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Kreativ gegen den Strom

Geht es mit dem Conny-Wessmann-Haus wirklich zu Ende? Die Stadt sagt, sie will den alternativen Jugendtreff erhalten.

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© Archiv/Anne Hübschmann

Von Kathrin Krüger-Mlaouhia

Großenhain. Der Verein zur Förderung alternativer Jugendarbeit schlägt Alarm. „Eine Schließung lässt sich nur noch verhindern, wenn endlich ein paar Leute sich dafür einsetzen, das CWH auch noch für künftige Generationen zu erhalten“, so der Vorstand. Die SZ analysiert die Chancen.

Das Jugendhaus hat eine lange Tradition und einen eigenen Charakter

Nach Auseinandersetzungen mit rechtsgerichteten Jugendlichen, Randalen im Haus und einem Brandanschluss im Juli 1999 war das Conny-Wessmann-Haus zu einem linksalternativen Szenetreff ausgebaut worden. Die Jugendlichen packten selbst in ihrem Club mit an und bauten den Boden für Konzerte und Filmvorführungen aus. Auch ein Bandproberaum entstand. Die Außenfassade wurde von Künstler Sebastian Bieler verschönert. Konzerte, Ausstellungen, Gesprächsrunden zu politischen Themen wurden fortan zum Markenzeichen des Conny-Wessmann-Hauses. Dabei beginnt die Geschichte des Gebäudes schon 1934, als es als Hitlerjugendheim errichtet wurde. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges diente es als Mütterhaus, Schule, Kindergarten und Vereinsgebäude. Ab 1980 bis 1989 befand sich die Landwirtschaftsschule der LPG darin.

Die Alternativen aus der „Bunten Fabrik“ von der Industriestraße zogen Ende 1995 in der Skassaer Straße ein. Sie benannten das Haus nach der Göttinger Studentin Conny Wessmann, die 1989 bei einer Auseinandersetzung von Autonomen mit der Polizei flüchtete und von einem Auto überfahren wurde. Das Connyhaus, wie der städtische Jugendtreff nun genannt wurde, verschrieb sich dem Antifaschismus, bekam 1999 sogar für ein Projekt 1500 Euro Preisgeld von der Heinrich-Böll-Stiftung. Legendär waren die jährlichen Courage-Konzerte. Da arbeitete der Jugendverein mit anderen Trägern zusammen.

Die Stadt will den alternativen Jugendclub erhalten

Für die Stadtverwaltung ist das CWH ein kreativer Ort, der sich trotz aller Schwierigkeiten bis heute als Teil der Freizeitbeschäftigung für junge Leute bezeichnen lässt. Das CWH bot in der vergangenen Jahren Jugendlichen außerhalb des Mainstreams Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung und zur Verantwortungsübernahme, heißt es aus dem Rathaus. Bis vor zwei Jahren boten das Haus und der Verein Veranstaltungen und Workshops in verschiedenen Themenbereichen an und beteiligte sich immer wieder an kommunalen Veranstaltungen und teilweise auch an der Bewältigung von Problemen der Asylbetreuung.

„Zurzeit hat der Verein noch nichts entschieden und beschlossen. Wir hoffen, dass sich Jugendliche finden, die dem Verein wieder neues Leben einhauchen. Das Gelände soll für die Jugendarbeit weiter genutzt werden, solange Großenhainer Jugendliche Interesse daran haben“, teilt Stadtsprecherin Diana Schulze mit. Aktuelle Vereinsvorsitzende ist Christiane Mix. Sie war gestern für die SZ allerdings nicht zu erreichen.

Ehemalige Mitstreiter sehen die Entwicklung eher skeptisch

Für Martin Luh war der Jugendtreff eine „Insel in der Stadt – wie Urlaub“, sagt er. 1996 war er im Haus Praktikant, machte erstmalig Bekanntschaft mit politischer Auseinandersetzung. „Das Gesellschaftliche zu reflektieren, dafür steht das Haus“, so Martin Luh. Weit über Großenhain hinaus sei der linksalternative Club bekanntgewesen. 2012 trat Luh aber aus dem Verein aus mit der Begründung, er sei jetzt erwachsen. Heute sieht er eine andere Jugendkultur, in der Heranwachsende vor allem über soziale Medien Kontakt halten. Dennoch fände Martin Luh es traurig, wenn der Club mangels Interesse schließen müsste. Entscheidend sieht er auch die Einbrüche in der jüngsten Vergangenheit. So kurz vor Silvester vorigen Jahres, als eine Ziegelmauer durchbrochen wurde.