind sehr zuversichtlich, dass der Bach jetzt nie wieder so einen großen Schaden anrichten kann“, sagt er.

Eine Sache wäre da aber noch, die ihm Sorgen macht, sagt Wolfgang Brückner und geht ein Stück bachaufwärts – dorthin, wo noch Geröll und umgestürzte Bäume im Wasser liegen, die die Fluten 2013 mitgerissen hatten. „Beim nächsten Hochwasser könnte das ein großes Stauhindernis werden“, befürchtet er.

Landkreis darf nicht helfen

Auch darum könnte sich der Landkreis kümmern, weiß Birgit Weber. Aber er darf nicht. Denn per Gesetz sind für die Pflege und Unterhaltung der Gewässer 2. Ordnung die jeweiligen Städte und Gemeinden zuständig. Der Kreis würde den finanziell überforderten Kommunen diese Aufgabe gern abnehmen. „Wir sehen das auch ein Stück weit als Daseinsfürsorge an“, sagt die Beigeordnete. Es wäre auch alles viel einfacher: Die Straßenmeistereien, in deren Aufgabenbereich ohnehin schon die Unterhaltung sämtlicher Straßengräben fällt, verfügen über die nötigen Kenntnisse und die nötige Technik. Es würde Unterhaltungspläne für die Gewässer geben, die eine Regelmäßigkeit garantieren.

„Aber es ist bisher rechtlich nicht möglich, eine Pflichtaufgabe der Kommunen auf den Landkreis zu übertragen“, erklärt Birgit Weber. Dafür müsste das Sächsische Wassergesetz geändert werden. Und das wiederum müsste der Landtag tun. An die CDU-Landtagsfraktion hat Birgit Weber ihr Anliegen bereits herangetragen. „Es wird nur so gehen, dass wir da immer mal wieder nachstoßen“.