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Kreis Görlitz ist Schlusslicht bei der Ausbildung

Die Zahl der neuen Lehrverträge ist auf einem Rekordhoch. Nur entlang der Neiße wird weniger ausgebildet.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Landkreis. Linda Grohmann gehört zu den 4390 Auszubildenden im Bereich der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden, die ihre Lehrausbildung jetzt begonnen haben. Ihr Kollege Alexander Knappe absolviert bei Zittaus größtem Elektronikmarkt Euronics XXL in Pethau bereits das zweite Ausbildungsjahr zum Einzelhandelskaufmann. Er wählte den Beruf, weil er gern „mit Menschen arbeitet“.

Linda Grohmann gelang es im März, beim ersten Azubi-Casting sich für eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement zu empfehlen. 20 Bewerber kämpften damals um sechs Ausbildungsplätze in drei Betrieben – bei Euronics XXL, Intersport-Kunick und in der GEMTEC GmbH. Elektronikhändler Jochen Groß organisierte das Azubi-Casting, weil es immer schwieriger werde, unter den Schulabgängern geeignete Bewerber zu finden. Die ungewöhnliche Form der Auswahl machte sich bezahlt, er stellte im Ergebnis des Castings zwei Lehrlinge ein.

Für Linda Grohmann ist es bereits die zweite Lehre, da sie schon einen Abschluss als Friseurin in der Tasche hat. In dem Beruf habe sie allerdings nie gearbeitet, erzählt die Oderwitzerin. Nach den ersten Wochen im Euronics-Büro habe sich gezeigt, dass ihr die Bürotätigkeiten besser liegen als die Arbeit als Friseuse. „Wir haben viel Spaß“, sagt die 27-Jährige.

Im September konnten im Kammerbezirk 3,8 Prozent mehr Ausbildungsverhältnisse registriert werden als im Vorjahr, meldet die IHK Dresden. Die Zahl der neuen Lehrverträge ist auf einem Rekordhoch, dies sei der höchste Septemberwert seit neun Jahren, so die Kammer. Die Berufe im Handel verdrängen mit 912 Neuverträgen die bislang führenden Metallberufe von der Spitze. Die Metallbranche verzeichnet 907 Neuverträge, Hotellerie- und Gastronomie 572 und die Elektrotechnik 296. Verfestigt habe sich die regionale Verteilung. So fallen die meisten Lehrstellen auf die Landeshauptstadt. Dresden erreichte einen Zuwachs von drei Prozent, der Landkreis Bautzen legte acht und die Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 16 Prozent zu. Meißen bringt es noch auf plus minus null.

Der Landkreis Görlitz ist mit einem Minus von drei Prozent das Schlusslicht im Direktionsbezirk Dresden und entwickelt sich quasi gegen den Trend. Sind 2011 noch 759 Lehrverträge im Landkreis abgeschlossen worden, waren es 2016 nur noch 618.

Über die Ursachen ist man sich bei der IHK im Klaren. An erster Stelle steht zweifellos die demografische Entwicklung, denn von 2011 bis Mitte 2016 hat die Einwohnerzahl im Kreis Görlitz um rund 9000 Personen oder 3,4 Prozent abgenommen. „Nun verlieren auch Landkreise mit einer steigenden Anzahl an Ausbildungsverträgen Einwohner, aber kein Kreis im Kammerbezirk hat in den letzten Jahren so viel Bevölkerung verloren wie der Kreis Görlitz“, sagt Matthias Schwarzbach, Leiter der IHK-Geschäftsstelle Zittau, und fügt hinzu: „Wenn also die Schulabgängerzahlen sinken, gibt es automatisch noch weniger Ausbildungsbewerber als ohnehin schon da sind.“ Lehrstellen bleiben aber auch unbesetzt, weil Berufsbilder wie Fleischer oder Bäcker weniger nachgefragt werden.

Punkt zwei sei die Wirtschaftsstruktur im Kreis, die eine maßgebliche Rolle spiele, so Schwarzbach. Wenn weniger Einzelhandels- oder Dienstleistungsbetriebe vorhanden sind, wird auch das Angebot an interessanten und bei Jugendlichen beliebten Ausbildungsplätzen eingeschränkt sein. „Wir dürfen in unseren Bemühungen beim Werben um Ausbildungsbetriebe und für attraktiver Ausbildungsangebote im Landkreis nicht nachlassen“, so der Geschäftsstellenleiter. Veranstaltungen wie „Spätschicht“, „Berufepark“ oder „Insider“ oder der „Arbeitskreis Fachkräfte“, wo Menschen die Köpfe zusammenstecken und Strategien zum Gegensteuern entwickeln, sind wichtiger denn je.